Was ist unsere wahre jagdliche Tradition, welche Bräuche sind echt ?

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Guten Abend !

Da ja hinlänglich bekannt ist, dass Frevert in seinem Machwerk ein wenig die Fantasie durchgegangen ist, stelle ich mir die Frage, was an unserem Brauchtum ist eigentlich echt und was die Fantasie eines von Göring beauftragten Autors ?
Welche Bräuche sind überholt und welche erhaltenswert ?

Persönlich halte ich Brauchtum für wichtig und für einen Teil unserer Identität, sei es bei der Jagd, oder in anderen Bereichen des Lebens.

Aber:

"Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Schüren der Flamme !"

Ein weiser Satz, der es hervorragend auf den Punkt bringt. Tradition sollte nicht in eine Art zwanghaften Kadavergehorsams münden, sondern sollte historisch nachvollziehbar sein, eine wirkliche Bedeutung haben, Freude machen und etwas sein, mit dem wir uns tatsächlich identifizieren können. Obwohl ich ein eher konservativer Mensch bin, bin ich der Überzeugung, dass es auch Traditionen gibt, die es nicht mehr wert sind gepflegt zu werden (auch wenn ich das natürlich niemandem vorschreiben möchte !!), mit denen sich kaum noch jemand identifizieren kann, die lediglich noch existieren, weil das eben schon immer so war. Tradition aber ist auch dem steten Wandel unterworfen und nur auf diese Weise wird sie lebendig bleiben.

Einen sehr guten Faden diesbezüglich, mit vielen verschiedenen Meinungen gab es übrigens vor längerer Zeit einmal zum Thema letzter Bissen, ja, oder nein...
 
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Guten Abend !

Da ja hinlänglich bekannt ist, dass Frevert in seinem Machwerk ein wenig die Fantasie durchgegangen ist, stelle ich mir die Frage, was an unserem Brauchtum ist eigentlich echt und was die Fantasie eines von Göring beauftragten Autors ?
Welche Bräuche sind überholt und welche erhaltenswert ?
...
Die erste Frage kannst du dir nur selbst beantworten. Bei der zweiten fällt mir spontan ein: überholt ist das Tragen von leuchtorangefarbenen Fototapetenanoraks in Gehölzanmutung. Erhaltenswert sind die Bräuche, welche der vom Reichsjägermeister beauftragte Autor Frevert in seinen von Generationen von Waidmännern gelesenen Schriften hinterlassen hat.
 
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Die erste Frage kannst du dir nur selbst beantworten. Bei der zweiten fällt mir spontan ein: überholt ist das Tragen von leuchtorangefarbenen Fototapetenanoraks in Gehölzanmutung. Erhaltenswert sind die Bräuche, welche der vom Reichsjägermeister beauftragte Autor Frevert in seinen von Generationen von Waidmännern gelesenen Schriften hinterlassen hat.

Darf ich höflichst um eine Begründung bitten, um besser das oben Genannte nachvollziehen zu können ?

Dieser (ironische ?) Beitrag verspricht eine kontroverse Diskussion, was ja auch - sofern die Sachlichkeit gewahrt wird - Ziel dieses Fadens ist.

Danke :-D


Fakt ist zumindest für mich, dass aus oben genannten Gründen das frevert'sche Werk nicht in Stein gemeißelt ist.
 
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Moin!

Oh, das wird ja philosophisch ... ;-)

Ich kann das nicht direkt beantworten, deshalb werfe ich nur zwei Aspekte in die Runde:

Tradition hat IMHO nur dann einen Wert, wenn damit eine Emotion verbunden ist, sonst ist es eine leere Geste und die ist bestenfalls - nach außen hin - komisches Theater, wie z. B. Brüche und "letzte Bissen". (Das wirft dann auch die Frage nach dem Umkehrschluss auf: was ist die Emotion ohne die Geste?)

"Tradition" ist auch das Nachwirken der Vergangenheit in die Gegenwart. Vieles, was mal Sinn machte (real oder eingebildet), findet sich da heute wieder. Beispiel: Die Jägersprache entstand als Abgrenzung der Berufsjäger gegen die sonstige Landbevölkerung, a.k.a. Wilderer, sie ist damit Herrschaftsinstrument und "absolutistisch vorbelastet". Will man "sowas" pflegen, sich also nach Außen abgrenzen? Oder benutzt man sie, weil man sich damit als Gruppe untereinander "bindet" und betont so gruppeninterne Miteinander? Und wie entwickelt sich das weiter? Baut man wie im Isländischen neue Fachbegriffe künstlich ein, die z. B. aus dem Bereich Wildkamera kommen könnten? Oder lässt man das sein und verwendet da die Alltagssprache?

Schwierig, schwierig, ...

Viele Grüße

Joe
 
A

anonym

Guest
Ich erlaube mir die bescheidene, vorsorgliche Bitte, beim Thema zu bleiben und nicht in Richtung der Diskussion "Frevert und sein Handeln in der NS-Zeit" abzuschweifen, der erste Satz des Startpostings ist diesbezüglich eine kleine, sicherlich unbewusste und nicht beabsichtigte Steilvorlage ;-).

