Schalldämpfer in Berlin - Urteil OVG Berlin/Brandenburg v. 06.04.2017

Registriert
7 Dez 2014
Beiträge
414
Das Urteil ist interessant zu lesen, ich stelle Leitsatz, Tatbestand und die relevanten Entscheidungsgründe mal hier rein. Ausgehend von diesem Thread im Forum.. Waihei, Allons!

Quelle: http://www.gerichtsentscheidungen.b...RE170006025&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10

Bedürfnisprinzip für den Schalldämpfererwerb zur Jagdausübung

Leitsatz

Die für die Bedarfsgruppe der Jäger geschaffene Konkretisierung des Bedürfnisprinzips in § 13 Abs. 1 WaffG begründet kein waffenrechtliches Bedürfnis für den Erwerb bzw. die Nutzung eines Schalldämpfers zur Jagdausübung.

Angesichts des systematischen Vorrangs der mit § 13 WaffG getroffenen Spezialregelung setzt die Anerkennung eines waffenrechtlichen Bedürfnisses für Schalldämpfer nach der allgemeinen Bedürfnisregelung in § 8 WaffG das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die den Antragsteller von der speziell geregelten Benutzergruppe der Jäger abheben und eine Beurteilung des Einzelfalls gebieten.


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis zum Erwerb eines Schalldämpfers zum Zweck der Jagdausübung.

Er verfügt über einen vom Beklagten ausgestellten, zuletzt bis zum 31. März 2019 verlängerten Drei-Jahres-Jagdschein (Nr. 750/04) und ist Mitpächter eines Jagdreviers, in dem er in seiner Freizeit regelmäßig der Jagd nachgeht.

Am 14. März 2013 stellte er einen Antrag auf Erwerb und Verwendung eines Schalldämpfers zum Zweck der Jagdausübung, zu dessen Begründung er auf die gesundheitlichen Risiken im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Mündungsknalls für das Hörvermögen verwies. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. März 2013 ab. Das für den Erwerb und Besitz eines Schalldämpfers ebenso wie für eine erlaubnispflichtige Schusswaffe erforderliche waffenrechtliche Bedürfnis sei nicht nachgewiesen. Es sei anerkannt, dass auch für Jäger grundsätzlich kein Bedürfnis zum Erwerb und Besitz von Schalldämpfern anzuerkennen sei, weil dies zur waidgerechten Jagdausübung nicht notwendig sei. Besondere Umstände, die ein Bedürfnis im konkreten Einzelfall begründen könnten, seien nicht vorgetragen worden. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2013 zurück.

Mit seiner am 8. Juli 2013 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und ausgeführt, dass er als Inhaber eines Jagdscheins das sog. Jägerprivileg gem. § 13 WaffG genieße, wonach das Bedürfnis für Erwerb und Besitz von Schusswaffen und der dafür bestimmten Munition bei Inhabern einer Jagderlaubnis unterstellt werde und dies die Bedürfnisprüfung nach § 8 WaffG auch für den Schusswaffen gleichgestellte Schalldämpfer entbehrlich mache. Aber auch wenn von der Erforderlichkeit einer Bedürfnisprüfung ausgegangen würde, sei die Ablehnung falsch. Denn die gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen bei Ausübung der Jagd seien grundsätzlich zu reduzieren und gegenüber anderen, nur die Schallwahrnehmung des Jägers mindernden Mitteln (wie Kopfhörer) besitze die Verwendung eines Schalldämpfers zudem weitere, ein zwingendes Bedürfnis begründende Funktionen. Der vom Beklagten angeführte elektronische Gehörschutz sei keine Alternative zur Verwendung eines Schalldämpfers. Schließlich bestehe auch ein besonderes individuelles Interesse des Klägers an der Verwendung eines Schalldämpfers bei der Jagd. Denn da er als Kriminalbeamter tätig sei und sein Gehör regelmäßig überprüft werde, sei die Erhaltung eines gesunden Gehörs wesentlich für seine Berufsausübung.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. November 2014 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis. Die Prüfung des Bedürfnisses für den Erwerb des Schalldämpfers sei nicht nach § 13 WaffG entbehrlich, denn die Privilegierungen des § 13 Abs. 2 und Abs. 3 WaffG erfassten keine Schalldämpfer. Der Kläger habe auch kein waffenrechtliches Bedürfnis gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG i.V.m. § 8 und § 13 Abs. 1 WaffG nachgewiesen. Da die Eigenschaft als Jäger allein nicht ausreiche, die Erforderlichkeit zu begründen, komme ein Bedürfnis für die Verwendung eines Schalldämpfers nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht, z.B. wenn der Erfolg der Jagd ohne eine schallgedämpfte Waffe unzumutbar beeinträchtigt oder dem Betroffenen die Ausübung der Jagd als solche nicht mehr möglich sein würde. Dies sei hier nicht der Fall.

