Wild, Jäger und Gefühle?

Registriert
2 Jul 2019
Beiträge
2.282
@pudlich
Trauer setzt eine enge Verbindung zu einem Wesen voraus (egal ob Mensch oder Tier). Deswegen hast Du in einen Punkt völlig recht, die Ricke trauert mit Sicherheit um das Kitz (da bin ich mir ziemlich sicher).
Ich trauere jedoch nicht um das Kitz, denn ich habe keine Verbindung zu ihm.
Wenn ich es erlege habe ich ganz gewiss eine emotionale Regung, irgendwo zwischen Freude, Wertschätzung und auch ein bisschen Wehmut, da ich weiß, dass ich der Ricke ihr Kitz genommen habe. Aber es ist meine Entscheidung und ich muss sie vor mir selbst verantworten und mit den Gefühlen klarkommen. Bisher kann ich das gut. Sollte ich aber irgendwann keine emotionale Regung mehr spüren, hänge ich die Büchse für immer an den Haken!

Wenn aber ein langjähriger Freund / ein Familienmitglied von uns geht (Mensch, Hund, ein anderes geliebtes Wesen), dann liegt das nicht in unserer Macht. Die Entscheidung wird mir genommen.
Machtlosigkeit in Verbindung mit Endgültigkeit ist Trauer in ihrer elementarsten Form.

WMH Sebastian

Das Ganze kann und ich nehme für mich in Anspruch, muss meine Entscheidungen beeinflussen.
Einfaches Beispiel: Ich kann zwei Kitze schießen und die Mütter leben lassen. Ich kann aber rein mathematisch betrachtet, stattdessen auch eine Ricke und ihr Kitz schießen.
 
Registriert
17 Feb 2008
Beiträge
3.787
Weit diskutiertes und hochemotionales Thema, bei dem sich die verschiedenen Meinunsgverfechter schnell und zuverlässig in die Haare kriegen. Die einen sind sich sicher, dass die Tiere ganz anders empfinden, die anderen glauben, dass es ahezu genausoviel Leid auslöst, wie wenn bei einem Menschen ein Familienmitglied stirbt. Und meiner Ansicht nach, haken mindestens die Hälfte der Jäger diesen Gedankengang immer schnell mit "die leben ja viel rauher....die sind das gewöhnt....die haben das schnell vergessen" ab, weil sie sich schlichtweg nicht mit derartigen Gedanken belasten wollen.
Wir wissen es nicht besser als vor Zehn Jahren und werden es in 10 Jahren auch nicht besser wissen und uns immernoch darum streiten (bzw. manche).

Deshalb meine Auffassung und dann klinke ich mich aus der entfachten Diskussion aus:

Ich weiß nicht, wie weit das Wild derartigen emotionalen Schmerz verspürt, der Mensch neigt nunmal dazu, alles zu personifizieren und zu vermenschlichen. Ich gehe aber davon aus, dass es, wie auch beim Menschen, vom Individuum abhängt, was und wie intensiv empfunden wird.
Unabhängig aller Meinungen und Ideologien, trete ich dem Wild so entgegen, wie es mich die Erfahrungen über dessen Verhalten lehren. Aber auch hier gilt eindeutig, dass jedes Individuum anders ist - auch und gerade der Jäger. Die Leute, die mit Rückenwind an der Äsungsfläche sitzen, weil der Platz halt so schön ist und dann sagen: "Dann kommt das Wild eben von Hinten", die machen sich wahrscheinlich auch weniger Gedanken über das Verhalten der Tiere und vor allem deren Beweggründe, genau so zu handeln, wie sie es tun. Ich konnte noch nie stumpf auf die Jagd gehen, weil "es halt schön ist". Natürlich finde ich es "schön". Aber ich möchte verstehen, was um mich herum passiert, warum das genau so passiert, warum es das nächste mal ganz anders passiert und für mich persönlich ganz wichtig: Was mit dem hochkomplexen Gebilde der Natur passiert, wenn ich anfange, darin einzugreifen. Und der Eingriff fängt mitnichten bei der Erlegung eines Tieres an. Wer das glaubt, sitz mit dem Rückenwind....ihr versteht. Ebenso lerne ich nicht viel, wenn ich nur auf Distanz jage und nach dem Schuss gemütlich meine Zigarette rauche, den Rucksack packe, das Stück an Ort und Stelle aufbreche und dann am nächsten Wochenende wiederkomme...
Genügend Leute schießen ein Stück, freuen sich, fahren nachhause, Ende. Wenn man z.B. ein Kalb schießt (es geht jetzt nicht um die Augustjagd, das ist auch im späten Winter noch der Fall und beim Schmaltier/-spießer im Folgesommer) und sich genug mit der Situation befasst, lernt man schnell, dass alles nicht so primitiv ist, wie es vielen erscheint. "Junge Alttiere kommen zurück, alte kennen das Spiel und sind über alle Berge". Solange ich mich nicht gar so dumm anstelle, dass mich das Alttier sieht oder ich erst 5 Sekunden nach dem Schuss repetiere o.ä., stimmt das nicht im Geringsten. Auch das uralte Alttier, das wohl schon zwei Hände voll Kälber verloren haben mag, kommt zurück.....
Da sind wir aber wieder bei dem Punkt, wie viel jemand das Wild beobachtet oder dies auch überhaupt möchte.
Wer Rotwild bejagt, aber nicht das mal laut genervt fordernde, mal das leise sehnsüchtig schmerzvoll klingende "Meh" kennt...wer Rehwild bejagt, aber nicht häufig fast unhörbare "Mjo" und dessen Reaktion bei den anderen Stücken kennt....wer über Eichelhäher als Nesträuber schimpft oder sie vor ebendiesen Leuten verteidigt und nicht kennt, welch undenkbare Geräusche sie loslassen, wenn sie sich liebevoll am Nest miteinander richtiggehend unterhalten....wer Füchse bejagt, aber nicht weiß, wie sie keckernd und liebevoll "quietschend" miteinander kommunizieren.....etc. pp......der sollte sich meines Erachtens mehr mit unseren Wildtieren befassen, bevor er sich ein Urteil über deren emotionales Gebaren bildet.

