Hallo liebe Mitjäger von der „ökologischen“ Fraktion in diesem Forum!
Entschuldigt bitte diese Anrede, aber Eure richtigen Namen kenne ich leider nicht.
Ich möchte mich nun doch noch in diese Diskussion einmischen. Da ich jagdlich zeitlebens im Umfeld der besagten Adelegg zu Hause war, u.a. auch eine Pachtperiode lang direkt auf der Adelegg auf Baden Württembergischer Seite und zwei Jahre lang bei den BayStF auf bayerischer Seite, bietet sich das ja geradezu an. Gestattet mir bitte dass ich zuerst ein wenig aushole.
Eure Beiträge erinnern mich an die den Wald und das Wild betreffende Einstellung, die auch mir zu eigen war, bzw. die mir beigebracht wurde, als ich 1977 im Allgäu zu jagen begann. Da der Landkreis Lindau zu dieser Zeit einer der Vorreiter beim Modell „Wald vor Wild“ war, gehörte ich vermutlich zu den ersten „ökologischen“ Jägern im Land. Als überdurchschnittlich „passionierter“, junger Jäger, der bald auch Jagdpächter wurde, war ich Feuer und Flamme für diese damals relativ neuen Ideen der jagdlichen Bewirtschaftung. Meine ersten 20 Jahre des Jagens bestanden für mich also fast ausschließlich aus „Reh sehen und bumm“. Dabei hatte ich immer ein gutes Gefühl. Ich spottete sogar über Jäger, die die Jagd sehr traditionell sahen. Irgendwann aber begann ich so manche Dinge zu hinterfragen.
Es waren vor allem meine unzähligen, berufsbedingten Kontakte zu Forstleuten und Berufsjägern aus Bayern und anderen Bundesländern, deren Erfahrungen und persönliche Einstellungen mich nachdenklich werden ließen. Weil deren Aussagen nämlich auch selbstkritisch und damit sehr ehrlich waren. Was meine bis dahin vorherrschende, jagdliche Einstellung dann vollends veränderte, waren die nicht wenigen, persönlichen Erlebnisse im Rahmen „ökologischen“ jagens in anderen Revieren. Einige dieser Erlebnisse hatten schließlich dazu geführt, dass ich das Jagen einige Jahre lang ruhen ließ.
Die Liste dieser bei mir einen Sinneswandel verursachenden Geschehnisse wäre viel zu lang um hier alles aufzuführen. Außerdem möchte ich aus verschiedenen Gründen vieles besser nicht öffentlich machen.
Eines möchte ich aber betonen: Ich kritisiere heute keinesfalls die Forstleute an sich (zumindest die aller meisten von ihnen) und schon gar nicht die staatlichen Berufsjäger. Sie alle sind nämlich Getriebene eines Systems, bei dem der Profit über allem steht. Nicht selten wurde ihnen direkt oder indirekt ein „Maulkorb“ verpasst, der die öffentliche Äußerung eigener Meinungen strikt verbot. Meist war und ist es sogar gerade ihnen zu verdanken, dass nicht immer alles so heiß gegessen wurde wie man es ihnen vorgekocht hat. Sie waren - und sind - manchmal einfach gezwungen Dinge zu tun, von denen sie persönlich nur wenig überzeugt waren.
Verwerflich empfinde ich dagegen das der Kreatur gegenüber gebrachte, völlig gefühllose Verhalten so mancher „ökologisch“ orientierter, williger Erfüllungsgehilfen. Als Beispiel aus jüngster Zeit möchte ich eine Drückjagd auf Rot- und Gamswild im benachbarten Vorarlberg nennen, zu der sich Ende März (!) diesen Jahres trotz extremer Schneelage genügend Schützen eingefunden hatten. Ähnliche Fälle gab es leider auch in Bayern und in einem anderen Bundesland Österreichs.
Um nun aber auf die bayerische Seite der Adelegg mit ihrem seit langer Zeit sehr überschaubaren Gamswildbestand zu kommen: Der dort von den BayStF angestellte Berufsjäger hat vor nicht allzu langer Zeit aus Frust über diverse Vorgaben das Handtuch geworfen, wofür man ihm nur Respekt zollen kann. Er wurde jetzt durch einen jungen Quereinsteiger aus Berlin ersetzt. Man kann sich nun fragen warum niemand in Bayern für diesen Traumjob zu finden war.
Wenn ich heute durch „meine“ ehemaligen Reviere spaziere, in denen teilweise noch immer nach rein “ökologischen“ Gesichtspunkten gejagt wird, ist ein Unterschied zu Revieren in der Region, die einen höherem Wildbestand aufweisen, nur schwer auszumachen. Wenn überhaupt, oder wenn nicht sogar mit ganz anderem Ergebnis. Denn die im Schichtbetrieb laufenden Vollerntermaschinen haben nämlich vielerorts ganze Arbeit geleistet.
Wenn man all diese Dinge hautnah miterlebt hat versteht man auch warum Dr. Christl Miller immer wieder scharf angegriffen wird. Sie ist nämlich eine der Wenigen die nicht nur über sehr viel Detailwissen verfügt, sondern die auch den Mut hat, gewisse Dinge öffentlich beim Namen zu nennen. Das machen eben leider nicht Viele. Zu oft nämlich stehen der mutigen Auseinandersetzung ganz andere Interessen entgegen. Mancher der Dr. Miller nur schwerlich plausible Argumente entgegen setzten kann, versucht es eben mit Diffarmierung.
Die profitorientierte Forstwirtschaft jedenfalls wird weiter machen wie bisher. Vor allem da der Klimawandel auch in den Medien gerade so aktuell ist, hat sie der Öffentlichkeit gegenüber nun ein neues Argument für ihre Jagdstrategie an der Hand. Denn falls der Öffentlich doch einmal bewusst werden sollte was „ökologische“ Jagd wirklich bedeutet und wie sie oftmals ausgeführt wird (selbst ein Peter Wohlleben mag in seinen Büchern ja nicht schreiben, dass die Jäger viel mehr schießen sollen) ist das Argument Klimawandel ein Joker, dem nur schwer zu widersprechen sein wird. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.
Dennoch, liebe „Öko-Jäger“ hier: Vielleicht geht es Euch in vielen Jahren auch mal so wie mir und ihr seht dann auch so Einiges ein wenig anders als heute. Ich wünsche es Euch jedenfalls. Glaubt mir, man fühlt sich wirklich nicht schlechter dabei.