Zwangsapport

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Was versteht man eigentlich genau unter "Zwangsapport - durchgearbeitet"?

Als Führer eines Vizslas habe ich zu Zwang natürlich einen anderen Zugang...

(Bierflaschen bringt mein Hund ebenfalls, und Wild knautscht er nie)

WH
Barry
 
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barry08 schrieb:
Was versteht man eigentlich genau unter "Zwangsapport - durchgearbeitet"?

Gute Frage!

Claas schrieb:
Ist die Konditionierung immer stärker, kann durchaus schon von Zwangsapport gesprochen werden. Das wird einigen nicht passen. Tatsächlich ist jedes Verhalten, das eingeübt wurde und das der Hund auf Kommando macht, ein Zwang. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Führer apport brüllt oder leise sagt, hol bitte das Stöcken.

Jede zielführende Form der Ausbildung wird in irgendeiner Form physischen oder psychischen Zwang enthalten. Bereits die Verwendung einer Leine (Einengung der Bewegungsfreiheit) bedeutet Zwang.
Unter dem klassischen Zwangsapport wird aber i.d.R. etwas anderes verstanden. Andernfalls wäre ja auch von "Zwangs"-Fuss, "Zwangs"-Halt oder "Zwangs"-Down die Rede. Somit dürfte allgemeiner Ansicht nach der Zwangsapport mit einem hohen Maß an physischer Einwirkung verbunden sein. Wie Claas schrieb z.B. mit dem Daumennagel im Ohr des Hundes, bis er nimmt, oder neuerdings auf dem vorab positiv konditionieren Apportiertisch mit Bindfaden an der Hundezehe.

Claas schrieb:
Als er ihm den Hasen abnehmen wollte, ließ er ihn fallen und biss ihn schwer in die Hand.

Das hat mit dem Thema Zwangsapport wohl wenig zu tun, außer

Claas schrieb:
Der Hund, der durch Wiederholung in der Konditionierung letztlich zwangsmäßig holt, erkennt den Führer als Rudelführer an.

diesem Grund. Nur wie ist es zu verstehen, dass ein Hund erst durch den Zwangsapport und den dort ausgeübten Zwang erfährt, dass er den Führer als Rudelführer anzuerkennen hat :shock: :?: Sollte es so sein, muss bis dahin viel schief gelaufen sein. Denn dann wird der Zwangsapport doch erst durchgeführt, wenn mit dem Hund ernsthaft gearbeitet wird. Das wird je nach Entwicklungstempo und Reife nicht vor dem 7. – 8., oft aber erst zwischen dem 10. und 12. Lebensmonat der Fall sein. Sollte der Besitzer bis dahin den notwendigen Respekt noch nicht erlangt haben (vorausgesetzt er hat den Hund als Welpen übernommen), würde ich ihn als unfähig oder zumindest als unerfahren bezeichnen.
Respekt baue ich anders auf. Indem ich dem Hund immer und in jeder Alltagssituation zeige, wie seine Stellung ist. Indem dem Hund klare Abläufe aufgezeigt werden, die konsequent einzuhalten sind. Dabei nutze ich Zwang, selbstverständlich. Der Welpe darf mir auch beim Spiel nicht fest in die Hand beißen. Er lernt auf Kommando zu kommen, auch unter Ablenkung. Er lernt das Kommando Bleib, über immer längere Zeiträume. Und wenn er am Fuß ist, regel ich alle Situationen, auch wenn z.B. ein dominanter Hund auf uns zu kommt. Nur einige Beispiele. Wenn ich je nach Reife des Hundes mit der ernsthaften Ausbildung des Hundes beginne, ist der Respekt bereits da, oder ich habe etwas falsch gemacht.

Wie Claas schreibt, wird der Zwangsapport quasi als Basis der Ausbildung verwendet. Mit dem Zwangsapport wird die Basis an Zwang aufgebaut, mit dem der Hund danach ausgebildet wird. Das soll o.k. sein für einen professionellen Ausbilder, der in möglichst kurzer Zeit viel mit dem Hund zu erreichen hat. Mit Zwang geht es schneller und sicherer. Aber – was unter Zwang aufgebaut wird, muss unter Zwang beibehalten werden. Und darin liegt bereits ein Problem. Ich kenne wirklich viele HFs und habe sie bei der Ausbildung ihrer Hunde erlebt. Aber ich kenne nur eine Handvoll die in der Lage ist, ein hohes Maß an Zwang ein Hundeleben lang aufrecht zu erhalten.

