Rehwild aus der Decke schlagen - warm oder nach dem Auskühlen?

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Gelöschtes Mitglied 15976

Guest
Ich fasse zusammen: Macht also jeder wie ein Dachdecker, wie's gerade in den Zeitplan/Kühlkammer passt.

Vielen Dank für euere Antworten.

Kommt drauf an wen man fragt, Fleischer oder Jäger, wobei letztere da eher nach gut dünken verfahren! Ein Fleischer würde kein Tier mit Decke oder im Federkleid irgendwo reifen lassen, hatte aber im Gegensatz zum Jäger früher schon bessere Kühlmöglichkeiten. Dieses in der Decke reifen lassen hängt u.a auch mit der früher schlechteren Möglichkeit das Fleisch vor Insekten und ähnlichem besser geschützt reifen lassen zu können zusammen und früher gab es kaum irgendwo eine Wildkammer o.ä. und das Wild hing im Schuppen, der Garage oder sonst wo, wo es halbwegs kühl war, da machte das auch noch Sinn! Heute nicht mehr nötig und eigentlich nur der Bequemlichkeit geschuldet, oder der Tatsache das evtl noch Wild in der Decke dazu kommt was dann wieder mit Gesetz und Hygienevorschriften kollidiert............
 
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Beide finden doch auch vollkommen unterschiedliche Bedingungen vor. Einer fängt morgends mit den Tagwerk an und der andere erlegt abends im Dämmerlicht.
Logisch gubts da Unterschiede.
Hygienischer wäre auch das Abschwarten vor dem Aufbrechen.
Dazu braucht es aber eben die Zeit und die Möglichkeiten.
 
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Gelöschtes Mitglied 15976

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............. und so tue jeder im Rahmen seiner Möglichkeit das beste!
Übrigens habe ich besonders beim Rehwild das meiste morgens und mittags erlegt und gleich küchenfertig reifenlassen.
 
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Der fromme Metzger

Guest
Warum hat mir niemand so richtig beantworten können.
Immer so schnell wie irgendmöglich. Begründung, außer dass es viel leichter geht, folgt gleich.

Möglichst bald grob zerlegt würde das Wildbret auch viel schneller auskühlen.
Stimmt, aber das soll es gar nicht. Begründung folgt gleich.

Die Decke ist eine natürliche Schutzschicht, besser als jede Verpackung, damit kann das Wild erstmal in der Kühlung reifen.
Die Decke mitsamt den ganzen Zecken, Fliegenlarven, Milben und was es sonst noch so alles gibt? Dazu noch die unzähligen Bakterien, die aus der Schwarte in das Muskelfleisch einwandern? Nein danke.

Nur eine Anmerkung. Das Fleisch sollte -entgegen einiger Intention hier im Faden- nicht zu schnell heruntergekühlt werden.
Alles braucht seine Zeit.
1+
Genau so.
Die Enzymtätigkeit, welche vereinfacht auch als Reifung bezeichnet wird, bzw. diese maßgeblich beeinflusst, wird durch nicht zu schnelles Abkühlen begünstigt. Ebenso wird sie durch Zerwirken im noch warmen Zustand (wegen der schnelleren Auskühlung und mehr Oxidation durch vergrößerte Oberfläche) beeinträchtigt.
Nebenbei: Enzymtätigkeit findet immer statt, auch bei -18° C in der Tiefkühltruhe, aber eben viiiel langsamer. Und gerade in den ersten Stunden ist sie für die Konsistenz und den Geschmack des Fleisches maßgeblich relevant.

Natürlich, mitten in der Nacht nach langem Ansitz bei Kälte hat niemand mehr Lust, trotzdem meine ich, dass man diese 15 Min. nach Möglichkeit noch investieren sollte. Die Reinigung der Kammer und Messer kann man ja ggf. nur grob durchführen und am nächsten Tag/Abend nochmals richtig nachputzen.