Auf den Antrag des Klägers hin hat der Senat mit Beschluss vom 25. Juli 2016, dem Kläger zugestellt am 27. Juli 2016, die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Auf den gerichtlichen Hinweis vom 31. August 2016, dass innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist keine Berufungsbegründung eingegangen sei, hat der Kläger mit seinem am 9. September 2016 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Dem Schriftsatz lag die Kopie eines Schriftsatzes vom 9. August 2016 an, in dem auf eine beigefügte Kopie des die Zulassung der Berufung begründenden Schriftsatzes vom 15. Januar 2015 Bezug genommen wurde, aus dem sich (auch) die Berufungsbegründung ergebe. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner langjährigen Kanzleiangestellten ausgeführt, dass der Schriftsatz vom 9. August am selben Tage nach einem Tonbanddiktat geschrieben und ihm eine Kopie des früheren Schriftsatzes vom 15. Januar 2015 beigefügt worden sei. Der Schriftsatz sei von der Mitarbeiterin am selben Tag nach Dienstschluss gegen 17.15 Uhr mit ausreichend frankiertem Briefumschlag in den Postbriefkasten in der „L... Straße“ eingeworfen worden.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, dass das Verwaltungsgericht die Anwendung des sog. Jägerprivilegs auf Schalldämpfer zu Unrecht verneint habe. Die gesetzgeberische Intention, dem Jäger auf Grund seiner Ausbildung den Erwerb von Waffen ohne gesonderten Bedürfnisnachweis zu erleichtern, stehe der Geltung des Privilegs auch für Schalldämpfer nicht entgegen. Auch aus dem Bedürfnis restriktiver Handhabung von Waffenzulassungen sei nichts Gegenteiliges erkennbar. Der Gesetzgeber habe nicht nur die „notwendige Grundausstattung“ privilegieren wollen. Das Jägerprivileg solle vielmehr die Jagd erleichtern. Zu diesen Verbesserungen der Jagdmöglichkeit gehöre auch die Verwendung von Schalldämpfern.

Aber auch das sonstige, unabhängig von einer Zulassung aufgrund des Jägerprivilegs bestehende Bedürfnis der Verwendung von Schalldämpfern bei der Jagd habe das Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft verneint. Die Behauptung, dass andere alternative erlaubnisfreie Mittel zum Gehörschutz ausreichend zur Verfügung stünden, sei ausweislich der erstinstanzlich bereits angeführten Ausführungen des Dr. N... falsch. Die Verwendung anderen elektronischen Gehörschutzes sei keine Alternative zum Schalldämpfer; die technischen Vorteile der Verwendung eines Schalldämpfers begründeten ein generelles Bedürfnis für Jäger bei Ausübung der Jagd. Auf eine Unzumutbarkeit der Jagd ohne Schalldämpfer könne es nicht ankommen.

Zur Stützung seines Begehrens hat der Kläger ergänzend insbesondere auf einen Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) vom 25. Oktober 2013 zur Deliktrelevanz von Schalldämpfern und auf Erlasse der Landesregierungen von Bayern (zur Erteilung von Ausnahmen vom jagdrechtlichen Verbot und Anerkennung eines waffenrechtlichen Bedürfnisses gem. § 8 WaffG für Schalldämpfer für Jagdlangwaffen), Brandenburg und Baden-Württemberg (jeweils zur Anerkennung eines waffenrechtlichen Bedürfnisses gem. § 8 WaffG für Schalldämpfer für Jagdlangwaffen) verwiesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. November 2014 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. März 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2013 zu verpflichten, dem Kläger eine waffenrechtliche Erwerbserlaubnis für einen Schalldämpfer zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt aus, dass das sogenannte Jägerprivileg den Kläger nicht vom Nachweis eines individuellen Bedürfnisses für den Erwerb eines Schalldämpfers entbinde, da der Gesetzgeber nur die „notwendige Grundausstattung“ des Jägers habe privilegieren wollen. Aus der Nichtanwendbarkeit des Jägerprivilegs folge, dass anhand der tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls zu entscheiden sei, ob ein Bedürfnis für den Erwerb eines Schalldämpfers gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Nr. 1 WaffG bestehe. Dies setze zum einen das Bestehen eines gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung „besonders“ anzuerkennenden Interesses und zum anderen die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffe für den beantragten Zweck voraus. An beidem fehle es hier. Dass der erst im Verlauf des Zulassungsverfahrens bekannt gewordene Bericht des BKA vom 25. Oktober 2013 die angesichts der bisher nur geringen Deliktrelevanz möglicherweise ungerechtfertigte Stigmatisierung von Schalldämpfern relativiere, ändere nichts an der Notwendigkeit des Nachweises eines individuellen Bedürfnisses durch den Kläger. Auch innerbehördliche Handhabungen verschiedener Konstellationen in anderen Bundesländern könnten keine unmittelbare Wirkung auf die Berliner Rechtslage habe.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (2 Bände) sowie den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang (1 Hefter) Bezug genommen.
 
