Jagd in den ungarischen Donauauen

A

anonym

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Jagen in den ungarischen Donauauen – Kommerz oder Klassiker?

Alles wegen … Schwarzwild. Keine Wildart hat wohl in den letzten Jahren derart polarisiert und für teilweise völlig konträre Diskussion bei Landwirten und Jägern gesorgt, wie das Schwarzwild. Die Bestände steigen in heimischen Revieren beständig an, und in Gebieten, wo noch vor 10 Jahren der Zufallsabschuss eines Stücks Schwarzwild als Sensation in der Presse stand, ist es heute vielerorts Standwild geworden.

Riesige Maisschläge, milde Winter und zugegebermaßen auch ein gewisser Grad an Unerfahrenheit bei der Bejagung der „neuen“ ungeliebten Wildart, taten ihr Übriges zur Bestandsexplosion hinzu. Die Folgen sind außerhalb der Kerngebiete – wer kennt sie nicht – Maisjagden, Winter-Drückjagden und nächtelanger Ansitz mit mäßigem Erfolg.

Jagdmessen erwecken den Eindruck, dass ohne immer neuere Technik, ohne spezielle Schwarzwildwaffen, -Munition und ohne optimierte Bekleidung kein Erfolg möglich ist. Egal, wie man zu all dem steht, Schwarzwild wird wohl „die“ Wildart sein, die uns in naher und ferner Zukunft zwangsläufig beschäftigen wird.

Für mich konnte die Saujagd wie sie bei uns durchgeführt wird, der nächtelange Ansitz auf graue Schatten und immer noch dilettantisch organisierte Maisjagden mit über 50% Flintenanteil, nicht alles in Sachen „Schwarzwild“ gewesen sein. Kurzum, ich wollte „mehr“. Wollte sehen, wie Jagd in einem hervorragenden Revier organisiert wird. Sauen am Tage ansprechen, gezielt und selektiv bejagen. Das sollte es sein. Aber auch eine Abwechslung zum nächtlichen Ansitz und dem hohen Abschussdruck anderen Schalenwildes, was mich zugegebenermaßen und trotz Passion etwas ausgebrannt hat.

Deshalb habe ich einen Weg gewählt, der meine Wissenslücken bei der Ansprache schließen und trotzdem spannende Jagd ermöglichen sollte: Individuell zusammengestellte Tagesjagd auf Schwarz- und Rotwild in Ungarn.

Schon tauchten neue Fragen auf: Findet man noch einen Teil des Ungarns vor, das man aus Jagdklassikern kennt oder bieten die dortigen Top-Reviere nur Kommerz, Gatterjagd und Massentötung, wie man es aus einschlägigen Filmen kennt? Sind dort die Bestände zu lebenden „laufenden Keilern“ verkommen, die Wochenende für Wochenende von einer anderen Gruppe bejagt werden oder wird waidgerecht gejagt?

Über Sonja, eine mir seit Jahren persönlich bekannte ungarische Vermittlerin, kam ich in eines der bekanntesten Reviere Ungarns, gelegen in den seit Jahrhunderten berühmten Donau-Auen. Berühmt deshalb, weil hier in regelmäßiger Unregelmäßigkeit Rekordhirsche erlegt werden und die jagdliche Geschichte des riesigen Gebietes bis zum Ende des 17. Jahrhunderts nachvollziehbar ist. Die vormals wilde Donau wurde im 18. Jahrhundert gezähmt, der Deichbau schuf sichere Felder für die Landwirtschaft und kleine Ortschaften. Zwischen den Deichen verblieben gigantische Überschwemmungsgebiete mit Mast tragenden Bäumen, Wildwiesen und undurchdringbar erscheinendem Schilf. Deckung und Nahrung also für mit das Beste an Rot- und Schwarzwild, was Ungarn zu bieten hat. Zudem wird das Wild in den Überschwemmungsgebieten zwischen Mai und Oktober durch Millionen von Stechmücken vor neugierigen menschlichen Besuchern geschützt. Das Spitzenrevier schlechthin war geboren.

