So... nun darf ich mich sogar hier mal eintragen, hätte ich ja nie gedacht.
Durch Corona kam ich per Zufall quasi zu einem Gast, der länger bei uns in der Region weilt, aber halt nur durch Corona, und danach auch wieder seines Weges zieht. Alles ein wenig kompliziert, da durch Unterbringung und Co. weder Auto noch Waffe vorhanden ist und wir uns halt immer so zusammenfinden müssen.
Im Laufe der Zeit, eigentlich recht schnell, stellte ich fest, dass der gesellige Teil der stärker ausgeprägte Jagdtrieb ist und ich auch bei der Waffenhandhabung nicht den sichersten Kandidaten gezogen habe... aber mein Blick als ehemaliger Panzergrenadier ist da auch deutlich schärfer und die Anforderungen höher wie beim Durchschnittsjäger.
Sagen wir so, dass Erwin, nennen wir ihn einfach mal so, nicht die hellste Kerze auf der Torte der tüchtigen Jäger ist, habe ich schnell gemerkt. Aber er ist von seiner Art her ein großes Kind, dem man auch mit kleinen Dingen eine Freude macht und seine Arbeit, die er coronabedingt macht, ist wichtig und hilft uns als Gesellschaft. So dass ich für mich beschlossen hatte, ihm hin und wieder einen Ansitz zu ermöglichen zum Ausgleich und zum Erfreuen der Seele.
So kam es, dass nun im Mai der 5te oder 6te Ansitz zustande kam, seit er hier ist. Gesamt gesehen nicht viele. Somit ist auch die Last durch die Organisation und Co nicht so groß bisher gewesen, wie man erkennen kann.
Also fahren wir raus zum Ansitz. Freigabe schwacher Jährling und Schmalrehe, Sauen falls sie erscheinen. Alles bitte mit Obacht, es ist nicht die Zeit für Schnellschüsse. Sein Sitz liegt in einem langen, aber schmalen Wiesental. Ein Schmalreh und Jährlinge hat es hier sicher. Kugelfang ist eigentlich immer gegeben, nur Empfang nicht. Die Anweisung, wo man Empfang bekommt, wird mit auf den Weg gegeben und dann eile ich zu meinem Ansitzplatz.
Bei mir ist relativ tote Hose, nur eine Gais zeigt sich. So chatte ich mit dem Sohn vom Mitpächter, als eine Kanonade losgeht. Richtung passt grob, aber momentan ist ja draußen viel los. Wir scherzen etwas, ob da ne Rotte oder die Roten kamen, und nachdem keine Nachricht kommt, bleibe ich entspannt.
Als es zum Abholen geht, kommt mir der Revierförster und Jagdnachbar entgegen mit zwei Begehern um einen 70-80kg Keiler zu versorgen. Kurzes Gespräch... ich werde unruhiger. Dem Begeher nach, war es bei mir aus dem Tal.
Schnelle Weiterfahrt, am Rauswerfpunkt steht schon das kleine Elend... alles klar, es kam aus dem Tal. Also dann mal los Erwin.
Kurzes Briefing. Links wäre ein passender Bock gewesen, aber zu weit, hätte er sich nicht getraut. Rechts dann ein Schmalreh, er hätte länger gezögert, aber dann kurz vorm Einziehen sich ein Herz gefasst und geschossen. Das Stück ist zusammengebrochen und wieder hoch und Retour gezogen über die Wiese zum Nachbarn. Dabei mehrfach wieder eingesackt vorne. Er hat nachgeschossen, aber es wäre nicht zum Liegen gekommen.
Gut - kurze Nachfrage, Anschuss? Ja- da sei er noch nicht gewesen, damit er nichts zertritt. Das sei ja ein großer Fehler, wie er mal gehört hat und ich hätte auch mehr Erfahrung mit der Dunkelheit. Ich breche innerlich zum ersten Mal zusammen... HALLO?!?!?! Es waren noch 40 Minuten gut Licht - und jetzt suchen wir einen Anschuss im Dunkeln mit der Taschenlampe...
Na gut, was muss, das muss.
Waffe, WBK und Vorsatz nehme ich neben Lampe mal an mich. Ich rechne mit nix gutem, kenne ich doch die Wirkung des Jaguars meiner 8x57 auf ein Reh. Es wird immer weiter vom Sitz und langsam kommt Verwunderung auf. Nach rechts ist vom Sitz noch nicht gut Schießen, das steht noch auf der Todo Liste. Meine Wohlfühlmarke haben wir schon gut überschritten für diese Verrenkung, als wir endlich auf den Anschuss treffen. Schlecht schätzen im Dunkeln, aber 120m sind es gut bei schlechter Auflage und blödem Winkel, was man ohne Verrenkung eigentlich nicht mehr meistern kann aus dem Sitz.