Dieses Abschweifen gab es in der Vergangenheit schon mehrfach und leider gingen, so hat meine interessierte Forumsrecherche zum Thema Frevert ergeben, Threads, in denen über Frevert diskutiert wurde, regelmäßig den Weg des Schlösschens oder der Löschung. Und das wollen wir alle nicht.

Und deshalb diskutieren wir besser gerne über Frevert und auch über sein Werk "Jagdliches Brauchtum" und insbesondere gerne über jagdliche Traditionen (weil das ist das Thema!), aber nicht über das Frevertsche Handeln in der NS-Zeit, auch wenn mir bewusst ist, dass dies schwierig von seinem Werk zu differenzieren ist, gerade inwieweit sein Werk durch Göring und Co. beeinflusst wurde.

Dankeschön

******
 
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Moin!


Tradition hat IMHO nur dann einen Wert, wenn damit eine Emotion verbunden ist, sonst ist es eine leere Geste und die ist bestenfalls - nach außen hin - komisches Theater.

Joe
Sehe ich auch so,allerdings ist mir die Aussenwirkung in dem Fall egal. Ich bin zuerst über die Faszination an der jagdlichen Sprache und den unzeitgemäßen Habitus einiger "Lodenjockel" (Ehrentitel) zum Waidwerk gekommen. Glücklicherweise gibt es noch solche Traditionskompagnien, auch wenn sie in der heutigen Zeit im schwinden begriffen sind. Ich habe den Eindruck, die Mehrheit der deutschen Jäger sind Fortschrittler aber das ist in Ordnung, solange ich mein Refugium der traditionellen Jagd a la Frevert habe, wo keiner die Kopfbedeckung lüftet, wenn Wild verblasen wird, wo keine schiesswütigen ****en mit Vollerntern durch die Kante rennen, wo man auch noch über Kimme und Korn Schüsse anträgt, wo Horn und Geläut eben noch nicht verklungen sind.
 
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Beispiel: Die Jägersprache entstand als Abgrenzung der Berufsjäger gegen die sonstige Landbevölkerung, a.k.a. Wilderer, sie ist damit Herrschaftsinstrument und "absolutistisch vorbelastet". Will man "sowas" pflegen, sich also nach Außen abgrenzen?

Das mag Deine Philosophie sein;-),
die Jägersprache entstand schon im 9. Jahrhundert und diente vorwiegend einer zweckorientierten Verständigung.
Sie fängt heute noch jagdlich wichtige Feinheiten ein, die man mit der normalen Sprache weniger gut darstellen kann und dient heute noch einer präzisen Verständigung unter Jägern. Natürlich hat sich die Jägersprache im Laufe der Zeit verändert, weil sich Jagd- und Wildarten auch verändert haben. Die heutige Jägersprache orientiert sich auch an einer moderneren Jagdpraxis. Also ist sie sehr wohl pflegenswert.
 
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Sehe ich auch so,solange ich mein Refugium der traditionellen Jagd habe, wo keiner die Kopfbedeckung lüftet, wenn Wild verblasen wird, wo keine schiesswütigen ****en mit Vollerntern durch die Kante rennen, wo man auch noch über Kimme und Korn Schüsse anträgt, wo Horn und Geläut eben noch nicht verklungen sind.

:thumbup::-D
ja, das Lüften der Kopfbedeckung das ist nur noch zum laut Lachen.
Schwabbte nach der Wiedervereinigung zu uns herüber.
Heute steht die Trauertruppe v.d. gestreckten Wild, mit hängenden Gliedern und Tränen in den Lichtern.

Ordentliche, anständige Tradition kennt heute niemand mehr.
Allein schon die base ball Kappen - zum Heulen.
Wer trägt noch Fürst Pless ? Oder Baschlik-Mütze.............
Armes Waidwerk

Bye R-M
 
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Moin!

Oh, das wird ja philosophisch ... ;-)

Ich kann das nicht direkt beantworten, deshalb werfe ich nur zwei Aspekte in die Runde:

Tradition hat IMHO nur dann einen Wert, wenn damit eine Emotion verbunden ist, sonst ist es eine leere Geste und die ist bestenfalls - nach außen hin - komisches Theater, wie z. B. Brüche und "letzte Bissen". (Das wirft dann auch die Frage nach dem Umkehrschluss auf: was ist die Emotion ohne die Geste?)

Traditionen und Bräuche leiten sich ja zumeist aus der damaligen Praxis ab, das nach aussen hin zu vermittel entzaubert die Sache größtenteils. So waren Brüche seinerzeit ein wichtiges Kommuniukationsmittel der Jäger untereinander, der letzte Bissen sollte, soweit mir bekannt, Ungeziefer daran hindern in den Wildkörper zu gelangen. Jagden wurde mit dem Horn geleitet, das ebenfalls ein wichtiges Mittel der Kommunikation war. Auch die Jägersprache hat einen rein praktischen Ursprung. Aus all dem ist das Brauchtum entstanden, das bisweilen und insbesondere im dritten Reich, pevertiert wurde, das ändert aber nichts am Ursprung. Wenn man es so nach aussen trägt, wird es auch besser verstanden und mlöglicherweise besser akzeptiert. Durch die tausend Jahre zwischen 39 und 45 mussten alle Interessengemeinschaften durch, die Jäger hat es eben besonders hart getroffen, weil ausgerechnet einer der Oberkranken der Passion völlig verfallen war. Das kann man nicht ausklammern oder schönreden, berufen sollte man sich aber auf den Ursprung, dann macht Brauchtum auch Spass, ich finde es wichtig und schön, weil es Identität verleiht und die Gemeinschft fördert...