Doch ist es das heute noch? Werden nicht gerade ehemalige „Ostblock-Länder“ mit Schüssen vom Auto, ausgesetztem Wild und stupider Ansitzjagd an riesigen Maishaufen in Verbindung gebracht? Als ich telefonisch meine Bedenken gegenüber Sonja äußerte, meinte sie: „Sicher gibt es schwarze Schafe, wie überall auf der Welt. Wir kennen uns nun schon so lange, deshalb habe ich etwas Besonderes organisiert. Ein Kennenlern-Angebot.“ Das machte mich dann doch neugierig. Nur vier Tage später und noch knapp vor Weihnachten 2015 saß ich im Auto Richtung Süden. Es sollte eine Kombijagd aus Kutschenfahrt, Fußpirsch und Ansitz werden. Klassisch also, wie vor hunderten von Jahren.

Über die Wahl der Waffe brauchte ich mir keine Gedanken machen. Meine Heym SR 21 premium in 8x57 IS schießt bei jeder Temperatur und auch nach rauem Gebrauch erstklassig. Das große Leica-Magnus-Zielfernrohr auf Pica-Schiene ist für Pirsch und Ansitz gleichermaßen geeignet, und seine zigfach getestete verlässliche Absehenverstellung gibt zudem Sicherheit bei weiten Schüssen. Nur bei der Wahl des Geschosses ging ich neue Wege: Das erste Mal verreiste ich mit dem SAX KJG-SR.

Von der österreichischen Grenze kommend durchfährt man auf bestens ausgebauten Autobahnen erstklassige Niederwildreviere

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die sogenannten Hirschkomitate, sieht ebenes mit Hecken und Gräben durchzogenes Ackerland, bis man im Südosten des Landes zur Donau kommt. Nicht direkt. Vor einem türmt sich aus dem flachen Nichts der geackerten Ebene der Auwald auf. Nach der letzten Ortschaft vor der Donau taucht man förmlich in den Urwald der Donauauen ein.

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Die 50.000 ha Jagdgebiet sind in 16 Reviere aufgeteilt, jedes Jagdrevier wird von einem Oberjäger betreut. In einem davon soll meine Bleibe für die nächste Woche sein. Mein Navi steuert mich zielsicher über die Forststraße. Mittlerweile dunkel geworden fahre ich auf einem Weg aus Betonplatten langsam dem winzigen Licht am Ende des Tunnels aus Schilf und Hecken entgegen.

Das Jagdhaus liegt mitten im Wald. Einige Arbeiter sitzen rings um ein kleines Feuer und braten auf Holzspieße aufgesteckte Würste. Anscheinend werde ich schon erwartet, denn die herbeigerufene Köchin zeigt mir, wo meine Zimmer sind. Trotzdem, dass ich kein Wort Ungarisch spreche und sie kein Wort Deutsch, wird mir schnell klar gemacht, dass das Essen vorbereitet ist. Welch ein herzlicher Empfang! Nach dem Abendessen kommt Oberjäger Zoltan und bespricht den Ablauf der kommenden Tage:

Abfahrt um 07:00 Uhr, Pirsch bei Anblick und zu aussichtsreichen Äsungsflächen. Detailliert geht er darauf ein, wie man optimal mit der Kutsche jagt, doch dazu später mehr. Mittagessen gegen 11:00 Uhr und ab 14:00 Uhr die zweite Ausfahrt mit Pirsch und Ansitz. Gegen 17:30 Uhr wird man wieder zum Abendessen zurück sein. Das klingt ja alles vielversprechend. Vor allem aber hat man bei diesem Programm nicht den sonst oft lästigen Leerlauf zwischen Morgen- und Abendjagd.

Während wir uns noch über die Geschichte des Reviers unterhalten, die Qualität der Hirsche hier im Grenzgebiet zu Kroatien mit dem Nationalpark Kopacki rit, wird es draußen laut. Eine kleine aber feine englische Jagdgruppe kommt von der Riegeljagd zurück. Nach dem Legen der Strecke und dem Anzünden von großen Holzfeuern ist es absolut still. Man hört nur das Knistern des Feuers.

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Dann wird die Strecke verblasen. Auf jeder Seite der gemischten Rot- und Schwarzwildstrecke eine andere Gruppe: Jäger, Treiber, Jagdhornbläser und eine handvoll Zuschauer. Ich habe trotz einiger Jagden im In- und Ausland nie etwas jagdlich Stilvolleres gesehen. Die Gäste tragen ihr übriges dazu bei. Eine Runde Scotch im Jagdhaus auf das erlegte Wild und der ergreifend ausgesprochene Dank an die Revierleitung, lässt Gedanken an längst vergessen geglaubte Tage, über die ich in Büchern von Studinka und Szechenyi las, aufkommen. Der nächste Tag kann kommen.