Und nun wird es kniffelig... ein kleines Bröckchen Wildbret, kann überall herkommen. Gut Schweiß, der schnell abnimmt. Kein Gutes Zeichen. Und dann etwas, was ich überhaupt nicht zuordnen kann. Weiß, knorpelig, aber gleichzeitig eine Röhre. Vllt Kugelschreiberdicke.
Ich gehe noch an den Waldrand und schwenke ab, aber das wird nix. Gelände ist schlecht dafür, rein und vertreten will ich nicht, also Abbruch. Raus aus dem Tal lasse ich den geknickten Schützen kurz am Auto warten und rufe den Nachbarn an. Kurz klären ob er mir helfen kann mit seinem Drahthaar oder ob ich den NSF kommen lassen muss. Er will helfen, am liebsten gleich, zumindest ein paar Meter. Am Besten Fall das verendete Stück finden oder es erlösen.
Gesagt getan, es geht wieder runter ins Tal und kurzes Warten, bis er kommt. Wir sind uns beide unsicher, was am Anschuss der Knorpel ist, wir haben keine Idee, die passt. Kurz ab in den Wald, den Schützen stehen lassen, der Drahthaar will, das merkt man.
Nach 100-150m im Wald kommt von vorn, ich hab es, da liegt es. Ich halt den Hund, schiess du. So mach ich es, nach ein bissl Gefuddel und abknien, um keinen Fichtenast vor mir zu erlegen, knallt es und das Stück sackt zusammen. Es kam absolut nicht mehr hoch, aber das Restrisiko des Abspringens wollten wir doch nicht eingehen, daher nicht die kalte Waffe.
Beim Rantreten an das Stück breche ich zum zweiten Mal innerlich zusammen... kein Schmalreh liegt vor mir, sondern ein schwacher Jährling, Gabel knapp unter Lauscher, aber nur so 10kg schwer. Wie kann man bei Licht das übersehen? Bei einem Stück, was man nicht übereilt beschießt sondern sogar erst beim Verlassen der Wiese? Und das jetzt, wo auch eine Gais hätte liegen können! Da muss man doch dreimal schauen?!?!
Ich zieh das Stück am Strick raus zum Unglücksschützen und erlebe meinen endgültigen Todesstoß. Sein Blick aufs Stück, dann kommt die final Ansage des Tages - "Also ich ab es ja als Schmalreh angesprochen, aber jetzt ist es ja ein Jährling... DANN hab ich ja alles richtig gemacht!" Ich kann nicht mehr, kapituliere, breche zusammen ob dieser Logik. Ehrlich, mir fehlen einfach die Worte!
Der Förster verlässt uns, glaub er ahnt, sieht meinen Zusammenbruch und will nicht Teil der weiteren Aufführung sein. Und das wird es dann auch. So wird trotz der zerschossenen Keule und dem eigentlichem Debakel des absoluten Fehlabschusses nicht reumütig der Schwanz eingezogen, sondern nach dem Erlegerfoto gefragt. Kurz überschlage ich meine Optionen, doch in Anbetracht aller Punkte beschließe ich, das Fass heute nicht zu öffnen und gehe zum Versorgen des Stückes über. Ein weiterer bewaffneter Ansitz wird nicht mehr stattfinden, das kann ich nicht verantworten - aber ich muss erst eine Nacht drüber schlafen.
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Ich kann verstehen, wenn jemand anders reagiert hätte. Und wäre der Gast nicht nur eine entfernte Bekanntschaft, sondern der gute Kumpel gewesen, dann wäre die Reaktion auch anders gewesen. So aber habe ich beschlossen, es sachlich zu beenden. Die Trophäe wird als Mahnung der Fehlansprache und Ansporn zum Üben auf dem Stand überreicht werden. Aber ich werde nicht unsachlich werden, dass ist nicht meine Art.
Das mag man mir alles vorwerfen. Nun steh ich hier, ich armer Tor... würde ich auch nicht Unvermögen sondern Bosheit, Absicht erkennen... alles würde anders laufen. Aber ich befürchte Erwin war stets bemüht...
Und zur Auflösung, was das Röhrenartige war. Nun ja... die Kugel hat auf ihrem Weg von einer Keule zur anderen uns den ersten Schritt des Aufbrechens abgenommen... Von dort stammte das kleine Stück knorpelartige Schlauch.