Registriert
7 Dez 2014
Beiträge
414
Begründung

II. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn dieser hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten waffenrechtlichen Erlaubnis für den Erwerb eines Schalldämpfers zur Jagdausübung.

...

1. Diese speziell für die Bedarfsgruppe der Jäger geschaffene Konkretisierung des Bedürfnisprinzips in § 13 Abs. 1 WaffG erlaubt es nach Auffassung des Senats nicht, ein waffenrechtliches Bedürfnis des Klägers für den Erwerb bzw. die Nutzung eines Schalldämpfers zur Jagdausübung anzuerkennen.

Gem. § 13 Abs. 1 WaffG wird ein Bedürfnis für den Erwerb und Besitz von Schusswaffen und der dafür bestimmten Munition bei Personen anerkannt, die Inhaber eines gültigen Jagdscheins im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 BJagdG sind, wenn glaubhaft gemacht wird, dass sie die Schusswaffen und Munition zur Jagdausübung oder zum Training im jagdlichen Schießen einschließlich jagdlicher Schießwettkämpfe benötigen, und wenn die zu erwerbende Schusswaffe und Munition nach dem Bundesjagdgesetz in der zum Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Fassung nicht verboten ist. Gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 WaffG erfolgt bei Jägern, die – wie der Kläger – Inhaber eines Jahresjagdscheins im Sinne von § 15 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BJagdG sind, keine Prüfung der Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 sowie des § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG „für den Erwerb und Besitz von Langwaffen und zwei Kurzwaffen“, sofern die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vorliegen. Zum Erwerb von Langwaffen nach Absatz 1 Nr. 2 bedarf der Inhaber eines gültigen Jahresjagdscheins gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 WaffG keiner Erlaubnis; lediglich deren Besitz erfordert die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte oder die Eintragung in eine bereits erteilte Waffenbesitzkarte binnen zwei Wochen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 WaffG).

Ausgehend von der Regelung in Ziff. 1.3 der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG, wonach Schalldämpfer – soweit nichts anderes bestimmt ist - denjenigen Schusswaffen gleichstehen, für die sie bestimmt sind, könnte die gesetzliche Anerkennung des waffenrechtlichen Bedürfnisses von Jägern gem. § 13 Abs. 1 WaffG zwar die Anerkennung eines entsprechenden Bedürfnisses für Schalldämpfer umfassen, die für eine danach privilegierte Jagdwaffe bestimmt und jagdrechtlich nicht verboten sind.

Dem Wortlaut nach enthalten weder die Bedürfnisregelung in § 13 Abs. 1 WaffG noch die daran anknüpfende, die Inhaber eines Jahresjagdscheins mit der Freistellung von der Bedürfnisprüfung für die zur jagdlichen Grundausstattung gezählten Lang- und zwei Kurzwaffen weiter begünstigende Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 2 WaffG abweichende Bestimmungen für Schalldämpfer. ...

Nach Auffassung des Senats gebieten allerdings Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn und Zweck der maßgeblichen waffenrechtlichen Regelungen eine einschränkende, der Anwendung auf Schalldämpfer entgegenstehende Auslegung des sog. Jägerprivilegs aus § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 WaffG.

