Beim Thema Maßschaft ist extrem viel Mythos und Vodoo im Spiel, es gibt leider recht wenig verlässliche Information und es bleibt ein sehr großer Spielraum für die "optimale" Gestaltung. Die Mode spielt natürlich auch eine grosse Rolle: Fred Etchen hat diese Art der anatomischen Pistolengriff-Adaptierung bereits vor fast 100 Jahren "erfunden". Nachdem er als erfolgreichster Wurftaubenschütze seiner Zeit mit einem solchen Schaft unterwegs war, haben viele seiner Zeitgenossen ihre Flinten ebenfalls mit solchen Schäften ausgestattet. Auch sein Sohn, Rudy Etchen, hat mit solchen Schäften geschossen (Trap mit Pumpflinten, welcher Frevel;-)) Danach ist dieser Schafttyp über Jahrzehnte verschwunden, erst in den letzten 15 Jahren hat sich das Ganze wiederbelebt, allerdings mit wesentlich grösserem Erfolg.
Vieles spricht dafür, aber auch vieles dagegen. Fakt ist: Die Handhabung der Flinte ist mit einem solchen Pistolengriff schwieriger und es muss einem bewusst sein, dass dadurch ein Teil des Rückstosses von der Hand bzw. dem Arm aufgefangen wird. Etliche Schützen haben "Lehrgeld" für eine zu enge Ausformung bezahlen müssen in Form von Gelenk- und Sehnenproblemen. Natürlich spielt dabei die Physiognomie eine grosse Rolle, ein athletischer Typ mit entsprechend trainierter Muskulatur hat dabei sicher weniger Probleme als ein eher zierlicher oder wenig trainierter Typ.
Allerdings stand der "moderne" Pistolengriff mit nahezu komplett umschliessender, anatomischer Ausformung nicht im Mittelpunkt der Eingangsfrage, es ging eher darum, ob bei einem "normalen" Pistolengriff eine Ausformung für die Handinnenfläche sinnvoll ist oder nicht (Palmswell = Palmenschwellung, gemeint ist eine "beulenartige" Erhebung, die für ein besseres Griffgefühl und eine anatomisch korrekte Ausfüllung der Handinnenfläche sorgen soll).
Ein schönes Beispiel dafür: Wenn man sein Handy so umgreift wie einen Pistolengriff, berühren die Finger und der Daumenballen bzw. das Daumengelenk die vordere und hintere Kante, die Handinnenfläche hat keinerlei Kontakt zur Oberfläche. Umgreife ich ein Rundholz mit z.B. 5 cm Durchmesser, so bekomme ich ein wesentlich besseres Griffgefühl und die gesamte Handinnenfläche hat Kontakt.
Nach meiner Auffassung sollte auf die perfekte Gestaltung des Pistolengriffs genau so viel Wert gelegt werden wie auf die perfekte Abstimmung von Länge, Senkung, Schränkung und Pitch. Auf jeden Fall sollte dabei eine zu starke Ausformung und ein zu hohes Griffvolumen vermieden werden, schliesslich geht es einzig und alleine um optimale Schussauslösung und Waffenkontrolle. In meinen Augen ist ein leichter Palmswell in Verbindung mit einer recht grossen Aussparung für den Daumenballen und einer relativ tiefen "Griffmulde" für den Daumen eine ideale Kombination. Die Hand sollte den Pistolengriff dabei so umgreifen können wie bei einer Pistole, der Daumenballen muss deshalb möglichst exakt in die zentrale Waffenachse kommen. Hat der Pistolengriff zu viel "Fleisch", kann die Hand nur seitlich versetzt neben der Waffenachse greifen.
Der Griffwinkel sollte bei den Disziplinen mit Waffenstart "gun down" nicht zu steil sein, sonst besteht die Gefahr, dass der Schaft beim schnellen Anschlag zu weit in der Schulter nach oben gedrückt wird, weil der kleine Finger und der Ringfinger zu viel Druck auf den unteren Bereich des Pistolengriffs bringen. Schöner Test dazu: einfach einen Kugelschreiber in die Hand nehmen und einen Anschlag simulieren, der Winkel des Kugelschreibers verdeutlicht den "natürlichen" Handwinkel und der gewählte Griffwinkel sollte nicht allzusehr davon abweichen.
Wie immer: Jeder schwört auf sein Ding! Und was will man sagen, wenn das Ergebnis stimmt? Die Frage bleibt offen, welchen Anteil an den herausragenden Ergebnissen eines Spitzenschützen die "aussergewöhnlichen" Schäftungen und Anschlagtechniken haben und welcher Anteil auf besondere Wahrnehmungsfähigkeit, Reaktionsschnelligkeit und Trainingsfleiss fällt!