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Deutscher Jagdverband warnt Rückkehr der Wölfe birgt Gefahren
Von unserem Redaktionsmitglied Alfred Mense
Berlin/Dortmund (gl). Mit zunehmender Sorge registriert der Deutsche Jagdverband (DJV), dass Wölfe in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein in jüngster Zeit nah an menschliche Siedlungen herankommen. Die damit verbundene Gefahr werde unterschätzt. Erst am Dienstag war ein einzelnes Raubtier in der Gemeinde Emstek (Kreis Oldenburg, Niedersachsen) umherspaziert.
„Mit der Rückkehr des Wolfes ist ganz besonders für Haus- und Nutztiere ein Risiko verbunden. Aber niemand kann ausschließen, dass es zu Übergriffen auf Menschen kommen kann“, betont Dr. Gert Dittrich, Präsidiumsmitglied des DJV in einem Interview. Jungtiere hätten oft noch keinen Fluchtinstinkt für die Begegnung mit einem Menschen entwickelt und reagierten entsprechend unerfahren und neugierig, ähnlich wie junge Hunde.
Das niedersächsische Umweltministerium will auffälligen Tieren die Scheu vor dem Menschen im Bedarfsfall antrainieren – etwa durch den Einsatz von Gummigeschossen.
Der Landesjagdverband NRW (Dortmund) verfolgt die Entwicklung in Niedersachsen mit höchster Aufmerksamkeit – denn Nordrhein-Westfalen ist „Wolferwartungsland“. Darauf deutet die Sichtung eines Raubtieres in Minden-Lübbecke im Dezember 2014 hin.
Vorsicht geboten Jungen Wölfen fehlt die Scheu vor Menschen
Von unserem Redaktionsmitglied Alfred Mense
Dortmund/Minden (gl). Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt der Landesjagdverband (LJV) Nordrhein-Westfalen die sich häufenden Meldungen aus Niedersachsen über besorgniserregende Begegnungen zwischen Menschen und Wölfen. Über mögliche Gefahren, die von den Raubtieren ausgehen, sprach „Die Glocke“ mit Gregor Klar, Referatsleiter Naturschutz und Wolf-Experte beim LJV in Dortmund.
„Die Glocke“: Herr Klar, in Niedersachsen werden Wölfe in bewohnten Gebieten gesichtet. Selbst die Begegnung mit Menschen scheint die Tiere nicht zu schrecken. Ist die Vorstellung vom scheuen Wolf überholt?
Klar: Grundsätzlich sind Wölfe durchaus scheue Tiere. Probleme tauchen meistens bei Jungtieren im Alter von bis zu zwei Jahren auf. Die haben häufig gegenüber dem Menschen noch keinen Fluchtinstinkt entwickelt.
„Die Glocke“: Kann sich daraus eine konkrete Gefahr etwa für Spaziergänger ergeben?
Klar: Mangelnde Scheu von jungen Wölfen ist sicher nicht akzeptabel. Deshalb hat das niedersächsische Umweltministerium aktuell einen Erlass verfügt, wie mit derart auffälligen Tieren umzugehen ist. Durch den Einsatz von Gummigeschossen etwa soll das Tier „vergrämt“ werden, das heißt, es
soll ihm ein Fluchtinstinkt antrainiert werden, damit er die Begegnung mit Menschen künftig meidet.
„Die Glocke“ :
Wie schätzen Sie das Risiko ein?
Klar: Man sollte da keine Horrorszenarien entwickeln, sich aber sachlich mit dem durchaus ernsten Thema auseinandersetzen. Grundsätzlich ist die Ausgangslage in Niedersachsen und NRW sehr unterschiedlich. In Niedersachsen sind derzeit fünf Wolfsfamilien und zwei weitere Paare registriert, insgesamt etwa 30 Tiere. In Nordrhein-Westfalen sind in jüngster Zeit gerade einmal zwei Wölfe gesichtet worden, einer im Kreis Minden-Lübbecke und einer im Siegerland. NRW ist noch immer ein „Wolferwartungsland“. Dennoch müssen wir uns rechtzeitig mit der Thematik beschäftigen, weil der Wolfsbestand in Niedersachsen jährlich um etwa 30 Prozent zunimmt und die Tiere neue Reviere suchen, vermutlich schon bald auch in NRW.