Der historische Gesetzgeber hat es wegen der anspruchsvollen und schwierigen Ausbildung der – ausdrücklich als Inhaber eines gültigen Jagdscheins nach dem Bundesjagdgesetz definierten - Jäger zwar als vertretbar angesehen, den Erwerb und Besitz von Schusswaffen durch die Jäger sowie den sonstigen Umgang mit Schusswaffen weniger strengen waffenrechtlichen Beschränkungen zu unterwerfen. Dabei ist er aber auch davon ausgegangen, dass der Bedarf an Schusswaffen bei Jägern sich grundsätzlich auf „die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit weniger gefährlichen Langwaffen (Flinten, Büchsen)“ beschränkt (so zu § 13 Abs. 1, vgl. BT-Drucks. 14/7758 S. 61 f.), und der dem Jäger mit gültigem Jahresjagdschein durch § 13 Abs. 2 Satz 2 WaffG ermöglichte Erwerb von Langwaffen sowie zweier Kurzwaffen ohne Prüfung der Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG die jagdliche „Grundausstattung“ (zu § 13 Abs. 2 WaffG vgl. BT-Drucks. 14/7758 S. 62) abdeckt....

...

Dass sich daran durch die Neufassung des Waffengesetzes 2002 etwas ändern sollte, ist nicht feststellbar. Der Gesetzesbegründung zu § 13 WaffG ist nichts dafür zu entnehmen, dass die für die Ausgestaltung des waffenrechtlichen Bedürfnisses in Abs. 1 und 2 maßgebliche, im Ergebnis einer Abwägung mit den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit getroffene gesetzgeberische Gefährdungsabschätzung, wonach es – auch deshalb - vertretbar erscheine, den Erwerb, Besitz und Umgang von Jägern mit Schusswaffen weniger strengen waffenrechtlichen Anforderungen zu unterwerfen, weil deren Bedarf sich grundsätzlich auf die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit weniger gefährlichen Langwaffen beschränke, in bewusster Abkehr von der sich aus Ziff. 32.6 Satz 2 WaffVwV 1976 ergebenden bisherigen Praxis und in Ansehung etwaiger Gefahren durch die erstmalige Anerkennung eines generellen jagdrechtlichen Bedürfnissen für die Benutzung von Schalldämpfern getroffen worden ist und dass der Gesetzgeber gerade auch deren Verwendung für die Jagd über den Einzelfall hinaus als vertretbar bewertet haben könnte. Eine diesbezügliche Erklärung des Gesetzgebers wäre in einem solchen Fall aber zu erwarten gewesen, zumal eine auf die Gleichstellung von Schalldämpfern mit den Waffen, für die sie bestimmt sind, gestützte Einbeziehung der Schalldämpfer in das Jägerprivileg der § 13 Abs. 1 und 2 WaffG nicht nur für Schalldämpfer an „weniger gefährlichen“ Langwaffen, sondern – angesichts der ausdrücklichen Anerkennung der Erforderlichkeit von bis zu zwei Kurzwaffen für Inhaber von Jahresjagdscheinen in § 13 Abs. 2 WaffG – in einer Vielzahl von Fällen ohne weiteres auch für Schalldämpfer an Kurzwaffen gelten müsste. Eine derart veränderte gesetzgeberische Einschätzung der von Schalldämpfern ausgehenden Gefahren war und ist nicht so offensichtlich und selbstverständlich, dass sie keiner Erwähnung oder gar Begründung bedurft hätte. Dies zeigt sich auch daran, dass das Land Bayern angesichts der in den letzten Jahren zunehmenden Beantragung waffenrechtlicher Erlaubnisse für Schalldämpfer zur Jagd die Einholung einer sodann unter dem 25. Oktober 2013 erteilten Auskunft des Bundeskriminalamts zu kriminalistischen Erfahrungen mit und zur deliktischen Relevanz von Schalldämpfern für erforderlich hielt.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Verwendung von Schalldämpfern 2002 auch rein tatsächlich nicht als für die Jagdausübung generell erforderlich ansehen konnte. Ihre Verwendung für die Jagd war und ist zwar nicht gem. § 19 Abs. 1 BJagdG verboten, weshalb ein entsprechendes waffenrechtliches Bedürfnis nicht schon gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ausgeschlossen ist. Eine Anzahl von Bundesländern hatte und hat aber von der gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 BJagdG ausdrücklich zugelassenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die im Bundesjagdgesetz geregelten Verbote landesrechtlich um ein Verbot der Jagd unter Verwendung von Schalldämpfern zu ergänzen (vgl. Art. 29 Abs. 2 Nr. 7 Bayerisches Jagdgesetz, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Bremisches Jagdgesetz, § 16 Abs. 1 Nr. 1 Hamburgisches Jagdgesetz, § 24 Abs. 1 Niedersächsisches Jagdgesetz, § 18 Abs. 1 Nr. 3 Sächsisches Jagdgesetz, § 23 Abs. 2 Nr. 1 Landesjagdgesetz Sachsen-Anhalt, § 29 Abs. 2 Nr. 4 Thüringer Jagdgesetz). Auch die Jagdverbände als Interessenvertreter der Jägerschaft waren im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Waffenrechts im Jahr 2002 noch der Auffassung, dass die Benutzung von Schalldämpfern bei der Jagdausübung „aus grundsätzlichen Erwägungen entsprechend Ziff. 32.6 WaffVwV“ 1976 abzulehnen sei (vgl. die zitierten Stellungnahmen im Urteil des HessVGH v. 9. Dezember 2003 – 11 UE 2912/00 -, juris Rn 16). Seit einigen Jahren – etwa seit 2013 – hat zwar ein Umdenken der Jagdverbände begonnen (vgl. die Darstellung bei Neitzel, Jagd mit Schalldämpfer, 2. Aufl. 2016, S. 263 ff.). Davon, dass Schalldämpfer für Jagdwaffen zu einer waffenrechtlich anzuerkennenden Grundausstattung für Jäger gehören oder jedenfalls in gleicher Weise wie die in § 13 Abs. 1 WaffG bezeichneten Schusswaffen generell zur Jagdausübung erforderlich sind, kann indes schon wegen der fortbestehenden landesrechtlichen Nutzungsverbote bis heute nicht ausgegangen werden.