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Auf den Ausfahrten sehen wir sehr viel Wild. Junge Hirsche, Trophäenträger mit 3-9 kg Geweihgewicht, Kahlwildrudel, einzelne Stücke und auch Schwarzwild steht im Eichen- und Buchen-Stangenholz. Großflächig Anpflanzungen von Laubholz sollen der AG ein zweites wichtiges Standbein sichern, und die Frucht der Bäume dem Wild Nahrung. Doch die Pirsch auf dem mit dürrem Laub übersätem Boden ist schwierig und fordert volle Aufmerksamkeit bei jedem Schritt.

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So haben wir auch zahlreiche Fehl-Pirschgänge. Die Fahrt mit der Kutsche ist spannend, denn hinter jeder Ecke tut sich Neues auf. Einmal, es war ein Bild, das man kaum in Worte fassen kann, einen gewaltigen Rothirsch im allerletzten Büchsenlicht auf einer riesigen Schilfinsel. Im Fernglas kann man seinen Atem in der kalten dunkelblauen Nacht aufsteigen sehen, über ihm der Dezember-Halbmond. Der erfahrene Berufsjäger meint „12 kg plus. Sicher.“

Sauen sehen wir auf der Fußpirsch und vor allem beim Ansitz. Aufgrund der rasanten Zunahme der Goldschakale gibt es in diesem Jahr fast keine Frischlinge und Kitze. Auch etliche Ausfälle an Kälbern sind zu verzeichnen. Auch das Hochwasser des Jahres 2013 hat stark an den Beständen des Schwarzwildes gezehrt. Wir unterhalten uns leise auf fast jeder Ausfahrt und so taucht man immer mehr in die faszinierende Welt des „schwarzen Waldes“, wie das Gebiet hier auch genannt wird, ein. Ich spreche an und der Berufsjäger korrigiert oder bestätigt. Meist erklärt er noch die Altersmerkmale.

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Beim Rotwild fällt mir das Ansprechen schwer. Auch mein Berufsjäger übt sich in einer schnellen und korrekten Ansprache von Alter und Geweihgewicht. Es ist keinesfalls so, dass alle Hirsche bekannt sind oder die Jäger wissen, wo wann welches Wild steht. Die Suche nach Wild ist auch hier schwierig. Die Deckung ist hervorragend, und der Urwald lässt ein Stück nach wenigen Metern verschwinden. Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich die Jagd.

Bei Wildanblick hält die Kutsche kurz, Jäger und Berufsjäger steigen ab, der Kutscher fährt weiter. Nach kurzer Zeit, wenn sich das Wild beruhigt hat, beginnt die Pirsch. Geschossen wird über ein Zweibein, was keine Schwierigkeit bereitet.

Angesessen wird an Kirrungen oder großen Äsungsflächen. Das gezielte Ansprechen, ein Tier aus einer Rotte oder einem Rudel von über 20 Stück selektieren oder ein einzelnes Stück auf raschelndem Laubboden anpirschen, ist Jagd, die mich vollends begeistert. So sehr, dass sie mich von Tag zu Tag mein ansonsten latent vorhandenes Afrika-Fieber vergessen lässt. Diese Form des Waidwerks auf heimisches Wild bei Tageslicht, faire selektive Jagd, uns bekanntes Brauchtum sowie gemeinsames Bergen und Versorgen, lassen nicht eine Sekunde ein „Gast-Gefühl“ aufkommen. Man jagt hier wie bei Freunden, die man schon lange Jahre kennt.

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Der komplette Tagesablauf ist auf „Jagd“ programmiert. Insgesamt konnte ich mehrere Stück Kahlwild, Kälber und Schwarzwild erlegen. Alles Wild lag am oder im Umkreis von maximal 30 Meter vom Anschuss. Die Schussentfernungen betrugen bis zu 120 Meter und trotz Schüssen auf das Blatt hatte jedes erlegte Stück Ausschuss.

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Man neigt als Auslandsjäger oft zum Vergleich, lässt sich blenden durch Billigangebote. Gerade für Drück- oder Pirschjagden gibt es zahlreiche Pauschalangebote. Mittlerweile kenne ich viele Jäger, die auch von Wiederholungsjagden als „Schneider“ nach Hause gekommen sind und dann doch bei einem seriösen Vermittler eine Jagd in bekannten Revieren gebucht haben. Der Geizige zahlt auch bei der Jagd doppelt!