Und um pudlichs Frage zu beantworten: ich selbst freue mich tierisch über jedes erlegte Stück, aber mache mir bei jedem Stück Gedanken, was ich damit wohl ausgelöst habe....Häufig mit dem Schluss, dass jetzt eine Ricke tagelang ihr Kitz sucht... Ich schieße gerne Doubletten und Tripletten...man mag es unter Umständen nicht verstehen, aber tatsächlich auch zu großem Teil genau aus diesen Überlegungen heraus.
Letztes Jahr kamen mir z.B. zwei verwaiste, schon ganz plüschige Frischlinge mit ca. 7 kg. Die waren im Laubwald munter am rumtoben und brechen und Bucheckern futtern. Ich habe mich gegen einen Schuss entschieden, weil ich eine dreiviertel Stunde lang beobachten konnte, wie die zwei miteinander durch den Wald ziehen und ich einfach zu große Sorge hatte, nicht beide zu bekommen und dann kümmert einer alleine jämmerlich durch den Wald, wohingegen sie es so zwar nicht leicht haben, aber sich miteinander wohlzufühlen scheinen. Ein anderer hätte entschlossen geschossen und sich auf die Schulter geklopft, weil er was gutes getan hat, da sie ja verwaist waren. Welche Gedanken hier nun die Richtigen wären, kann niemand beantworten 🤷‍♂️

Es wird immer andere Ansichten geben. Bis auf die Extreme ist das auch gut so. Manche würden mich als gefühlsduselig bezeichnen, andere beschimpfen mich als Schießer, obwohl sie nur einen Bruchteil von dem mitbekommen, was ich tatsächlich aus dem Revier rausziehe...

Diskutiert hier doch nicht so viel....geht raus und beobachtet. Macht euch auch mal Gedanken, die sich vielleicht auch "unangenehm" anfühlen.
 
Registriert
3 Jan 2006
Beiträge
7.085
Haben Wildtiere Gefühle? Ja, bestimmt! Nur sind die sicher anders gelagert als die unsrigen, menschlichen.
Wenn ich etwas erlege, dann flammt kurz, sehr kurz der Gedanke auf: "Hat das jetzt sein müssen". Dieser Gedanke dauert kürzer als man die Worte lesen kann.
Es ist auch so, dass dort wo ich jage - im dichten Wald, nach dem Schuss die Bühne leer ist und ein Verhalten des verbliebenen Stückes nicht beobachtet werden kann.
Bis auf bis dato einmal. Geis mit Kitz bummeln gemächlich durch das lichte Altholz. Der Schnee glitzerte in der Morgensonne. Ich erlegte das Kitz. Es lag nach kurzer Flucht im Beerkraut. Die Geis sprang kurz ab und kam nach einer Weile zu dem Kitz. Sie umkreiste es, witterte hin, stupste es sogar an um es, wie mir schien, zum aufstehen zu bewegen.
Die Geis hab ich, obwohl ich das leicht gekonnt hätte, nicht geschossen (ganz gegen mein sonstiges jagen, das möglichst keine Zeugen hinterlassen soll.)
Das Verhalten der Geis hat mich berührt, sehr sogar. Ich hab gesehen, dass da Leid zu Grunde liegt. Darum hab ich mir auch lange noch Vorwürfe gemacht, das "Leid" nicht schnell beendet zu haben.
 
