Aktive Pirsch

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Um nach einer strapaziösen Frühpirsch unter röhrenden Hirschen diesem illustren Thread ein Zitat aus der Feder von Eugen Wyler mit auf den Weg zu geben:

“Jäger wird man nur zu Fuß. Es ist grundfalsch, dem jungen Jäger einen Hochsitz zuzuteilen. Auf Brettern und hinter Stangen lernt keiner jagen. Man nimmt ihm nur Hindernisse weg, er kann gleichsam vom Tribünenplatz aus warten und zuschauen. Er hat gar nichts zu tun als zu schießen. Das ist keine Jagd. Das ist Schießerei …

Auf dem Hochsitz hat unser Sohn keine Schwierigkeiten zu überwinden, er weiß nichts von Anstrengung und Härte, nichts von Gestrüpp und Dornen, von Wechsel und Einstand, nichts von Wind und Deckung und lautlosem Kriechen und Klettern, hinauf, hinunter, nichts von Keuchen und Schwitzen.

Er spürt nichts von zerschundenen Händen, von Schrammen und Kratzern. Auf dem Hochsitz kommt keiner ins Jägerhandwerk. Die feine Kunst bleibt ihm verschlossen. Auch das Inwendige entfaltet sich nicht. Das ist ja der große Schatten im heutigen Weidwerk, dass so viele von der Jägerprüfung oder von der Pachtsteigerung weg schleunigst den nächsten Hochsitz erklettern, ohne je eine grüne Rekrutenzeit bestanden zu haben. Jagen ohne Jäger zu sein – schauderhaft.”
 
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Eine ruhige Pirsch: Fein, es ist um 05h30 noch finstere Nacht, das Minidorf liegt im tiefen Schlaf - oder auch in sauer bei den entsprechenden, überdurchschnittlich vorhandenen Pikkolierern.
Also stiefele ich den bequemen Weg durchs Dorf hangauf zu meiner geplanten Pirsch. Gewehr rückenschonend im Rucksack und den DJT an gaaaanz kurzer Leine. Es gibt zu viele Versuchungen durch Katzen....
Nach dem Dorf steigt es nur mäßig auf einem zunehmend schmaler werdenden Pfad; nach eineinhalb Stunden habe ich meinen Pirschweg erreicht. Er folgt einem uralten, völlig zugewachsenem Hirtenpfad durch den naturbelassenen Tannenwald - und in den vergangenen Jahren war dort nur ein Jagdfreund zu fährten.

Nun wird es interessanter, ich hole lieber die kurze Bullpup aus dem Rucksack und trage sie schräg vor der Brust. Schließlich habe ich mein Ziel erreicht - eine dicke, tiefbeastete Kiefer, von der ich den 200x150 m offenen, mit Himbeeren bewachsenen , steilen Gegenhang einsehen kann.
Die Dämmerung beginnt, ich mache es mir gemütlich und harre der Dinge.
Ah, die erste Gams auf 150 m, dann folgen mehr, schließlich habe ich verstreut über den Hang neun Stück in Anblick.
Ups, da ist eine lohnende, alte, nicht führende Geiß mit hohen Kruken! Sie wird in gebührendem Abstand von vorigen Kitzen, jetzt 3 und vier Jahrealt, gefolgt.
Nächste Woche kommt ein Jagdfreund, das wäre was für ihn!

2022-09-22 alte geltgeiß gefolgt von den beiden jungen Gams  2  MP.JPG


2022-09-22 zwei junge Gams 2 MP.JPG

Eine Stunde lang freue ich mich am Anblick, dann ziehen die Gams weiter. Na gut, ein schöner Morgen - ab nach Hause und ins Bett. Der Morgenschlaf nach der Frühpirsch ist soooo schön!

Vorsichtig pirsche ich durch den Bestand, immer wieder kurz wartend, der DJT zeigt Wild an.
Schließlich komme ich zu einem Felsen, 50 m vor und über dem Wanderer-Pfad. Von hier aus hat man guten Einblick in den Gegenhang. Dort steht immer mal starkes Rehwild und Gams; einem Jagdfreund konnte ich hier eine 18 jährige Geiß ausmachen, die er mit Bravour unter weiter Umgehung durch Geröllfelder auch angehen und spätnachmittags strecken konnte.

Langsam glase ich den Hang ab, plötzlich fällt mir eine Bewegung auf, ich mache einen dunkelroten Wildkörper aus. Zu groß für Reh!

