Eine Prüfung und ihr Ablauf ist immer eine sehr subjektive Sache. Ich denke viele oder die meisten hier haben die Jägerprüfung nur ein- oder maximal zweimal "gemacht", d.h. die wenigsten werden hier als Prüfer oder gar Prüfungsvorsitzender unterwegs gewesen sein. Insofern blicke ich da aus einem anderen Blickwinkel auf die Sache.
Als ehemaliger Prüfungsvorsitzender verstehe ich ja die Ansicht mancher, dass manche den Jagdschein nicht bekommen sollen. Da bin ich ja (emotional) völlig bei denjenigen, als Beispiel sei der Puffbesitzer genannt oder derjenige, der herumtönt, er wolle nicht zur Jagd, er wolle den Jagdschein nur, um Waffen sammeln zu können.
Aber: Da steht man, sofern man dies vorher erfährt, als Prüfer oder Prüfungsvorsitzender nun erst einmal dumm da, denn: Es ist ja erst einmal grundsätzlich zu hinterfragen, ob die kolportierten Informationen richtig sind oder ob der Kolportierende nicht eventuell im gleichen Ort wie der Prüfling wohnt und Angst hat, bei der nächsten Jagdverpachtung zu kurz zu kommen.
Und: die Beweggründe, warum jemand den Jagdschein macht, mögen emotional für die Kommission von Relevanz sein, aber formal und rational sind und dürfen die Beweggründe nicht relevant sein, denn ansonsten dürfte ein Prüfer ja keinen Prüfling bestehen lassen, er könnte ja bei der nächsten Jagdverpachtung oder nur Jagdeinladung sein "Konkurrent" werden, nicht wahr?
[Vielleicht einmal den umgekehrten Fall: Ich kann mich an meine eigene Jägerprüfung erinnern, der Prüfling neben mir wurde im Mündlichen u.a. zu der in dieser Zeit grassierenden Tollwut befragt, einfache Basics: Wie erkennt man dies beim Fuchs? "Schaum vor dem Mund, Beißreflex" Also wenn ein Fuchs das nicht hat, dann ist er gesund? "Ja" Stirnrunzeln bei den Prüfern Welche Tiere können den Tollwut bekommen? "hmm, Rinder noch" Sonst keine? "weiss nicht" "Kann ein Hund Tollwut bekommen?" "Ja, der auch" "Und ein Pferd?" "Könnte sein" "Ein Fasan?" "Nein der nicht" usw ....
Der Prüfling ist im Ergebnis völlig zurecht und richtig durchgefallen. Er erzählte dann genau das oben geschriebene, man habe ihn durchfallen lassen, damit er die Jagd nicht pachten könne. Ich und die Prüfer wussten es besser.]
[Ich hatte auch mal einen Prüfling, der hatte in der Waffenkunde völlig versagt und ist zu Recht durchgefallen. Der Nachname kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht zuordnen. Wochen später fiel mir ein, als ich den Vater des Prüflings traf, woher ich den Nachnamen kannte. Sein Vater meinte: "Mir war klar, dass er durchfiel, er hat nichts gelernt und war schlicht zu faul und ich bin überzeugt, auch wenn mein Sohn das völlig anders sieht und über die Prüfer schimpft, zu hause Rotz und Wasser geheult hat, dass Sie fair geprüft haben. Und ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie meinen Sohn haben durchfallen lassen, denn wenn er sich da durch gemogelt hätte, wäre das nicht gut für ihn und seine weitere Entwicklung gewesen." Ich habe mich höflich bedankt, bedeckt gehalten und zum Prüfungsverlauf natürlich kein Wort verloren.]
Aber das grundlegende Problem, dass hier viele unterschätzen ist, dass in heutigen Zeiten von Prozesshanseln, Rechtschutzversicherungen und unterbeschäftigen Anwälten ein "Durchfallen" ganz klar und wirklich sauber dokumentiert sein muss. D.h. hier müssen Prüfer und Prüfungsvorsitzende sehr, sehr sauber arbeiten und vor allen Dingen formal arbeiten (können). Und gerade hier sehe ich auch ein Problem in der Zusammenstellung von Jägerprüfungskommisionen, bzw. in der Auswahl der Prüfer. Natürlich kann Haarwildkunde oder was auch immer auch von vielen Jägern sehr gut geprüft werden (weil die das Wissen in jahrzehntelanger Jagd sich in der Praxis angeeignet haben), aber die Frage ist doch, kann der Prüfer den formalen Teil, damit ein Nichtbestehen gerichtsfest dokumentiert wird, auch erfüllen. Natürlich gibt es da immer den Vorsitzenden, aber hier ist doch die Frage, wie wird dieser ausgewählt - bzw. wer will das denn freiwillig machen?
Deshalb sehe ich bei manchen Kommisionen durchaus das Problem, dass sie in der mündlichen Prüfung "großzügiger" sind, um sich anschließend nicht in einem Rechtsstreit wieder zu finden.
Oder um es anders zu sagen: So mancher Kommission fehlen schlicht die Eier oder auch das Knowhow, hier auch einmal jemanden durchfallen zu lassen, der es eigentlich verdient hätte.
Und dann hat man zum Beispiel einen Prüfling, die wissen manches besser als der Prüfer und beginnt mit dem Prüfer eine waffenrechtliche interessante, auf Augenhöhe und fair geführte Diskussion. Man sitzt da und wundert sich, wohlwissend, dass der Ausgang der Diskussion nicht prüfungsrelevant ist, weil zu den damaligen Zeiten das schriftliche Ergebnis mit dem Mündlichen verrechnet wurde und der Prüfling in diesem Fach mit einer "1" aus dem schriftlichen gekommen ist und faktisch nicht mehr durchfalllen kann. Man hört also amüsiert zu und wundert sich, und fragt sich, ist der nun so schlau oder der tut der nur so? Das ist der Vor- oder auch der Nachteil, wenn man über die Prüflinge nichts weiss.
Die Auflösung kam dann nach der Bekanntgabe des (bestandenen) Prüfungsergebnisses: Der Prüfling überreichte jedem Prüfer eine Ausgabe seiner Dissertation, in der er sich intensiv mit waffenrechtlichen Fragestellungen auseinandergesetzt hat, das Ganze mit den Worten: "Ich wollte Ihnen die Dissertation erst nach dem Ende der Prüfung und nach Bekanntgabe des Ergebnisses geben, damit Sie und ich eine Freude daran haben."
Zusammenfassend:
Nach meiner Erfahrung liegt die Wahrheit bei durchgefallenen Prüflingen meist "in der Mitte". Sorry, TE, subjektiv magst Du Deine Prüfung als unfair empfunden haben, wenn es so war, wie Du schreibst, mag das durchaus auch unfair gewesen sein. Objektiv, als derjenige, der öfter auf der anderen Seite des Tisches saß, muss ich sagen, liegt der tatsächliche Verlauf in Jägerprüfungen oftmals in der besagten "Mitte", auch wenn der Prüfling das aufgrund seiner prüfungsbedingt eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit während der Prüfung und der Enttäuschung hinterher schlicht nicht so wahrnehmen kann (oder will).