„Die Glocke“ :
Dann wird es künftig auch hier Begegnungen der unheimlichen Art geben?
Klar: Nordrhein-Westfalen ist dichter besiedelt als Niedersachsen, deshalb wird man sich mittelfristig an den Gedanken gewöhnen müssen, dass sich Mensch und Wolf auch bei uns begegnen.
Vorbereitung auf Rückkehr des Raubtiers
„Die Glocke“: Wie sollte sich ein Spaziergänger verhalten, wenn er auf einen Wolf trifft?
Klar : In Gegenden, in denen Wölfe schon gesichtet wurden, sollten Hundehalter ihre Vierbeiner grundsätzlich angeleint lassen. Hat der Wolf einen Spaziergänger bemerkt, sollte dieser versuchen, das Tier durch Rufen oder Klatschen zu vertreiben. Kommt der Wolf dennoch auf einen zu, sollte man weiter Lärm machen und Gegenstände nach dem Tier werfen.
„Die Glocke“: Das NRW-Umweltministerium hat 2010 einen Arbeitskreis Wolf ins Leben gerufen, in dem Naturschutzverbände, Landwirte, Schafzüchter und Jäger zusammenarbeiten. Funktioniert die Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher Interessen?
Klar: Durchaus, auch wenn es in Einzelpunkten abweichende Meinungen gibt. Der Arbeitskreis wird in Kürze einen Leitfaden zur Rückkehr des Wolfs nach NRW vorstellen. Darin werden Regelungen getroffen etwa zu Entschädigungszahlungen, wenn ein Wolf Nutztiere reißt, zum Schutz von Schafherden oder zum Aufbau eines landesweiten Wolfsmonitorings. Das soll erfassen, wie sich die Rückkehr der Wölfe vollzieht und welche Auswirkungen diese hat. Aus Sicht der Jäger muss dazu zwingend auch die Entwicklung des Schalenwilds, also Beutetieren des Wolfs wie Rehen, erfasst werden.
Fluchtinstinkt nicht immer ausgeprägt
Die Vorstellung vom scheuen Wolf, der die Begegnung mit Menschen meidet, muss nach Auffassung des Deutschen Jagdverbandes relativiert werden. Denn in jüngster Zeit häufen sich Begegnungen zwischen Mensch und Tier, bei denen das streng geschützte Raubtier ganz anders reagiert, als es landläufig beschrieben wird. Anscheinend fehlt vielen Jungtieren der Fluchtinstinkt. Einige Beispiele:
Mitte Februar begegnet in Frau in Munster (Niedersachsen) einer Gruppe von sieben Wölfen, als sie ihre Hunde ausführt. Die Raubtiere suchen nicht das Weite, sondern nähern sich. Die verängstigte Frau kann sich und ihre Hunde im Auto in Sicherheit bringen.
Anfang dieser Woche laufen mehrere Wölfe durch die Kleinstadt Wildeshausen (Kreis Vechta, Niedersachsen). Sie werden von Anwohnern gefilmt. Die Tiere wirken eher neugierig als scheu.
In benachbarten Goldenstedt wird Mitte Februar ein Wolf in der Nähe eines Waldkindergartens gesichtet. Die Gemeinde hofft, dass flatternde bunte Bänder an der Umzäunung des Waldkindergartens die Wölfe irritiert und damit abschreckt. (ame/gl)
Aktueller Schnappschuss einer Autofahrerin im Kreis Oldenburg:
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Das Umweltministerium in Hannover geht Hinweisen auf eine Sichtung des Wolfes in der Gemeinde Emstek am Dienstag nach, sagte gestern eine Ministeriumssprecherin. Nach Zeugenaussagen lief das Tier in Richtung einer Bushaltestelle, ist dann aber umgedreht, als er dort einen Radfahrer stehen sah. Das Ministerium hat verfügt, dass der Wolf aus dem Kreis Oldenburg mit Gummigeschossen verscheucht oder mit einem Betäubungsgewehr gestoppt werden kann, weil er keinen ausgeprägten Fluchtinstinkt erkennen ließ. Bild: dpa