Und um mich selbst zu zitieren (man kann es nicht oft genug wiederholen):
https://forum.wildundhund.de/threads/wet-aging.118985/#post-3857327

(Punkt 3. kann man in nicht zu warmen und hygienisch ordentlichen Räumen auch problemlos auf 8-9 Stunden ausdehnen. Damit der Schlaf gesichert ist.)
 
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...
Und um mich selbst zu zitieren (man kann es nicht oft genug wiederholen):
https://forum.wildundhund.de/threads/wet-aging.118985/#post-3857327

(Punkt 3. kann man in nicht zu warmen und hygienisch ordentlichen Räumen auch problemlos auf 8-9 Stunden ausdehnen. Damit der Schlaf gesichert ist.)

Du schreibst in deinem zitierten Post von 'Abhängzeiten', die aus meiner Wahrnehmung bzw. dem von mir Gelernten wirklich lang erscheinen.

Beim Rehwild schreibst Du von 2 bis 3 Wochen und bei größerem Wild von entsprechend größeren Zeitspannen. Ist das als Laie bei konstanter Einhaltung einer Temperatur von 6º zu beherrschen oder begibt man sich damit in einen kritischen Grenzbereich, der den Profis vorbehalten sein sollte?

Ich habe Rehwild bis dato max 1 Woche abhängen lassen und war da schon der Auffassung ich sei an der Grenze des Vertretbaren.

Darf ich davon ausgehen, dass Du in dem Segment ein Profi bist und die genannten Zeiten auch einem Amateur so empfehlen würdest?

Btw, Reh- und Schwarzwild wandert bei mir so zeitnah wie eben möglich aus der Decke und das halte ich für den deutlich besseren Weg.


Grosso
 
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............. und so tue jeder im Rahmen seiner Möglichkeit das beste!
Übrigens habe ich besonders beim Rehwild das meiste morgens und mittags erlegt und gleich küchenfertig reifenlassen.
Mach ich auch so. Es wird vakuumiert und dann in den Kühlschrank gelegt. Das braucht man alles nicht im Wildkühler lassen. Da bleibt es vor dem Einrieren auch mindestens eine Woche.
 
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Der fromme Metzger

Guest
Du schreibst in deinem zitierten Post von 'Abhängzeiten', die aus meiner Wahrnehmung bzw. dem von mir Gelernten wirklich lang erscheinen.
Ja, das sind sie auch. Vor 30 Jahren waren diese Abhängezeiten in jeder familiengeführten ländlichen Metzgerei alltäglich, heute nennt man das "dry age" und Du zahlst Unsummen dafür.

Beim Rehwild schreibst Du von 2 bis 3 Wochen und bei größerem Wild von entsprechend größeren Zeitspannen. Ist das als Laie bei konstanter Einhaltung einer Temperatur von 6º zu beherrschen oder begibt man sich damit in einen kritischen Grenzbereich, der den Profis vorbehalten sein sollte?
Profis im Sinne von gesetzeskonforme Betriebe sind heute an EU-Richtlinien gebunden. Dort findet so etwas nicht mehr statt, es sei denn zertifizierter "dry age"-Betireb mit verschärften (und leider qualitätsverwässernden) Auflagen.
Offizell darf ich Dir deshalb meine genannten Zeitspannen nicht empfehlen (deswegen auch der Hinweis am Ende meines zitierten Posts). Darüber hinaus: Ja, das kann man auch als Laie beherrschen. Unter Wahrung der 6° C (betrifft hauptsächlich die Nicht-Austrocknung des Fleisches), ausreichend (wie beschrieben) Abstand zwischen den Wildkörpern, genügend Umluft und ggf. trockenwischen der Wildkörper.
Als Laie und je nach vorhandenem Kühlsystem und unterschiedlich verstehbaren Hygienemaßstäben würde ich mich an die von mir genannten Zeiten herantasten. Nur vorsichtshalber, funktionieren tun sie auf jeden Fall.