Einer Einbeziehung von Schalldämpfern in das sich mit § 13 Abs. 1 WaffG generell anerkannte waffenrechtliche Bedürfnis von Jägern stand und steht auch entgegen, dass der Gesetzgeber die in den §§ 13-20, 26 und 28 WaffG enthaltenen Konkretisierungen des grundlegend in § 8 WaffG geregelten Bedürfnisses hinsichtlich der Jäger, Sportschützen u.a. in jeweils eigenen Vorschriften gerade deshalb vorgenommen hat, weil der Zugang dieser hauptsächlichen Bedarfsgruppen zu Waffen „wegen der großen Anzahl an Anträgen auf den Erwerb und Besitz von Schusswaffen im Interesse eines bundeseinheitlichen Vollzugs“ in speziellen Vorschriften detaillierter geregelt werden sollte (BT-Drucks. 14/7758 S. 57). Angesichts des Verbots der Jagd mit Schalldämpfern in einer Anzahl von Bundesländern, das der Anerkennung eines generellen jagdlichen Bedürfnisses für ihre Nutzung bei der Jagd in diesen Bundesländern entgegensteht, wäre eine bundeseinheitliche Anerkennung eines Bedürfnisses nach Nutzung eines Schalldämpfers zur Jagd für die gesamte Gruppe der Jäger aber von vornherein ausgeschlossen gewesen. Hinzu kommt, dass eine Privilegierung von Schalldämpfern, die sich aus der in Nr. 1.3 der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG geregelten Gleichstellung mit und daraus resultierenden Einbeziehung in die Privilegierung für diejenigen Schusswaffen ergäbe, für die sie bestimmt sind, nicht isoliert nur Jägern zugutekommen könnte, sondern gegebenenfalls auch für Sportschützen oder Waffensammler entsprechend gelten müsste und damit eine zusätzliche Ausweitung der Anerkennung eines waffenrechtlichen Bedürfnisses zur Nutzung eines Schalldämpfers zur Folge haben würde.

