Ich führe immer bei unterschiedlichen Vereinen und ich schaue mir auch jedes Jahr mehrere Prüfungen an. Dann erlebe ich verschiedene Hunde in der Vorbereitung und sehe wie die bewertet werden. Von daher kann ich mir schon ein Bild machen. Mag sein, daß hier und da ein wenig großzügig gerichtet wird, aber die Richtung paßt meist. Das die Richter total daneben liegen ist eher selten, liegt aber auch daran, daß sie ja auch zu Dritt richten und innerhalb der Richtergruppe ein Austausch stattfindet.
Außerdem ist dieser Konkurenzgedanke, doch mit einer der Gründe für die großzügige Punktevergabe, denn viel Punkte sehen immer gut aus, für den Führer, den Züchter, dem Richter und dem Verein. Eine Jugendsuche muß man doch mehr unter dem Aspekt der Beschreibung eines Hundes sehen und nicht unter dem Aspekt der Punktzahl und Suchensieg. Man muß halt nur für sich begreifen, daß ein 65er Hund für die Jagd genau so wertvoll oder wertvoller sein kann, wie ein 75er Hund. Wer das begriffen hat, der kann auch unter den heutigen Bedingungen vernünftige Jagdhunde selektieren.
Ich sehe leider schon ein gewaltiges Problem in dieser Form der Punkte-"Inflation". Sie suggeriert nämlich nicht nur dem Außenstehenden, dass die Niveau der Hunde tatsächlich in den letzten Jahren/Jahrzehnten gestiegen sei - was nicht zuletzt aus den von @Bora genannten Gründen zutiefst unlogisch ist.
Wenn der Durchschnitt eines Prüfungsjahrganges bei über 70 Punkten liegt, würde dies bedeuten, dass sich der Durchschnitt im "sehr gut"-Bereich bewegt; Hand auf´s Herz, wer bitteschön glaubt denn an sowas??? Jeder normal denkende Mensch, der von der Materie keine Ahnung hat, wird einsehen, dass dies unmöglich sein kann, dass hier entweder ein kapitaler "Systemfehler" in den Bewertungsrichtlinien vorliegt, oder ein ebenso kapitale Fehlbewertung - bei Richtern und Hundeführern.
Bei einem auf 12 Punkte ausgelegten Bewertungssystem muss der Durchschnitt immer im mittleren Bereich, vielleicht leicht darüber, liegen, also vielleicht bei einer sieben im Durchschnitt, denn die Masse der zu Bewertenden findet sich nun einmal in diesem mittleren Leistungs(Anlagen-)Bereich; weniger darunter - und weniger darüber. Wenn sich bei durchgängig korrekten Bewertungen der Leistungsdurchschnitt tatsächlich verschieben sollte, so wäre dies für mich ein Warnsignal, dass der Bewertungsmaßstab angepasst werden muss.
Nach meinem Eindruck ist dies derzeit jedoch nicht der Fall, die Punkte-Inflation muss daher andere Ursachen haben - und Du hast sie letztlich (zumindest in Ansätzen) selbst genannt: Der Konkurrenzgedanke, der Richtern, wie Hundeführern zunehmend innewohnt.
Der Konkurrenzgedanke, der Richter dazu führt, andere Beweggründe als ausschließlich die gezeigte Leistung/Anlage des Hundes in die Bewertung mit einzubeziehen. Dazu gehört z.B. auch eine gewisse "Konfliktscheue", ein Urteil gegebenenfalls auch einmal gegen den Widerstand des HF durchzusetzen, frei nach dem Motto "bevor ich mich anlege, isses mir lieber egal".
Der Konkurrenzgedanke, der Ehrgeiz und die Herangehensweise vieler (meist unbedarfter) Hundeführer an eine Jugend-/Anlagenprüfung, die sie gleichsam schon als Wettbewerb sehen - ohne zu begreifen, was sie ihrem Hund und der Rasse damit antun. Das weitgehende Versagen, wenn es darum geht, die Arbeit des eigenen Hundes objektiv zu beurteilen. Das offene oder versteckte Lamentieren, wenn es darum geht, ein ehrliches Urteil der Richter (selbst wenn es kommen sollte) anzuerkennen und anzunehmen. Die zunehmende Anmaßung, die Richter belehren zu wollen - oder sie mit Einsprüchen zu überziehen, bei gleichzeitig weitgehender Ahnungslosigkeit von der Materie.
Das alles beginnt übrigens in meinen Augen mit einer VJPO, die diesen "Sportsgeist" alleine damit schon fördert, indem es ein "bestanden" oder "nicht bestanden" gibt; stattdessen wäre es um Längen vernünftiger, gerade die Jugendprüfung einfach als "Statusfeststellung" zu sehen - und sie so auch bei allen Beteiligten in den Köpfen zu verankern!