Hallo zusammen, hallo bengel_01,
habe das nun auch alles gelesen, was ihr so schreibt. Viel Gutes darunter und einmal mehr wird man nachdenklich. Ein bereits genannter Aspekt scheint mir irgendwie am wichtigsten. Dazu folgende Geschichte:
Als Jungjäger war ich einmal Ende Juni am späten Nachmittag unterwegs, einen Kunstbau zu kontrollieren. Dieser befand sich in einem Kiefern-Altholz mit reichlich Unterwuchs. Bereits 250 Meter davor legte ich den Pirschgang ein; bei 100 Meter Abstand zum Bau war mein Tempo auf 1m/Minute runter gefahren. So vorsichtig weiter vortastend, um in der Umgebung jedes Blatt zu inspizieren, entdecke ich plötzlich in 30 Meter Entfernung hinter einer Kiefer den Äser eines Rehs. Der Bodennähe nach lag es dort zu ruhen. Etwa 10 Minuten blieb ich stehen, bis sich das Haupt einmal drehte, und ich deutlich den Spießer im Bast ansprechen konnte.
Einiges ging mir durch den Kopf, was nun zu tun sei - zum Bau jedenfalls war mir der Weg versperrt. Aber sich um diesen Bock zu kümmern, das erschien mir jetzt doch das Aller-Richtigste :biggrin:
Mein Drilling war ja mit mir; nur leider hatte ich diesbezüglich mit meinem Jagdherrn keinerlei Absprache. Daher erfuhr die Geschichte die folgende Fortsetzung:
Ich legte den Rückwärtsgang ein :roll: so wie ich gekommen war - erst im Schneckentempo, dann langsam wieder schneller werdend, bis ich mich aus der sensiblen Zone heraus im leichten Trab befand. Nach 1,5 Kilometer querfeldein Joggen in praller Sonne erreiche ich das kleine Jagdhaus, sperre auf, verschließe dort die Waffe, sperre ab und schwinge mich auf mein Fahrrad. Etwa 3 Kilometer sind es bis zum Dorf, knapp 4 bis zur einzigen Telefonzelle gegenüber der Kirche. Wie ich ankomme, stelle ich fest: es sind keinen Groschen im Portemonnaie. Der kleine Lebensmittelladen machte erst Abends wieder auf – also zurück zum Kiosk am Ortseingang und mit der Bitte um reichlich Wechselgeld Cola gekauft. Wieder zur Telefonzelle … und: meinen Jagdherrn angerufen … und alles erzählt.
Vom anderen Ende kam nur „Kleiner Bock? Jetzt noch im Bast? Klar: versuch ihn zu kriegen!“.
Juhu – habe mich bedankt und trat die Rückreise an – pitschnass geschwitzt aber mit der richtigen Fahrkarte jetzt im doppelten Tempo: mit dem Rad zum Jagdhaus, Drilling holen und im Galopp Richtung Kunstbau. Dann wie gehabt – das hatte ja vorher auch funktioniert: immer langsamer und langsamer, alles drumherum im Blick, bis ich mich an der Stelle wiederfand, von der aus ich den Bock erstmals entdeckt hatte.
Kein Bock da.
Da ich nicht ganz blöd bin (es waren immerhin 1,5 Stunden vergangen), hatte ich natürlich auch damit gerechnet: den ganzen Weg über hatte ich mir Pläne zurecht gelegt, was zu tun sei und es kam nur ein ganz unvernünftiger Plan dabei heraus: ich ging tiefer mitten in diesen Kiefernbestand hinein, genau dorthin, wo es mir am dichtesten erschien, in der großen Hoffnung, wiederzufinden, was natürlich genauso gut am Abend an einer nahe gelegenen Ansitzleiter hätte austreten können. Angesichts der
wahnsinnigen Geschwindigkeit, mit der ich mir so das Dickicht erschloss, erschien mir das kleine Wäldchen plötzlich doch recht groß :35: Aber der Auftrag war in Stein gemeißelt und nach zwei Stunden Pirsch steht der Bock endlich 20 Meter vor mir. Er lag im Feuer; ein ganz leichtes Stück. Der Rückweg war gemächlich
Der Jagdherr war mein Vater. Der hätte mir jeden Bock gegönnt. Aber ich bekam längst nicht jeden Bock frei (bei ansonsten gefühlt absoluter Narrenfreiheit). Heutzutage fragt man sich ja, welche Unterschiede man noch machen soll – anhand der Trophäe jedenfalls mache ich keine mehr. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Der Hintergrund, warum ich diese Geschichte erzähle ist dieser: Ich bin sehr glücklich, in einem jagdlichen Umfeld groß geworden zu sein, in dem es mir erlaubt war, von früh bis spät über das Jagen zu plaudern und zu erzählen und zu fragen und zuzuhören und dann natürlich Jagen zu gehen und Stoff zu sammeln für neue großartige Geschichten oder was man so verbricht. Das wünsche ich jedem Jungjäger. Zumindest etwas davon: es ist das ja längst nicht jedem vergönnt, leider! Sucht euch einen Jagdherren, dem es Freude macht, von der Jagd zu erzählen und der sich gerne in eure Überlegungen vertieft, wie man Beute macht: Der Aufwand lohnt sich, danach zu suchen. Dann bekommt alles etwas Gegenseitiges, etwas Verlässliches, etwas Selbstverständliches und Probleme, wie hier geschildert, wird es in der Form kaum geben.
Wmh, Grüße,
Swerve