Ich habe Rehwild bis dato max 1 Woche abhängen lassen und war da schon der Auffassung ich sei an der Grenze des Vertretbaren.
Die Grenzen des Vetrtetbaren, oder sagen wir besser, des gesundheitlich und hygienisch Unbedenklichen liegen weit außerhalb dessen. Die von mir angegebenen 2-3 Wochen liegen da schon im sicheren Bereich.

Darf ich davon ausgehen, dass Du in dem Segment ein Profi bist ...
Ja. Solide Ausbildung und Gesellenjahre in süddeutschen Familienbetrieben, später naturwissenschaftliches Studium. Dazwischen über ein Jahr als leitender Schlachter und Fleischverarbeiter in Großküchen in europäischen Krisengebieten. (Das war noch eine ganz andere Hausnummer. Ohne jegliche Vorkommnisse.)

... und die genannten Zeiten auch einem Amateur so empfehlen würdest?
Ein Amateur wäre eine aus Stuttgart-Bernhausen nach Berlin-Charlottenburg gezogene Helikoptermutti, die noch nie im Leben ein Huhn gesehen hat und ihr Essen bisher nur von Mutti, Mensa und Kantine erhalten hat. Als Jäger bist Du kein solcher Amateur, also eine klare Empfehlung.

Btw, Reh- und Schwarzwild wandert bei mir so zeitnah wie eben möglich aus der Decke und das halte ich für den deutlich besseren Weg.
Right.
Im Vergleich zur Schlachttierhaltung sind Wildtiere ein wahrer Born an Parasiten, Bakterien und Viren. Man kann nicht früh genug mit der Hygiene beginnen (und trotzdem funktionieren die Jägergebräuche schon seit Jahrhunderten).

Summa summarum: Was ich gesagt habe, funktioniert auch beim Laien. Trotzdem: Jede Wildkammer ist ein Einzellfall, deshalb stückweise herantasten.

Zum Schluss noch ein wenig Rechtliches: Als Profi traue ich mir zu, das wie beschrieben gehandhabte Wildfleisch auch an den Endkunden zu verkaufen. Als Laie würde ich es (zumindest vorerst) nur im Familien-/Bekanntenkreis anbieten.
Mett (also rohes Hackfleisch) nur im familiären Kreis, obwohl ich hygienisch und gesundheitlich keine Bedenken hätte. Aber sicher ist sicher.
 
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Was hat es mit den von dir angegebenen 6° C auf sich? Kannst du erläutern warum bei 5 oder 7° C das Fleisch austrocknet und bei 6° C nicht?
Ich habe mal versuchsweise ein Reh bei 3° C 4 Tage hängen lassen. Danach war die Oberfläche ganz schön angetrocknet. Seither lasse ich es wieder in der Decke reifen.
 
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@Der fromme Metzger, (y)

ganz herzlichen Dank für eine klare und nachvollziehbare Handlungsempfehlung vom Fachmann zum diskutierten Thema. Das räumt für mich mit den letzten Unsicherheiten auf, die sich offensichtlich auf der Pseudo-Kompetenz und viel Meinung nicht tatsächlich fachkompetenter Gruppierungen begründen. Die ewige Kontroverse zwischen Reifung in der Decke bzw. aus der Decke geschlagen ist damit für mich (!) auch obsolet.