Nun wird es interessant, ich setze mich auf den Boden, lehne den Rücken gemütlich an eine Kiefer und glase intensiv: Donnerwetter, da äst um 10h45 ein starker Hirsch; langsam zieht er auf eine offene Stelle. Ein Gewirr von weit ausladenden Enden verschlägt mir den Atem.
2022-09-22 Berghang  blauer punkt Hirsch  2 MP.JPG

Schade, die Hirschlizenz habe ich im Rucksack, aber der Entfernungsmesser zeigt, daß der Hirsch deutlich über meiner maximalen Schußdistanz von 200+ Metern äst. Na gut, beobachten wir ihn, vielleicht kann ich abends näher dran ansitzen.
Die Minuten vergehen, der Hirsch prahlt mit den in der Sonne blitzenden Stangen nur so.
Ich baue versuchsweise den Hep Carbon Zielstock auf - mit der 150 cm Ausführung kann man im Bodensitz auflegen - und schaue durchs Glas - das 12 fach Leupold mit ganz feinem Absehen steht pickelfest auf dem Blatt.
Nun stellt sich der Hirsch brettlbreit bei Windstille im Sonnenlicht - da geht die Passion mit mir durch, Spannen, sorgfältig Zielen, handbreit unter der Rückenlinie Blatt-Oberteil, ganz leicht den Abzug angetippt....
Im Schuß springt der Hirsch nach vorn, es folgt satter Kugelschlag, der Hirsch dreht sich und flüchtet hangab, verschwindet hinter einer Kiefergruppe und kommt nicht mehr zum Vorschein - drumherum ist Geröll, er wäre gut sichtbar.

Langsam komme ich zur Ruhe, dafür ist der DJT umso unruhiger; er muß eine halbe Stunde warten; dann erst breche ich auf.
Die letzten 100 Meter aufwärts durch völlig verfilzten Steilhang mit dicken Felsen, Geröll, brusthohem Ginster sind happig. DJT an der Suchleine erleichtert es ganz und gar nicht.

Schließlich bin ich am Anschuß - oh je, kein Schweiß - gar nichts, aber der DJT zieht zielsicher nach unten, kämpfe mich mit ihm durch die dichte Vegetation unter tiefhängenden Kiefernästen durch, schließlich aufs Geröllfeld. Nirgends Schweiß - und hier hätte ich den Hirsch in Anblick haben müssen - also sind wir auf einer Gamsfährte.
Also zurück und höher hinauf, für mein Gefühl eigentlich zu hoch.

Schweißgebadet erreiche ich die oberste Lücke, der DJT zieht stramm in die Kiefern - da, wir stehen vor dem in Felsen gebetteten Hirsch. Donnerwetter, der prahlte nicht nur, das ist wirklich ein kapitaler reifer Berghirsch, knuffige Stangen, vierzehn Enden....
Schön, daß in Frankreich niemand beckmessert, ob er nun vom x.ten Kopf oder nicht sei....

2022-09-22 Hirsch-alter-Vierzehnender 2 MP.JPG


Voller Freude nehme ich Besitz und genieße den Anblick, lasse im Geist diese leichte Pirsch noch einmal ablaufen. Da war St. Hubertus mir wirklich gut gesonnen.
Allerdings muß er nun gegrinst haben, das Zerlegen ging ja nach, ABER der sehr schwierige Abstieg mit dem sauschweren Rucksack und das mehrfach - da war ich zwei Tage lang fertig.

Für die immer nach besten Kalibern und Geschossen zur Hirschjagd fragenden Jäger: .270Win, 110 grn Barnes TTSX, Treffer unteres Blatt, Durchschuß. Herz mittig getroffen, weit aufgerissen....
Und die Entfernung verrate ich auch nicht, sonst zerreißen mich hier wieder die Waidgerechten.........
2022-09-22 Hirschherz Einschuß Barnes TTSX 110 grn 2 MP.jpg



2022-09-22 Hirschherz Ausschuß Barnes TTSX 110 grn  2 MP.jpg
 
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7 Apr 2020
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Die Jagderlebnisse vom Doc gehören hier zum ganz großen Kino. Besonders gefallen mir hier die Passagen, in denen sich zeigt, dass auch bei absoluten Jagdexperten die Passion mit einem durchgehen bzw. die Unsicherheit nach dem Schuss aufkommen kann. Dickes Waidmannsheil!
 
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19 Jun 2005
Beiträge
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- handbreit unter der Rückenlinie
- 270Win, 110 grn Barnes TTSX
- Treffer unteres Blatt
- Und die Entfernung verrate ich auch nicht, sonst zerreißen mich hier wieder die Waidgerechten........
Ein ganz kräftiges Waidmannsheil!!! Herrlich!!! Und ja... besser nicht die Entfernung verraten 😉😅 Ich kann es nur nochmal schreiben: Mein Neid ist dir Gewiss!!!
 

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