Auf meiner Jagd wurde mir bewusst, welch phantastisches Jagdland mit einer herausragenden Jagdtradition und hervorragenden Wildbeständen Ungarn doch ist. Und – dass eine qualitativ hochwertige Jagd keinesfalls teuer sein muss. Ein Land, das bei richtiger Planung in bezug auf Erlebniswert keinerlei Vergleich mit anderen Destinationen zu scheuen braucht. Hinzu kommen eine kostengünstige und sichere Anreise und vor allem die Möglichkeit, sich ohne Angst eines Überfalls frei bewegen zu können. Es ist ein völlig anderes, deutlich besseres Gefühl, sicher in einem Jagdhaus mitten im Wald schlafen zu können, als auf einer nachts mit Stacheldraht und Starkstrom gesicherten Farm. Für mich ein Stück Lebensqualität.

So vergehen meine Jagdtage wie im Flug. Als der Revierleiter zum Abschied mit einem Viszontlàtàsra (auf Wiedersehen) fest meine Hand drückt, weiß ich, dass dies sicher schon in diesem Herbst sein wird.

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Text und Bild sind mein geistiges Eigentum. Ich gestatte keine Kopie, auch nicht auszugsweise und auch kein Verwenden von Fotos. Sollte ich irgend etwas von meinem Eigentum auf anderen Seiten online oder print finden, erstatte ich Anzeige verbunden mit einer hohen Schadenersatzforderung. Leider muß ich darauf hinweisen, da ich mit einem Hersteller von Geschossen diesbezüglich sehr schlechte Erfahrung gemacht habe.
 
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27 Nov 2015
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698
@Bora
Danke, ein schöner Bericht. Ich dachte, dass Ungarn nur noch aus "Sauentöteveranstaltungen" besteht, aber dieser Bericht ist Klasse und zeigt eine Jagd, genau wie von Dir beschrieben, wie aus vergangenen Zeiten.
Waidmannsdank HuJ
 
M

marder14

Guest
Ich war nur einmal in Ungarn zur "Jagd" und habe mir eigentlich vorgenommen, daraus genug gelernt zu haben. Aber der Bericht von Bora klingt interessant! Das Erlebnis im Vordergrund und nicht die Trophäe!
 
A

anonym

Guest
sehr schöner Bericht :thumbup:, welcher die aktuelle Situation in Ungarn sehr gut darstellt.

Tradionelle und ehrliche Jagd auf europäisches Hochwild. Man sollte allerdings, wie Du auch anmerkst, die Wahl des Reviers sorgfältig überlegen. Nach zig Reisen nach Ungarn habe ich festgestellt, dass eine solche Jagd wie beschrieben eigentlich bis auf ein paar ganz wenige Ausnahmen ausschliesslich in staatlichen Revieren oder sehr gut geführten Privatrevieren möglich ist.Die meisten Jagdgenosschenschaften halten leider nicht das , was versprochen wird.
Billigjagden taugen dort nichts ( bis auf ganz wenige Ausnahmen). You get what you pay....

Es war mal wieder schön einen Bericht hier zu lesen über Ungarn :thumbup:
 
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2 Aug 2011
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Weidmannsheil!

Bin a bissl enttäuscht von dir!
Bist bei uns in da Nähe vorbeigefahren und hast dich ned gemeldet!! ;)
 
G

Gelöschtes Mitglied 15851

Guest
Einer der schönsten Berichte, die ich hier bisher gelesen habe.
Sehr faszinierend.
Danke!
 
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2.469
Danke für den Bericht.
Leider höre ich aus den mir bekannten Fasanenrevieren
nur noch schlechtes.....
Hatte mich aber schon vorher nach Konopiste abgemeldet.
" du bekommst, was du bezahlst..."
P.:thumbup:
 
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Toller Bericht!

Besonders die Pirschfahrten mit der Kutsche kann ich mir sehr interessant vorstellen.

TH
 
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Super Bericht, danke :thumbup:
Erinnert mich an die Fasanenjagden, die unser örtlicher Tierarzt dort organisiert hat.
Er war dort Mitglied in einem Jagdverein und hat uns mitgenommen.
Pro Tag etwa 8-10 Fasane pro Schütze, alle mit langen Stoß und gute Flieger, herrlich!

Bausaujäger
 
A

anonym

Guest
@ loma60:
Ja, das ist so. Hat aber bei mir auch seinen Grund ;-)
 
A

anonym

Guest
Also wenn Du Ungarisch fließend sprichst, dann ziehe ich meinen Hut!:cheers: Für mich unerlernbar ;-)
 

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