Ich habe mir den Artikel jetzt auch durchgelesen. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich zwiegespalten. Ich bin – in anderem als den kritisiertem Segment Schalenwildjagd – selbst ein großer Befürworter einer strammen Jagd. Von Hause aus Niederwildjäger jage ich intensiv Raubwild, freue mich über die damit zu erzielenden Effekte sowohl beim Niederwild, aber auch bei nichtjagbaren Arten (z.B. Stichwort Kibitz, Feldlerche, Wachtel, Wachtelkönig und als nur noch halbjagdliche Art dem Rebhuhn). Ich kann diese Art der intensiven Jagd gut vertreten, sie macht mir Freude, ich rotte keine Art aus und trage wesentlich zu Artenvielfalt und Artenschutz bei. Beim Kaninchen war ich sogar noch näher dran. Eine sehr hohe Kaninchenpopulation drohte bei mir im Revier über ein Jahrzehnt lang immense Schäden zu verursachen. Ich habe in wirklich sehr intensiver Jagd die Population im Frühjahr auf ein erträgliches Maß zurückgefahren. Insofern ist mir intensive Jagd nicht fremd.
Allerdings scheint mir der derzeitige Umgang mit dem Schalenwild in der Tat fragwürdig zu sein. Natürlich kann sich niemand vorstellen, dass sich derzeit etwas daran ändert und man eher Richtung anderes Extrem zurückfällt. So sicher wäre ich mir jedoch nicht. Der Öffentlichkeit ist Reinertragslehre suspekt. Das hat der Forst vor wenigen Jahrzehnten erst selbst erfahren müssen. Als großer Züchter von Fichtenmonokulturen und Pensionshirschen, dazu noch als höchste jagdliche Instanz habe ich die rheinland-pfälzischen Landesförster als Kind noch kennengelernt. Wenn man ehrlich ist, ist davon nichts mehr übrig geblieben. Ähnliches auch bei meiner Gilde, den Niederwildjägern. Auch denen hat die Reinertragslehre mit Phosphorei und Horsteausschießen bis in die 70er des letzten Jahrhunderts nicht gut getan. Heute diskutiert man dann über Schonzeiten für Füchse bis in den August. Den Landwirten – als Brüdern im Geiste – ergeht es mit Pestizid, Insektizid, Ackerrandstreifen, Heckenrodung und Gülle derzeit ähnlich.
Ich halte es durchaus für möglich, dass das den Schalenwildmanagern auch so widerfahren wird. Solange forstliche Gründe wenigstens für eine stramme Bejagung sprechen, von mir aus. In Privatrevieren ist eine rein wirtschaftliche Betrachtung ja durchaus auch einfach nachzuvollziehen. In Revieren der öffentlichen Hand wird es schon schwieriger. Hier wird es insbesondere schwierig, wenn die Bejagung mehr den Sinn der Provokation jagdlich anders denkender Dritter verfolgt. Auch wird es schwierig, wenn sich die Bewirtschaftung öffentlicher Wälder keinen Rückhalt mehr bei der Bevölkerung genießt. Gibt es nicht? Unmöglich? Wer weiß. Papperlapapp haben sich viele Forstamtsleiter sicher gedacht als sie Horst Stern an Weihnachten geguckt haben.
Das Zauberwort heißt Augenmaß. Geht dies verloren, geht es hin zu nicht mehr erklärbaren Naturverjüngungsexzessen, geht es hin zum Beenden von Wildpopulationen, ob nun durch Vergrämung durch ständigen Jagddruck oder Abschuss, geht es hin zu Provokationen und dem darin Baden wer am rabiatesten Rehe erlegt, dann ist der Grundstein dafür gelegt, dass irgendwann ein Riegel vorgeschoben wird. Und mal ehrlich, für vieles gibt es derzeit keine wildbiologische, forstliche oder jagdliche Begründung. Das beginnt bei der Schonzeit des Fuchses oder auch der Waschbären in Hessen und das hört bei Schusszeiten des Schalenwildes von April bis Ende Januar in BB und MVP auf. Die Frage was das eigentlich mit Wild und Wildschäden macht wenn diese Schusszeiten wie im Landesforst von vorne bis hinten ausgenutzt werden, die wird schwer zu beantworten sein. Wird sie aber beantwortet und die Antwort publik sind die Schonzeiten kurz darauf wieder länger. Der Artikel in der SZ könnte durchaus ein Anfang davon sein.