Gestern war ich wieder draußen am anderen Ende unseres Revieres. Zu allem Überfluss vergess ich mein Fernglas zuhause am Kleiderhaken.
Der abnehmende Mond erhellt die Szenerie, mangels Fernglas kann ich aber nur übers Zielfernrohr das Gelände abglasen. Dafür bin ich auf dem etwa 300m langem Zuweg zum Sitz fürs Wild bestimmt gut zu sehen...
Zu allem Überfluss macht sich der morgentliche Stuhlgang bemerkbar, Also mal kurz bei nem Busch abgebogen und selbigen ne Rückseite verpasst. Wie ich so da sitz, wird mir bewusst, dass ich vom erhöhten Nachbarrevier gut einsehbar bin. Wenn der Nachbar mit der WBK draußen hockt, hat der jetzt bestimmt nen ziemlich verstörenden Anblick...
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Auf dem Weg springt dann noch ein ungesehenes Reh ab, aber wenigstens hällt es die Klappe. Das Geplärr ner hysterischen Geiß hätt ich jetzt auch nimmer gebraucht!
In der Dämmerung seh ich Geiß mit einem Kitz auf den Einstand vor mir zu ziehen. Wie sie auf Schussweite da sind, geben die beiden Gas und verschwinden in der Hecke vor mir. Zwischen der Hecke und dem Einstand kommt ein letzter etwa schrotschussbreiter Wiesenstreifen, den die beiden noch queren müssen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erscheint die Geiß auf etwa 180m dicht gefolgt vom Kitz. Ich schick die 308 (130grain Barnes TTSX) auf die Reise. Das bereits grau werdende Kitz bricht zusammen, wird nochmal hoch und rutscht 10m zurück Richtung Hecke. Die noch rote Geiß springt ebenfalls zurück und verhofft aber leider im Sichtschatten eines Apfelbaumes. Im Stechschritt macht sie einen Halbkreis um das verendete Kitz und kommt mir etwa 20m näher. Sobald sie verhofft, findet auch die zweite Kugel Ihr Ziel und wirft die Geiß ins taufeuchte Gras der Wiese. Ich lad sofort durch und beobachte die beiden Stücke durch Zielfernrohr. In dem Moment springt ein weiteres fast graues Stück aus der Hecke, nochmals 20m näher, und verhofft mit erhobenem Vorderlauf und beäugt die Geiß. Ansprechen ist schwierig, ich seh quasi nur die Rückseite des Hauptes und die Lauscher, die ebenfalls auf die Geiß ausgerichtet sind. Ich selbst bin mir in der Situation absolut nicht sicher, was für ein Reh ich vor mir hab, denn ich hab bis dahin nur die Geiß mit EINEM Kitz etwa 150m über die freie Wiese anwechseln gesehen. Ich kann aber nicht ausschließen, dass ein zweites Kitz die ganze Zeit in der Hecke gesessen ist, oder dass es sogar eine andere Geiß mit eben zwei Kitzen war, die ich soeben erlegt habe. Viel Zeit bleibt nicht, bevor des Stück im Einstand verschwunden ist und so entschließe ich mich das "zweite Kitz" auch zu erlegen. Die 308 bannt auch das 3. Stück am Platz.
Etwas unsicher baume ich 20 Minuten später ab und begebe mich zu den Stücken. Als erstes steh ich vor dem zuletzt erlegten Stück: Zu meiner Verwunderung handelt es sich um einen mehrjährigen Bock mit vergleichseise guten Rosen, aber nur etwa lauscherhohen eher schwach vereckten Sechserstangen. Sicherlich vier jährig wenn nicht sogar noch älter und definitiv zu schwach für sein Alter (wenn nicht schon zurückgesetzt), die Waage zweigt später 13kg. Die Stangen waren wohl komplett von den Lauschern verdeckt und so nicht zu sehen. Alles in allem einer aus der Kathegorie Abschussbock, der kann weg, egal wie alt er ist. Glück braucht man gelegentlich auch...
Die Geiß ist für hiesige Verhältnisse normal (14kg) das Bockkitz ist dafür relativ stark (12kg).