Grosso
 
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Schorse2210

Guest
Moin,

dem frommen Metzger kann ich nur zustimmen. Habe in meiner fast 25-jährigen Jägerlaufbahn auch so manchen Blödsinn gehört, aber ich hatte/habe das Glück das ich drei Fleischermeister in der Familie habe und auch eine recht gute Ausstattung zur Verfügung, was mir doch die ganze Sache leichter macht als den meisten Weidmannskollegen. Solange man die Wildkammer mit anderen teilen muss, würde ich das Wild auch in der Decke lassen, wenn ich aber meine eigene Kühlzelle zur Verfügung habe, dann geht der Pullover meist recht schnell in die Tonne, es sei denn ich bin zu faul oder zu müde.;)

WmH
Schorse
 
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Ich schlage immer gleich aus der Decke - dann ist das Saubermachen ein Aufwasch und wenn unsere 4 Kühlräume mit Fleisch und Waren aus dem Laden belegt sind, dann darf da eh' nix mit Decke rein......
Ich verstehe natürlich jeden der nachts eine Sau erlegt, einen kleinen Wildkühlschrank hat und morgens noch in die Arbeit muss...... da würde ich auch mit Schwarte abhängen - ich kann mich zum Glück mittlerweile nach dem Waidwerk hinlegen und eine Runde schlafen - abends geht es dann wieder los - war aber nicht immer so - musste auch mal arbeiten....

CD
 
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ich lass das Reh in der Decke abhängen und reifen. Nicht zuletzt um zu verhindern, dass das Fleisch zu sehr darunter leidet. An den Schnittstellen der Keulen (beim Aufbrechen des Schlosses) kann man m.E. nach sehr gut erkennen, was mit Fleisch passiert, welches an der Luft trocknet. Da ich dem Fleisch eine höhere Priorität beimesse als meiner Arbeitsleistung/-zeit, nehme ich es in Kauf, dass das aus der Decke schlagen etwas länger dauert.
 
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Ich mache es auch je nach „Lust“ mal so mal so.
Was mir nicht gefallen hat ist, dass sich beim abhängen ohne Decke, wie oben irgendwo erwähnt, so eine trockene Schicht bildet. Die ist dann aus den Silberhäutchen (oder Bindegewebe oder wie das heißen mag) und nur wenige Teile eines Millimeters dick. Darunter ist direkt das Muskelfleisch. Die dann zu entfernen, ist, für mich mangelns Kenntnis Bzw Ausbildung, im Prinzip unmöglich. Der Kunde ist aber „feuchtes“ Fleisch, wie aus der Theke, gewohnt und möchte das nicht. Das habe ich nach dem normalen aus-der-Decke-schlagen halt nicht. Gibts da einen Tipp vom Profi?

Was ich jetzt neulich auch mal probiert habe war direkt aus der Decke schlagen und direkt einvakuumieren und dann im Kühlschrank liegen lassen. Hat mir auch gut gefallen.
Bildet allerdings dann etwas „Fleischsaft“ im Beutel. (Vermutlich sind dafür Diese absolut wiederlichen „Wundauflagen“ in den Billigfleisch-Packungen vom Discounter... *würg*
 
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Der fromme Metzger

Guest
Was hat es mit den von dir angegebenen 6° C auf sich? Kannst du erläutern warum bei 5 oder 7° C das Fleisch austrocknet und bei 6° C nicht?
Antwort hier:
https://forum.wildundhund.de/threads/wet-aging.118985/page-2#post-3858408

Ich habe mal versuchsweise ein Reh bei 3° C 4 Tage hängen lassen. Danach war die Oberfläche ganz schön angetrocknet. Seither lasse ich es wieder in der Decke reifen.
Versuch es einmal mit den 6° C.
Dazu noch:
Nie einen aus der Decke geschlagenen noch warmen Wildkörper in die Kühlkammer hängen. Der trocknet an der Oberfläche sofort aus. Aus rein physikalischen Gründen. Deswegen vorher "draußen" ein paar Stunden abhängen lassen.
Ein erlegtes Stück, welches erst am Folgetag/-morgen aus der Decke geschlagen wird, ebenfalls eine Zeit (sagen wir ~2 h) ausherhalb des Kühlraumes abhängenlassen, bevor es wieder in die Kühlung zurückwandert (bitte nicht fragen, warum. Ich könnte es nicht vernünftig erklären.)
 

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