Wmh
 
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Moin!

Das mag Deine Philosophie sein;-),

Nein, ist es nicht. War spät gestern, ich hätte statt "ist ... entstanden" vielleicht schreiben sollen: "wurde ... auch unter dem Ziel ... gebraucht und weiterentwickelt" schreiben sollen, um zu verdeutlichen, dass das EIN Aspekt ist. Die Herausbildung einer Fachsprache zur differenzierten Bezeichnung von Fachlichem ist natürlich auch einer der wichtigen Aspekte.

Viele Grüße

Joe
 
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Könnten wir pevertiert in frevertiert wandeln?

Frevert war auch nur ein Handlanger wie so viele andere auch. Er hat die Vorteile des Regimes für sich genutzt und die ganze Sch... drumherum ausgeblendet wie so viele hirngewaschene Deutsche dieser unsäglichen Zeit. Ein Schicksal, das darüber nachdenken lässt, was aus einem selber wohl geworden wäre. Schindler oder KZ-Aufsicht, der Grat scheint doch erschreckend schmal zu sein...

Wmh
 
G

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Guest
Wahre jagdliche Tradition und echte Bräuche.


Woran will man das festmachen? An der Zeit in Bezug auf Länge und Dauer? Oder nur daran das es schon vor Frevert bekannt war?


Historisch gesehen dürfte der Verlust an Wissen und Tradition auf deutschem Boden immens sein.

Der 30-jährige Krieg hat das Wissen zT um Jahrhunderte zurück geworfen, auch jagdliche Traditionen dürften dabei untergegangen sein.

Die bürgerliche Revolution, die Abschaffung der Adelsprivilegien, dürfte ebenfalls einiges in Vergessenheit geraten lassen, dafür aber auch neue "Gewohnheiten" geschaffen haben.

Damit wären wir schon im 19. JH und somit in Reichweite des gescholtenen Autors, wieviel erlerntes Wissen und wieviel Dazugedachtes er aufgeschrieben hat dürfte für eine lange Diskussion reichen.

Die Jagdsprache halte ich persönlich für ein hohes Gut, was dementsprechend erhalten werden soll.

Ansonsten "Feuer frei".:shoot:


CdB
 
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Ich stelle mir vor heute kommt jemand daher und schreibt ein Buch über die Jugendsprache, Inhalte und Regeln in der Disco, ohne zuvor beobachtet, geforscht und aufgezeichnet zu haben.
Das Buch wird zur Lachnummer!
Ebenso wird Frevert nicht komplett fabuliert haben. Hier und dort überhöht und geschönt, aber grundsätzlich wird er bestehende Traditionen, egal welch Ursprungs sie waren, niedergeschrieben haben.
 
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Ich gehe mit Hoodie und Cargo Pants zum Jagen, einen Shemag, den mir meine Frau aus MeS mitgebracht hat, um den Hals. Im Auto habe ich eine Durchgehjacke in Blaze Orange und einen Trekking Hut falls es regnet, in der Hand einen Plastik Schaft aus japanischer Fabrikation, auf dem Rücken einen Rucksack aus der Nike Skateboarding Kollektion. Wenn ich Strecke gemacht habe dann suche ich keinen Bruch und verblase nichts sondern eine gehe in eine saubere Wildkammer um das Stück möglichst flott und sauber zu versorgen. Erntebock, Zukunftsbock und den ganzen Kram halte ich für Volksschulgenetik. Frevert ist aus meiner Sicht eine Modeerscheinung der Nachkriegszeit und nicht wirklich jagdliche Tradition.

Trotzdem fühle ich mich der Tradition verbunden. Ich gehe zum Jagen wie mein Opa, mein Uropa und dessen Vater und Großvater und nicht zum Männer Yoga mit anschließendem Soy Decaf Latte wie einige meiner Kollegen. Es vergeht kein Jagdtag ohne das ich an die Zeiten als kleiner Junge mit meinem Opa in seinem Revier oder an die Geschichten von meinem Uropa und das glänzen in den Augen meines Vaters wenn er davon erzählt denke. Das ist für mich die Tradition in der ich jage, das Feuer, das Leuchten, die Freiheit draußen zu sein, die Verbundenheit mit denen die vor uns waren. Ob mit Vorderlader oder MR308, Härkila oder Lodenkotze, Hegepurist oder Schalenwildculler ist doch langfristig gesehen alles nur oberflächlicher Kram. Die Zeiten ändern sich und das ist auch gut so aber das was uns innerlich verbindet das bleibt.
 

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