Mittlerweile ist es halb acht und ich starte eine Pirschfahrt durchs Revier. Dabei komm ich an einer langen schmalen Wiese vorbei und im oberen Drittel stehen zwei Rehe. Den Wagen um die Nächste Waldecke rum und mit dem Pirschstock die beiden angegangen. Die beiden stehen auf etwa 170m in der Wiese und lassen mich sogar auf den etwas verdeckt stehenden Drückjagdbock. Das Zielfernrohr (Fernglas hängt immernoch zuhause) zeigt mir einen mittelalten gutvereckten Sechser, der mir im Mai schon mal auf 20m bis unter den Sitz gezogen ist. Das zweite Stück ist relativ sicher ein Schmmalreh und steht nochmal 20m weiter oben in der Wiese. Ich bin etwas unschlüssig, der Bock ist in jedem Fall Tabu und ich wollte eigentlich eher schwache Geißen samt ihrem Nachwuchs mitnehmen. Mittlerweise ist 8Uhr durch und irgendwann werfen beide Stücke auf. Zwischen uns erscheint ein weiteres Reh, eine relativ starke Geiß betritt gefolgt von einen Kitz die Bühne. Auch wenn das Schmalreh deutlich weiter entfernt ist - es wirkt im Vergleich zur Geiß winzig. Drum steht mein Plan oder besser die Reihenfolge fest: 1.Kitz, 2.Schmalreh und wenn möglich 3. die Geiß auch. Das Kitz steht auf 140m breit und die 308 lässt es unverzüglich ins Gras sinken. Die drei anderen Rehe machen allesamt einige Fluchten, aber das Schmalreh verhofft auf knapp 200Schritt am Rand der Wiese. Die 2. Murmel ist unterwegs und dank Schalldämpfer kann ich deutlich Kugelschlag hören und seh das Stück auch deutlich zeichnen. Nach einer hohen Flucht geht des Stück tief ab und beschreibt einen Halbkreis zurück in die Wiese um 30m weiter im mir gegenüberliegenden Wald zu verschwinden. In der Wiese seht für wenige Sekunden noch die Dampfwolke, die die Kugel beim Verlassen der Kammer erzeugt hat. Das Stück sollte zu finden sein. Die Geiß springt - soweit ich das mit dem linken Auge erkennen kann - ebenfalls in den mir gegenüberliegenden Wald ab.
Aus meiner Sicht ist es wichtig, möglichst immer die schwachen Kitze mit ihrer Mutter aus der Wildbahn zu entnehmen. Zum einen Bringen diese Geißen meist wieder nur schwache Kitze im Folgejahr, zum anderen nehmen sie diese Negativerfahrung mit, werden heimlich und geben dieses Verhalten auch an Ihren Nachwuchs weiter. Schlechtere Sichtigkeit, erschwerte Bejagung, höherer Verbiss weil längeres Verweilen im Einstand... ich wisst was ich meine...
Also auch hier der Versuch, die Geiß noch zu bekommen: Ich pack nach zwei Minuten des Verharrens den Blatter aus und lass den Kitzfiep ertönen. Kurz drauf prasselt eine Geiß an, aber aus der herüberen Seite des Waldes, also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine andere Geiß als die, die vor wenigen Minuten in den gegenüberliegenden Wald abgesprungen ist. Soweit ich das erkennen kann, schaut die hier auch anders aus, als die vorige (Figut, Gesicht, beginnender Haarwechsel...) Für nen Schuss hätt es gereicht, aber nach wenigen Sekunden schlägt die Heppel um und schreckt den ganzen Wald zusammen. Ich kann also beruhigt abbaumen - da kommt nix mehr. Ich fahr erst noch ne kleine Runde und dann gleich mit dem Wagen in die Wiese zum Kitz. Mit dem alten Hund kontrollier ich den Anschuss vom Schmalreh. Nach wenigen Metern Schweiß wie aus der Gießkanne und nach einem weiteren Bogen liegt das Stück wenige Meter hinter der Waldkante (Zwei Bögen, also wie ein "S", etwa 60m Fluchtstrecke). Im Gegensatz zum 150grain TTSX produziert nach meiner Erfahrung das leichtere Geschoss deutlich bessere Pirschzeichen und auch die Fluchtstrecken sind zumindest bei leichten Stücken (Rehwild und Frischlinge) durchschnittlich auch kürzere Fluchtstrecken bei Treffern hinterm Blatt. Also zurück zum Auto und den vier Monate alten Welpen geholt, der seine erste Totsuche machen darf, was er auch ohne große Probleme macht. Von dem halben Lungenflügel, der aus dem Ausschuss hängt ist nach wenigen Sekunden nix mehr da. Beim Aufbrechen gibts weitere Brocken für beide Hunde. Immer hin sollen die Hünd wissen, wofür sie nachsuchen sollen!
Das Schmalreh ist deutlich leichter wie das erste Bockkitz des Tages. Es war also die richtige Entscheidung, dieses Stück der Geiß vorzuziehen.
Jedenfalls haben wir nun unseren Rehwildabschuss zu 75% erfüllt. In Anbetracht der Umstände, dass adulte Stücke ab November/Dezember wegen irrwitzig hohem Dasselfliegenbefall zu 99% in die Tonne wandern, bin ich damit auch zufrieden. Bis Mitte Oktober sollten wir durch sein und dann hat das Wild auch wieder Ruhe vor uns. Da kann ich dann auch beruhigt auf Drückjagden gehen...
Wenn es nach mir ginge, würd ich gerne deutlich mehr Rehwild erlegen umd mit jungen starken und möglichst gesunden Stücken den Bestand neu aufzubauen. Aber wenn Du nur zahlender Gast bist...