Registriert
23 Mai 2009
Beiträge
5.953
Mich hat die lebenslange Verbindung zu Hunden "verdorben". Ich habe deswegen gewisse Skrupel, Caniden zu schießen. Das wird natürlich durch Naturfilme verstärkt, die das Spiel von Fuchs- oder Wolfswelpen noch näher bringen als sonst.
Vor Jahren habe ich im Auftrag eines Präparators ein ganzes Geheck von noch blaugrauen Fuchswelpen ausgelöscht.
Nie wieder. Offenbar bin ich nicht charakterstark genug.
Und ein Freund der Familie, dem in Südafrika angeboten wurde, ein Zebra zu erlegen, antwortete empört:"Ich schieß doch nicht auf ein Pferd!"

Ich weiß also kaum, was Tiere empfinden.
Ich weiß aber was ich empfinde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Registriert
13 Sep 2016
Beiträge
3.293
Bei so einem kleinen Kitz mit 8 kg, da geht mir das schon nahe, wenn ich’s dann berge …aber auch die anderen erlegten Tiere werden mit dem entsprechenden Respekt behandelt.
 
Registriert
26 Jul 2015
Beiträge
3.001
Meine Jagd beschränkt sich im wesentlichen auf Reh- und Schwarzwild. Bei den Böcken habe ich eigentlich keine Skrupel. Kitze versuche ich nach Möglichkeit mit der Ricke zu erlegen, was auch fast immer funktioniert, dem Schalldämpfer sei Dank. Kitze allein, erlege ich nur als Hegeabschuss, weil es mir unangenehm ist, wenn die Mutter übrig bleibt und ich sehe, wie sie nach ihrem Kitz sucht und ruft. Da werde ich sentimental, sowas tut mir weh.

Beim Schwarzwild bin ich rigoros und erlege eigentlich alles von unten nach oben. Da sehe ich den Wiesenschaden im Vordergrund und eine eventuell verpasste Gelegenheit. Sauen leben im Verband und da glaube ich, wird die Bache nicht sonderlich trauern, wenn ihr ein Frischling abhanden gekommen ist, denn es bleibt genug Gesellschaft übrig.

Spielende Kitze oder auch Jungfüchse sind mir eine Freude beim zusehen. Das bringt mir sehr viel mehr, als die Erlegung. Da bleibt die Kugel im Lauf. Würde ich auf Wild schießen, nur weil es gerade erlaubt ist, würde sich mein alter Herr im Grabe umdrehen, denn der hat mich ganz bewusst vom Schießer zum Jäger umerzogen.

Grundsätzlich teile ich die Ansicht von Pudlich. Achtung hat jede Kreatur verdient.
Zecken sind hiervon ausdrücklich ausgenommen. HH
 
Zuletzt bearbeitet:
Registriert
2 Jul 2019
Beiträge
2.282
Beim SW liegst du falsch, die zählen regelrecht durch. Hab ich mehrfach beobachtet.
Ebenfalls mehrfach beobachtet habe ich, dass die Bache fehlende Frösche regelrecht suchen geht, nachdem der Rest im Kessel abgelegt wurde.

In einem Revier, in dem ich eine Zeitlang gejagt habe, gabs die Regel, dass nachts niemand durch die Botank fährt oder läuft, es wurde grundsätzlich durchgesessen. (Wenn es vertretbar war)
Das hatte zur Folge, dass ich obige Beobachtungen machen konnte.
Bei ÜL - Rotten habe ich das nie beobachtet.

Interessant war eine Beobachtung: Ich schoß einen Frischling aus einer Rotte, der Rest verschwand. Weil es ziemlich warm war, habe ich den Frischling schnell gelüftet und mich dann wieder auf den Sitz zurück gezogen.
Mehrere Stunden später tauchte eine einzelne offensichtlich suchende Bache auf, die vermutlich den Frischling suchte. Die zog mehrfach zu dem Keilerchen hin und zum Schluß arbeitete sie meine Fährte bis zur Leiter und verschwand dann.
Ein paar Wochen später stellte sich heraus, dass die Kirrungen, für die ich an den WE zuständig waren, rel. häufig nicht in den folgenden Nächten angenommen wurden. Kirrte unser BJ, war alles in Ordnung.
Ich bin mir sicher, dass die Bache meinen Geruch mit dem fehlenden Keilerchen verbunden hatte und mich ganz selektiv mied.
 

Westwood

Moderator
Registriert
4 Apr 2016
Beiträge
3.283
Ich nehme Jungfüchse raus.... Spaß macht es in keiner Weise und erbauend ist es schon gar nicht aber es ist schlicht Notwendig in meiner Ecke.
Hätte ich nicht so viel Füchse würde ich die kurzen aber groß werden lassen.
So halte ich es bei allem was ich bejage oder halte, wenn es Notwendig ist ein Leben zu nehmen wird es genommen, die Gründe hierzu können divers sein.