Womit wir beim nächsten Thema wären. Reden wir z.B. über DD, DK oder Weimaraner, dann ist der Apport ein wichtiger Teil ihrer „klassischen“ Arbeit (d.h., sofern sie nicht ausschl. als Stöberhunde auf der DJ missbraucht werden). Ein Jagdhund hat die wesentlichen Anlagen mitzubringen, sonst kann ich ja auch mit einem Bobtail zur Jagd gehen. Zu diesen wichtigen Anlagen gehört bei den genannten Rassen (bei den Retrievern obligatorisch) neben Beutetrieb, ausreichend körperlicher Härte u.a. insbesondere der Bringtrieb. Ist dieser in ausreichendem Maße vorhanden, wird der Hund aufnehmen. Ist der Bringtrieb in hohem Maße vorhanden, wird der Hund auch die eigentlich unangenehmen Wildarten wie Fuchs oder Krähe aufnehmen. Habe ich einen solchen Hund, benötige ich für dieses Fach keinen oder halt nur wenig Zwang (für die Absicherung). Habe ich einen Hund ohne oder mit zu wenig ausgeprägtem Bringtrieb, benötige aber für die Jagd einen Apporteur, dann habe ich ggf. den falschen Hund.

Erstaunlicherweise wird niemand versuchen, einem Stöberhund ohne entsprechende Anlage das Stöbern ausschl. über Zwang beizubringen und anschl. hoffen einen zuverlässigen Stöberer zu haben. Oder versuchen einen Schweisshund ohne die ensprechenden Anlagen ausschl. über Zwang zur Arbeit zu bringen. Nur beim Apport sind scheinbar viele der Ansicht, Anlage sei unnötig, Zwang allein reiche aus.

Claas schrieb:
Kopfhund meines Onkels, der nie Unterordnung kennen lernte, sondern mit Liebe aufgezogen wurde.

Hat ein sog. ‚Kopfhund‘ ein hohes Maß an Dominanz, körperlicher Härte, wenig bis keinen Führerbezug? Wenn ja, dann wäre es wohl viel zu spät ihm erst im Alter von mind. 6, eher 8 – 12 Monaten zu zeigen, was Unterordnung bedeutet. Ich stimme Dir aber absolut zu, dass derartige Hunde (sofern man sich das antun will) mit einem hohen Maß an Zwang ausgebildet werden müssen.

Claas schrieb:
Einfach mal ein Quietschentchen 100 Meter wegbringen, den Hund schicken und bringen lassen, danach das gleiche mit einer leeren Wasserflasche.
Die Hunde, die du kennst, werden das nicht bringen und sind damit auch im Apport nicht durchgearbeitet.

Ich verstehe Deine Aussage, bezweifle aber ihre sinnhaftigkeit. Nimm z.B. einen Hund, der oft "schlampig" trägt. Er knautscht nicht, hat aber ein so weiches Maul, dass er Dummy/Apportel auch schon Mal verliert. Er verliert aber NIE(!!) warmes Wild, NIEMALS ein krankes Stück, und tut den Fuchs ab. Was soll ich hier korrigieren?

Gruß

Michael
 
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@Michael

Freut mic
H, dass du dir die Zeit genommen hast, diese ausführliche Antwort zu formulieren.

Ich weiß nicht, welchen Hund du führst, aber du könntest fast jeden Hund zu einem guten Jagdhund machen, wenn du in der Praxis das durchstehst, was du in der Theorie einwandfrei dargelegt hast.

Weidmannsheil
Barry
 
A

anonym

Guest
@ Migo, das siehst du aus der sicht des Spezialistenführers, und daher falsch.
Die Vollgebrauchshunde sehen sich im Laufe ihres Lebens immer wieder in Konfliktsituationen durch konkurrierende Aufgaben.

