Ende Juli war es bei mir auch so weit.
Prüfung letzten Dezember bestanden, Bürokratie gemeistert um die Erbwaffen aus Ö rüberzubringen, Jagdschein gelöst und währenddessen immer mal wieder mit einem Freund der Familie mit raus ins Revier vor der Haustüre zum helfen.
Mit 1 Mai dann wie verhext, er krank, ich krank, er keine Zeit, ich beruflich unterwegs, dauerte es schliesslich bis Anfang Juli, bis ich das erste Mal mit der Büchse ansass.
"Und wenn dir ein Bock kommt, dann nimmst ihn mit."
"Jeden??"
"A freili."
Gut, damit war das geklärt, Pächter ist kein Mann der grossen Worte.
Schöner Sitz im Wald, vor mir eine Freifläche, ca 40m breit, 200m lang - ich trau mir einen Schuss auf 200m zwar zu, hoffe aber, dass mein erstes Stück vielleicht doch nicht gleich auf dieser Distanz austritt...
Mehrere Male sitze ich an, jedesmal kann ich unterschiedliche Geissen beim Äsen und am Leckstein beobachten, teilweise >30m.
Fuchs kommt keiner, Bock sowieso nicht.
Dann aber, an einem Mittwoch, spontan wieder der Anruf - "Hast heut Zeit?"
Passt, aufgebaumt, Pächter sitzt wieder paar 100m weiter, warten.
Nix kommt heut, das Licht wird bereits schlechter, immer noch nichts, nicht mal ein Vogel zeigt sich heute.
Da hör ichs hinter mir knacken.
Mein Magen zieht sich zusammen, dieses unbeschreibliche Gefühl von "jetzt passiert was" stellt sich ein, ich bin hoch konzentriert.
Vorsichtig drehe ich mich auf dem knarrenden Sitz um, so leise als möglich.
Da steht er, 180° hinter mir, natürlich, ein Bock, durchs Geäst verdeckt aber klar erkennbar.
Jetzt gilts.
Ich versuche, mich mit der Büchse auf 4 Uhr zu drehen, dort ist ein Schussfenster, wenn ich Glück habe zieht er dort hin.
Nicht so einfach mit 58cm Lauf +15cm Schalldämpfer, aber er nimmt mich nicht wahr - oder ignoriert mich, der Freizeitdruck hier im Revier ist sehr hoch, das Wild ist Besucher gewöhnt.
Gemächlich, mit einer Seelenruhe, zieht der Bock genau in die richtige Richtung.
Die Vergrösserung ist schon längst auf 3x runter gedreht, die Waffe auf den Ellenbogen gestützt, bei der Distanz kein Problem.
Spannen.
Der Bock verhofft, steht breit, ich bin ruhig und weiss, jetzt passts.
Die .270er fliegt, mit dem linken Auge seh ich, wie der Bock zeichnet, wie aus dem Lehrbuch geht er vorne hoch.
Um dann hochflüchtig abzuspringen.
Gott sei Dank schlägt er aber nach wenigen Metern einen Haken, nur um dann nach maximal 30m im hohen Gras zusammenzubrechen.
Jetzt schiesst mir das Adrenalin ein, mein Herz rast, ich fange an zu zittern.
Irgendwie schaff ichs, ein verwackeltes Foto zu Schiessen.
Im Bild das das Schussfenster, Anschuss links vom mittleren Baum, der Bock ging nach links weg, auf dem kleinen Hügel links änderte er die Richtung um mittig ganz hinten zusammenzubrechen.
Irgendwie schaff ichs, meinen Pächter anzurufen, der sich auf den Weg macht.
Nach ein paar Minuten - mir fällt auf, ich hab nicht mal repetiert, baume ich ab und geh zum Bock, der tatsächlich dort liegt wo ich ihn zusammenbrechen sah.
Man entschuldige bitte das wirklich nicht sehr ansprechende Foto, er hätte eigentlich besseres verdient.
Aber ich war alleine, es wurde schnell dunkel und ich war so nervös, dass ich froh bin, wenigstens daran gedacht zu haben ihn auf die richtige Seite zu legen und einen letzten Bissen zukommen zu lassen.
Der Rest war dann schon wieder weniger aufregend, ins Auto verladen, am Hof unter Anleitung aufgebrochen und aufgehängt.
Treffersitz - bei der Distanz keine Leistung - wie gewünscht Ein- und Ausschuss Hinterblatt. Mittig durchs Herz, davon ist nichts(!) mehr übrig. Wahnsinn, dass er trotzdem noch 30m ging.
Wir schätzen ihn auf 2-3 Jahre, optisch + Organe eigentlich kerngesund, auf dem Foto wirkt er auch recht stattlich, brachte aber aufgebrochen tatsächlich grade mal 13kg auf die Waage? Viel Wildbret wirds also nicht.
Heim, erstmal eine Flasche Wein geöffnet.
Am nächsten Tag mit Hilfe aus der Decke geschlagen und zerwirkt.
So, viel Text. Tut aber gut, das mal niederzuschreiben. Pächter ist Landwirt, für den ist das eher Job und mit >50 JJ für ihn vor allem nichts besonderes. Freundeskreis allesamt Nicht-Jäger, Frau kanns schon nicht mehr hören
da bleiben nicht viel Möglichkeiten um das zu verarbeiten.
Danke fürs zuhören!
Geschossen mit .270Win RWS Hit 130gr, aus Blaser R8 mit Dämpfer.