Geschichten mit dem Ansitzsack #5 Das Wolfsmanagement

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Guten Tag zusammen!


Ich habe im Januar 2021 meinen Jagdschein gemacht. Da ich- von Einzelabschüssen im letzten Jahr abgesehen – im aktuellen Jagdjahr noch keinen Jagderfolg hatte und mich entsprechend nur eingeschränkt mit meinen Jagdkünsten im Forum beteiligen kann, habe ich mich ersatzweise aufs Fabulieren verlegt und werde hier einfach den größten Unsinn posten, der mir zum Thema Jagd einfällt.


Das werde ich so lange tun, bis ich endlich erfolgreich bin oder sich zusätzlich jemand im Bereich Berlin und Havelland erbarmt und mich jagdlich aufnimmt.


Dabei achte ich natürlich darauf, dass hier jeder mal sein Fett wegbekommt:


Vom superschlauen Jungjäger bis hin zum Erfinder der Jagd wird jeder mal bedacht, wobei ich mich selbst auch nicht schone.


Die Geschichten sind natürlich alle wahr. Daraus resultierende eventuelle Ähnlichkeiten mit Diskussionen aus dem Forum sind rein zufällig. Das versichere ich beim Grab meines Rennpferdes!


Also fühlt Euch nicht auf den Schlips getreten, falls ich mal die eine oder andere Saite bei Euch zum Klingen bringe. Ich zahle auch kein Schmerzensgeld- wer weiterliest ist selber schuld.


In diesem Sinne: Viel Spaß bei der Lektüre!


Euer Ansitzsack
 
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Als Jungjäger im eigenen Pirschbezirk ohne Anblick und Beute ist das Leben nicht leicht.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als zur Förderung meines Jagderfolges mit einem Wolfsmanagement zu beginnen.
Als Prädikatsabsolvent meines dreiwöchigen Jagdkurses war mir natürlich sofort klar, dass bei jeder Drückjagd die Wölfe durch das Treiben liefen und sich von den Schussgeräuschen anlocken ließen.
Weil ich zudem feststellen musste, dass neben dem mangelnden Erfolg die Jagd auch ziemlich teuer war, hatte ich auch schon eine pfiffige Lösung für meine Probleme parat: Ich ließ die Kinder im örtlichen Batik-Kurs bunte Plakate malen, die ich dann mit einem Angebot für einen Wolfsspaziergang in heimischen Gefilden beschriftete und anschließend in den angesagtesten Berliner Innenstadt-Szenebezirken in die Briefkästen der fünften Stockwerke verteilen ließ. Für nur 500,- Euro pro Person konnte sich somit jeder zu einem hautnahen Erlebnis mit dem idealsten aller Tiere anmelden. Natürlich konnte ich guten Gewissens versichern, dass die Einnahmen im Rahmen meines Wolfsmanagements verwendet würden- schließlich diente die Veranstaltung allein dazu, Finanzmittel für meine Passion zu generieren. Nachdem ich Hundert Anmeldungen für das erste
Wochenende zusammen hatte, bestellte ich die Lastenradkarawane am Samstagmorgen in meinen Pirschbezirk.
 
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Hierbei konnte ich auch schon mit den ersten Wundern der Natur punkten, da den Meisten nicht klar gewesen war, dass zwischen Berlin-Mitte und dem Wald eine so weite Strecke liegen konnte und man sich trotzdem noch in Deutschland befand. Die Begeisterung war natürlich groß, konnte man doch zuhause erzählen, man habe die weißen Flecken der Terra Inkognita als Mitglied einer Expedition entdeckt, die selbst ein Dr. Livingstone nach den ersten Metern auf der asphaltierten Landstraße aufgegeben hätte. Außerdem wäre nach vierstündiger Anfahrt und mit hochroten Köpfen abschließend bewiesen, dass man auch auf dem Lande nicht notwendigerweise auf das Auto angewiesen sei. Aber auch die ersten Nörgler waren dabei, die sich über den fehlenden Kiosk an der nicht vorhandenen Liegewiese und über die vielen Insekten im Wald beschwerten.
Um den aufkommenden Unmut zu beschwichtigen, stellte ich sogleich die Teilnehmer:innen außen um meinen Pirschbezirk herum. Um Punkt 9:00 Uhr sollten Sie dann singend und klatschend durch den Wald in die von mir angegebene Richtung laufen, um so den Wolf anzulocken.
Gesagt, getan. Die Drückjagdteilnehmenden (wobei hier das Partizip Präsens tatsächlich einmal grammatikalisch richtig verwendet werden konnte) schlugen ergriffen ihre Gesänge an und tanzten durch den Wald auf mich zu. Und endlich hatte auch ich Anblick! Von meinem Drückjagdbock konnte ich feuern, bis die Rohre meines geliebten Drillings heiß liefen und dabei ordentlich Strecke machen.
 
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Da ich- wenn auch mit dieser Methode jagdlich erfolgreich- damit rechnen musste, dass einige der immerhin zahlenden Gäste Unmut zeigen würden sofern ihnen kein Wolf begegnen sollte, hatte ich als seriöser Veranstalter natürlich vorgesorgt und mir von meinen Nachbarn seine ungarische Puli- Fähe Fluffi ausgeliehen, die geduldig unter einer Fichte auf ihren Auftritt wartete. Nachdem es der größte Teil meiner Kundschaft bis zu mir geschafft hatte, ohne im Wald verloren zu gehen, rief ich Fluffi unauffällig mit meiner Hundepfeife heran.