Ich bin der festen Überzeugung das Tiere auch eine Bindung untereinander haben, wenn daheim früher die Tiere Nachwuchs bekommen haben und dabei was auf der Strecke geblieben war merkte man das dem Muttertier auch deutlich an, bei Wild wird es nicht anders sein.
Oft habe ich Ricken gesehen die zum toten Kitz zurück kamen, wenn möglich erlege ich sie gerne dabei.
Auch das Schwarzwild sammelt sich und bemerkt wenn Individuen fehlen.
Am stärksten ist es mir einmal bei Waschbären aufgefallen, da hat die Truppe aktiv versucht die verlustig gegangenen Mitglieder wieder zu bergen.

In vielen Momenten komme ich recht kantig rüber, ich jage Grundsätzlich robust auf Raub- und Rehwild und pardoniere wenig, sollte ich allerdings jemals merken das mir die Kreatur dahinter egal wird oder ich allzu unbekümmert dabei werde hänge ich die Jagd an den Nagel.
Es ist mir ein Dorn wenn Abwertend über Tiere gesprochen wird, dabei ist es unerheblich ob es sich um Wild oder Haustiere dreht, wenn jemand Tiere wissentlich schlecht behandelt ist er bei mir unten durch... Egal ob es sich dabei um die Jagd dreht oder um die Haltung daheim.
Wenn ich eine Nachsuche verursache die nicht unmittelbar erledigt wird hab ich bis zum Abschluss der Sache schlechte Laune und werfe mir was vor.
Wenn mir daheim was eingeht ist es in der Regel ein schwarzer Tag.

Die Vermenschlichung von Tieren jeglicher Art welche inzwischen in der Gesellschaft Einzug hält ist mir allerdings nicht begreiflich.
Es gibt hier nach wie vor eine klare Trennung in meinen Augen und wenn ich z.b. etwas nutzen will ist der Tod eine logische Konsequenz mit der ich mich arrangiert habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Registriert
1 Jun 2017
Beiträge
5.085
In vielen Momenten komme ich recht kantig rüber, ich jage Grundsätzlich robust auf Raub- und Rehwild und pardoniere wenig, sollte ich allerdings jemals merken das mir die Kreatur dahinter egal wird oder ich allzu unbekümmert dabei werde hänge ich die Jagd an den Nagel.
Es ist mir ein Dorn wenn Abwertend über Tiere gesprochen wird, dabei ist es unerheblich ob es sich um Wild oder Haustiere dreht, wenn jemand Tiere wissentlich schlecht behandelt ist er bei mir unten durch... Egal ob es sich dabei um die Jagd dreht oder um die Haltung daheim.

Sehr guter Punkt und auch mein Denken das ich mir hoffentlich ein Jägerleben lang bewahren kann.
 
Registriert
26 Feb 2018
Beiträge
554
Ich kann Westwood nur zu stimmen. Ich jage im Frühsommer auch häufig auf die Jungfüchse habe aber auch schon bei Anblick der wackeligen Welpen den Finger gerade gelassen. Erfreute mich nur des Anblicks und war damit Glücklich. Ich muss sagen, das mein Nachdenken je Älter ich werde allerdings immer stärker wird. Innerlich Entschuldige ich mich bei den erlegten Stücken. Freu mich aber trotzdem über den jagdlichen Erfolg.
Sollte ich irgendwie was krank schießen, dann habe eine schlaflose Nacht. Wenn ich es dann nicht erlegen kann oder bei der Nachsuche keinen Erfolg habe, verfolgt mich das ziemlich lang. Ich habe auf meine 33 JJ noch keinen einzigen dieser Schüsse vergessen. Zum Glück sind es wenige. Und die letzten beiden konnte ich nach Wochen noch erfolgreich Abschließen.
 
Registriert
29 Jan 2017
Beiträge
2.686
Wirklich Leid tat mir im Sommer das Kitz was einfach 20/30m neben mir eines natürlichen Todes gestorben ist. erst schrie es dann war es tot die Ricke war immer am Stück und leckte das kleine tote ab. Selbst wie ich runter bin und einen Kumpel anrief blieb es auf 60 m stehen und schaute uns zu. Das fand ich persönlich sehr traurig , mich hat es nicht kalt gelassen. Aus meiner Sicht nach meinem Empfindungen ließ es die Ricke auch nicht kalt .

Empfinde ich bei der Jagd keine Gefühle mehr wenn ich Elend sehe werde ich den Hut an den Nagel hängen
 

Neueste Beiträge

Online-Statistiken

Zurzeit aktive Mitglieder
10
Zurzeit aktive Gäste
537
Besucher gesamt
547
Oben