Fehlt es nach allem an jedem Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber des Waffengesetzes 2002 die sich aus § 13 Abs. 1 WaffG ergebende allgemeine Anerkennung eines spezifisch jagdrechtlichen Bedürfnisses für den Besitz und Erwerb von zur Jagd benötigten Schusswaffen und damit ggf. zugleich auch den sich aus § 13 Abs. 2 WaffG ergebenden Verzicht auf die Prüfung des Vorliegens der dortigen Voraussetzungen für die „Grundausstattung“ von Inhabern eines Jahresjagdscheins auch auf Schalldämpfer beziehen wollte, die für eine danach zur Jagd benötigte Waffe bestimmt sind, ist dies von den Gerichten zu beachten und muss zu einer entsprechend eingeschränkten Anwendung der Norm führen. Denn das Bedürfnisprinzip ist ein zentrales Element des deutschen Waffenrechts und seine Konkretisierung für eine der Hauptnutzergruppen von Waffen in § 13 Abs. 1 WaffG ist Ergebnis einer gesetzgeberischen Abwägung der waffenrechtlichen Bedürfnisse der Jäger einerseits und der Belange der öffentlichen Sicherheit andererseits. Angesichts dessen muss auch eine nicht auf Einzelfälle beschränkte, sondern auf geänderte Bedürfnisse der gesamten Benutzergruppe und/oder neuere Erkenntnisse zur (geringeren) Gefährlichkeit von Waffen oder diesen gleichgestellten Gegenständen in den Händen dieser Nutzergruppe reagierende Erweiterung des „Katalogs“ des zur Jagdausübung regelmäßig Erforderlichen um bis dahin nicht zur Jagd verwendete bzw. in einigen Bundesländern sogar verbotene Teile - wie insbesondere die in der bisherigen Abwägung nicht berücksichtigten Schalldämpfer an Jagdwaffen – sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Voraussetzungen (wie z.B. eine Beschränkung auf Schalldämpfer an Jagdlangwaffen) dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

2. Der Kläger hat hier auch kein – nach allem allein in Betracht kommendes – Bedürfnis an einem Schalldämpfer zu Jagdzwecken gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 8 WaffG nachgewiesen.

Denn die von ihm zur Begründung seines Bedürfnisses nur angeführten Interessen stellen keine besonderen, ihn von der in § 13 WaffG speziell geregelten Benutzergruppe der Jäger abhebenden und einer individuellen Beurteilung im Rahmen des § 8 WaffG zugänglichen Umstände dar, sondern könnten in gleicher Weise auch von jedem anderen Jäger geltend gemacht werden.

...

Die nach dem Wortlaut des § 8 Nr. 1 WaffG zur Begründung eines waffenrechtlichen Bedürfnisses geeigneten Interessen „als Jäger“ hat der Gesetzgeber mit § 13 WaffG allerdings grundsätzlich bereits selbst konkretisiert. Dies ist nach Auffassung des Senats auch bei der Anwendung des § 8 WaffG zu beachten. § 8 WaffG bleibt zwar „als Auffangnorm für alle anderen Fälle, die nicht von den vorgenannten speziellen Regelungen erfasst werden, maßgebend“ (BT-Drucks. 14/7758 S. 57). Angesichts des systematischen Vorrangs der Spezialregelung ist im Fall eines der speziell geregelten Gruppe angehörenden Antragstellers für eine Anwendung der Auffangnorm aber nur insoweit Raum, als sein Fall Besonderheiten aufweist, die eine von der gesetzlichen, mit Blick auf die gesamte Gruppe getroffenen Spezialregelung abweichende Beurteilung seines waffenrechtlichen Bedürfnisses rechtfertigt. ...

Auch die vom Kläger im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Erlasse verschiedener Bundesländer, mit denen diese ihre Waffenbehörden angewiesen haben, ein besonderes Bedürfnis gem. § 8 WaffG für die Benutzung von Schalldämpfern bei der Jagd mit Langwaffen regelmäßig anzuerkennen, gibt dem Senat keinen hinreichenden Anlass zu einer anderen Auslegung. ...

Denn weder das angeführte Interesse am Schutz seines Gehörs vor den Auswirkungen eines die Grenze zur Gesundheitsgefährdung überschreitenden Geschossknalls noch sein Interesse an den mit der Verwendung eines Schalldämpfers gegenüber anderen Arten des Gehörschutzes (mittels Gehörschutzkapseln oder eines im Ohr getragenen Gehörschutzes) verbundenen technischen Vorteilen für die Ausübung der Jagd – wie der Vermeidung des bei Verwendung eines Gehörschutzes im Fall der Nachsuche in Gebüsch oder Unterholz bestehenden Verlustrisikos, der Vermeidung eines Mündungsblitzes, der Milderung des Rückstoßes und des damit verbundenen Risikos eines Verreißens im Moment der Schussabgabe oder des Schutzes des Gehörs der zur Nachsuche erforderlichen Jagdhunde – stellen Belange oder Bedürfnisse dar, die sich von denjenigen anderer Jäger unterscheiden. Dieselben Belange könnten in gleicher Weise auch von jedem anderen Jäger geltend gemacht werden. ...
 
K

kirehe mohoao

Guest
Rn42: Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Gibt es ein BVerwG-AZ?
 

Online-Statistiken

Zurzeit aktive Mitglieder
141
Zurzeit aktive Gäste
562
Besucher gesamt
703
Oben