Bürger haben Angst um ihre Kinder – und wappnen sich mit Tränengas
[h=2]Wolfssichtung in Dörmte: Spaziergang nur noch mit Pistole[/h]https://www.az-online.de/uelzen/rosche/spaziergang-noch-pistole-8697139.html
19.09.17
Dörmte. Wenn sich Bettina Gieseke mit ihren beiden kleinen Kindern und ihrem Hund auf den Weg durch Dörmte macht, ist sie gut ausgerüstet. „Ich gehe oft mit einer Schreckschuss- und Tränengaspistole spazieren“, erzählt die junge Mutter. „Dafür habe ich extra den kleinen Waffenschein.“
Die Angst vor dem Wolf ist bei Bettina Gieseke groß – und bei vielen anderen Dörmtern auch. Denn vor wenigen Tagen ist ein Wolf mitten durch den Ort gelaufen und wurde dabei von einem Anwohner beobachtet.
Wie wird sich das Wildtier verhalten, wenn es plötzlich ihrem Hund gegenübersteht? Das fragt sich Bettina Gieseke nun voller Unbehagen. Wird der Wolf dann zum Angriff übergehen? „Auf jeden Fall ist es für mich und meine Kinder gefährlicher, wenn ich mit unserem Hund unterwegs bin“, meint die Dörmterin.
Um 7.45 Uhr morgens hat ein Anwohner das Tier gesehen, wie es um das örtliche Buswartehäuschen herumschlich. Nur wenige Minuten zuvor war dort der Bus mit den Schulkindern abgefahren. Ein weiterer Augenzeuge war Landwirt Dirk Meyer. Er fuhr mit seinem Auto hinter dem Wolf her, der schließlich in einem Maisfeld verschwand. „Wenn es in einem Dorf nicht mehr sicher ist für die Kinder, dann weiß ich auch nicht mehr“, sagt Ortsvertrauensmann Holger Wünsch. Der Nachwuchs wisse doch gar nicht, wie er sich bei einer Begegnung mit dem Wolf zu verhalten habe.
Die Dörmterin Edeltraud Wittvogel ist ebenfalls in Sorge. „Man traut sich schon gar nicht mehr in die Feldmark. Viele hier haben einfach nur noch Angst“, schildert sie. Seit dem Auftauchen des Wolfes in dem 100-Seelen-Ort lasse eine Mutter ihr Kind nicht mehr allein zur Bushaltestelle gehen, erzählen Anwohner. Stattdessen fahre sie es mit dem Auto dort hin und warte so lange, bis der Bus kommt. „Und mein Nachbar geht nicht mehr walken“, berichtet Wünsch.
Was viele Bürger nicht verstehen können, ist die Reaktion des Wolfsbüros, das beim niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) angesiedelt ist. Als Meyer sich dort nach der Sichtung des Wolfes meldete, sei ihm nur gesagt worden: „Sie müssen das weiter beobachten. Wenn sich das häuft, werden wir handeln.“ Konkrete Maßnahmen, zum Beispiel eine Untersuchung vor Ort in Dörmte, würden aber erst mal nicht ergriffen. Deshalb haben einige Einwohner den Eindruck, dass das Land sie in dieser Angelegenheit im Stich lässt. „Es ist schon Verzweiflung zu spüren, dass keiner einem hilft“, sagt Wünsch.
Die AZ hat zu dem Sachverhalt auch das NLWKN angefragt, gestern bis Redaktionsschluss aber keine Auskunft dazu bekommen.
Von Bernd Schossadowski