Re: 20 Jahre Mauerfall - Auswirkungen auf das Deutsche Weidw
Ich möchte mich mal zum Rückgang des Niederwildes nach der Wende äußern. Dazusagen möchte ich noch, dass ich zur Wende noch jung an Jahren war, allerdings mit offenen Augen und Ohren durch die Landschaft gestreift bin und unmittelbar nach der Wende als Treiber bei den Hasenjagden mitging. Aus meiner Sicht gibt es folgende Ursachen, warum es mit dem Niederwild bergab ging:
Die neuen Agrargenossenschaften nutzten plötzlich jeden Quadratmeter Boden. Früher wurde bis zu einem Weg oder Graben immer etwas Platz gelassen. Ackern bis zur Graben- und Wegkante gab es praktisch nicht. Hier fand das Niederwild zu jeder Jahreszeit eine Rückzugsmöglichkeit.
Die Arbeitsgeschwindigkeiten und –breiten haben unglaublich zugenommen. Die alten Mähmaschinen hatten eine Arbeitsbreite von 3, höchstens 4 Metern und waren vielleicht ein bisschen schneller als Schrittgeschwindigkeit.
Heute ist es üblich unmittelbar nach der Ernte den Boden umzubrechen. Damals geschah dies erst sehr spät im Jahr. Auf den Stoppeln entwickelte sich eine richtige Hasenapotheke.
Die eingesetzten Herbizide waren bestimmt nicht so wohl dosiert und vielleicht gesundheitsschädlicher als heute, allerdings wurden sie viel seltener angewandt. Dünger wurde sogar mit dem Flugzeug ausgebracht. Unmittelbar vor der Ernte wurde auch nicht mehr gespritzt, deshalb war die Begleitvegetation größer.
Es kann sich heute niemand mehr vorstellen, aber Hackfrüchte machten ihrem Namen alle Ehre. Zucker- und Futterrüben wurden wirklich mit der Hand gehackt und vereinzelt. Wenn die Rüben groß genug waren, wucherte dann das „Unkraut“.
Zur Selbstversorgung der Landbevölkerung durften viele so genannte „Krautsflecker“ nutzen. Das waren kleine Streifen auf denen häufig Kartoffen und Rüben angebaut wurden. Ein Paradies für Hamster und Hase!
Bei einem Preis von 50 Mark pro Marder und bis zu 150 Mark für einen gefangenen Fuchs, zog fast jeder Jäger im Winter zur Fallen- und Baujagd aus. Und das flächendeckend im ganzen Land, sogar die Förster waren dabei.
Inwiefern früher Greifvögel bejagt wurden, weiß ich nicht.
Auch der Freizeitdruck hat unglaublich zugenommen. Während früher jeder auf dem Dorf mit Besorgungen, Garten und all seinen Haustieren zu tun hatte, hatte man schlichtweg keine Zeit um sich in Wald und Flur zu erholen.
Hinzufügen möchte ich noch, dass die Schlaggrößen in den achtziger Jahren bis heute identisch geblieben sind.
Nach der Wende waren die Jäger der festen Überzeugung, dass es jetzt auch mit dem Niederwild bergauf geht. So gesundheitsschädlich wie unsere DDR-Spritzmittel konnten die modernen von „drüben“ unmöglich sein. Anfang der Neunziger pachtete eine „Süßstoff AG“ in einem benachbarten Dorf das Land. Da die neuen Chefs auch Jäger waren, wurden sie natürlich zur Hasenjagd eingeladen. Dort fiel ein Satz, den ich hier sinngemäß wiedergebe: „Wenn wir das Land jetzt bewirtschaften, werdet ihr keine Hasenjagd mehr veranstalten.“ Sie behielten recht…
Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, früher war alles besser. Ich bin heilfroh, dass es sich so vieles geändert hat. Nur mit dem Niederwild und nicht zu vergessen den Hamstern, ging es deutlich bergab.