Einfaches Beispiel: Unser alter Rüde und seine von meiner Schwester geführte Tochter zeigen, wenn sie am Vortag z.B. Sauen gejagt haben, in den Folgetagen gewisse Abneigungen in Sachen Feldarbeit. Bei der Hündin muß da gel. etwas am Erinnerungsvermögen gearbeitet werden, was ich der m.E. zu weichen Führung zuschreibe.
Einfacher ausgedrückt - Bevor die einen Hasen aufnimmt, prüft sie nach, ob nicht evtl. doch etwas zu hetzen in der Nähe ist.
Das ist m.E. auch nicht mit reiner Anlagenförderung zu machen, da muß mit körperlichem Zwang gearbeitet werden.
 
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barry08 schrieb:
@Michael

Freut mich, dass du dir die Zeit genommen hast, diese ausführliche Antwort zu formulieren.

Ich weiß nicht, welchen Hund du führst, aber du könntest fast jeden Hund zu einem guten Jagdhund machen, wenn du in der Praxis das durchstehst, was du in der Theorie einwandfreiF dargelegt hast.

Weidmannsheil
Barry
 
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barry08 schrieb:
Gar keinen.

Wenn man etwas Hirn und Hundeversand hat, geht es bei dieser Rasse komplett ohne Zwang, sondern mit Konsequenz und Arbeitsfreude.

Brauchst du Zwang bei deinen Engländern?

Bei einem guten Hund so gut wie keinen....
Nun stelle ich mir gerade die Frage, warum dann andere "Rassen" soviel Zwang brauchen...? Denke gerade an down-vorwärts und so einen Scheiss.

Sind die Hunde so schlecht? Oder die Führer? Oder die Zucht?

Petra
 
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Terrier wollte ich hier gar nicht ins Spiel bringen.
Aber die Logik sagt mir, dass ein extrem triebstarker Hund Dir auch leichter aus der Hand geht. Und vielleicht andere Maßnahmen der "Verunannehmlichung" desselben benötigt.
 
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frodo schrieb:
Terrier wollte ich hier gar nicht ins Spiel bringen.
Aber die Logik sagt mir, dass ein extrem triebstarker Hund Dir auch leichter aus der Hand geht. Und vielleicht andere Maßnahmen der "Verunannehmlichung" desselben benötigt.
Ist mir schon klar :wink:

Als Vizslaführer wollte ich auch nur eine Erklärung, wie das bei "normalen" Hunden ist und wann man dort von "im Zwangsapport durchgearbeitet" versteht.

WH
Barry
 
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2470

Guest
Wir reden hier von treibstarken Allroundern. Ich habe zwangsapport oben definiert. Es geht weder um rohe Gewalt, noch um starkzwang als Grundlage der Ausbildung. Es geht um Gehorsam beim apport insbesondere bei verleitungen. Also um Absicherung. Das setzt voraus, dass der erfahren muss, dass der Wille des fuheres immer Vorrang hat.

Doc
 
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Dr.Matthias schrieb:
Wir reden hier von treibstarken Allroundern. Ich habe zwangsapport oben definiert. Es geht weder um rohe Gewalt, noch um starkzwang als Grundlage der Ausbildung. Es geht um Gehorsam beim apport insbesondere bei verleitungen. Also um Absicherung. Das setzt voraus, dass der erfahren muss, dass der Wille des fuheres immer Vorrang hat.

Doc

Genau das ist es eigentlich.
Und eigentlich ist es auch Zwangsapport, wenn ich eben konsequenz anwende und dann eben 2 TAge neben dem Hund stehen bleibe bis er aufnimmt. Der Hund muss irgendwie verstehen, dass der Führer am längeren Hebel sitz und kann gleichzeitig lernen, dass das auch für ihn selbst was positives ist wenn er dann eben verrichtung der Aufgabe entsprechend gelobt wird. Aber er kann eben nicht ausweichen...
 
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OK, konsequente Arbeit eben. Bei Zwangsapport und Durcharbeiten klingt zwischen den Zeilen oft unverhohlene Brutalität durch. Gut, dass das ein falscher Eindruck ist...

WH
Barry
 

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