In dem Moment, in dem ich aufschrie „Da kommt der Wolf!“ vergaßen die meisten Teilnehmer:innen ihre Überzeugung, dass der Wolf vollkommen ungefährlich sowie scheu sei und keine Gefahr für den Menschen darstelle. Zudem wurden alle feministischen Grundsätze über den Haufen geworfen, als die anwesenden Damen versuchten, hinter den anwesenden Männern – oder meinetwegen hinter den anwesenden Trägern eines XY-Chromosoms- Schutz zu suchen, die ihrerseits dasselbe bei den Damen im Sinn hatten.
Dies gipfelte darin, dass sich von einem Augenblick zum anderen die gesamte Gruppe in einer Linie hinter mir befand und jede meiner Bewegungen wie mit einem Lineal gezogen gleich einer gut trainierten irischen Stepptanzgruppe mitmachte.

Aber im Sinne meiner Kundschaft war ich natürlich darauf vorbereitet, diese vor der –im überkommenen patriarchalischen Narrativ der Grimm ́schen Märchen- bösen Kreatur zu schützen.
Also ließ ich Fluffi vor mir Sitz machen und führte die Zähmungszeremonie aus dem Fernsehen durch, mit der auch Crocodile Dundee in Australien erfolgreich einen Büffel zu Boden gebracht hatte.
Nachdem die Gefahr durch den Wolf nunmehr für mein Publikum vordergründig gebannt schien, entbrannte zunächst eine hitzige Diskussion, ob die Dreadlocks des hier liegenden Wolfes womöglich eine kulturelle Aneignung darstellten. Aber nach einiger Zeit einigte man sich darauf, dass es sich schließlich nicht um einen ursprünglichen vorkommenden, sondern einen eingewanderten Wolf handele und war fortan begeistert von der Begegnung von Mensch und Kreatur.
 
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Das nächste Problem stellte sich allerdings bald, als die Teilnehmenden bemerkten, dass der Wolf nicht nur durch Schüsse angelockt wurde, sondern auch noch etliche tote Bambis und Schweinchen Babes in der Nähe auf der Strecke lagen. Den hier ebenfalls aufkeimenden Unmut konnte ich mit dem Hinweis beruhigen, dass es sich lediglich um soziale Unterstützung zur Ernährung des Wolfes handele, die selbstverständlich zu 100% fair biologisch hergestellt, abbaubar sowie bleifrei erlegt worden sei und für den Wolf in einer EU-konformen Kühlkammer zerlegt werde.
Nachdem mir die Zusage abgerungen wurde, den Versuch zu einer veganen Ernährungsumstellung beim Wolf zu versuchen, schaute ich auch hier nur noch in glückliche Gesichter.
In diesem Zusammenhang konnte ich auch einen eifrigen Politologie- und Soziologiestudenten im 42. Semester dafür gewinnen, jeden Friday für die zukünftige Future in meinem Pirschbezirk zu erscheinen und Mais auf einer sogenannten Wolfsumerziehungsfläche in der Nähe einer Suhle zu verteilen.
Dies traf sich insofern gut, da der angehende Akademiker sowieso jede Vorlesung vor dem
Wochenende schwänzte und sich auf diese Weise an der Transformation des Wolfes zu einem Pflanzenfresser beteiligen konnte, was seiner (durch mich bestärkten) Überzeugung nach durch die besonders stärkehaltige Maisnahrung erleichtert werden sollte. Weiter konnte ich ihn mit der Zusage begeistern, dass ich mich fortan darum kümmern würde, jegliches jagdbare Schadwild zu entnehmen, das dem Entzug des Wolfes vom Fleischverzehr im Wege stehen könne.
Überglücklich und von dem Gedanken beseelt, auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen zu haben (Verhinderung der Jagd durch die Ansiedlung des Wolfes und gleichzeitige Ernährungsumstellung zu Gunsten der Schalentiere) war ich durch diesen Freiwilligen von der Arbeit an der Kirrung erlöst.
 
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Natürlich nahm ich mit der mir eigenen Sensibilität im weiteren Verlauf die Gespräche der Miteinandersprechenden wahr, in denen nicht wenige darüber sinnierten, wie hip ein Wolf in der mit Parkett ausgelegten Ein-Zimmer-Altbauwohnung im fünften Stock in Friedrichshain-Kreuzberg als Haustier wäre, zumal man so durch die bewiesene Ungefährlichkeit die Akzeptanz der Tiere in Deutschland weiter fördern könne.
Gedanklich schrieb ich ein Memo an mich, mal wieder auf dem Autobahnparkplatz bei Slubice vorbeizuschauen und einige Puli-Welpen für den nächsten Kurs
mitzubringen. Hier hatte ich auch schon, wie in einem vorangegangenen Erlebnis berichtet, die Zwergzüchtung meines Hannoverschen Schweißhundes erworben, der mir und anderen viel Freude machte.

Nachdem dieser Tag zur allgemeinen Zufriedenheit verlaufen ist, kann ich mich gar nicht mehr vor Anfragen zur Wolfsbeobachtung retten. Vermutlich werde ich die Waldspaziergänge meiner Kundschaft auf die benachbarten Reviere ausdehnen müssen.

Zunächst muss ich aber mal schauen, was für komische Gestalten vor meinem Haus herumtrommeln und mit einem Bild von Fluffi in den Händen den Biologen von nebenan mit Farbbeuteln bewerfen und als intoleranten Querdenker beschimpfen...

In diesem Sinne Waidmannsheil und bis zum nächsten Mal,

euer Ansitzsack!
 
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