Der kleine Dialog zwischen Lutz und Alexander betrifft einen Ausschnitt der Gesamtfrage, und wenn ich auf Lutz kurz eingehe, soll das nicht von der eigentlichen Fragestellung ablenken.
Einige Länder haben die Möglichkeit genutzt, den tatsachenoffenen Rechtsbegriff der "Brut- und Setzzeiten", den das BJG ja nicht weiter definiert, landesrechtlich direkt oder indirekt zu umschreiben, teilweise auch als Legaldefinition. Eine ausdrückliche dahingehende Normsetzungsermächtigung an die Länder enthält § 22 Abs. 4 S. 2 BJG dem reinen Wortlaut nach nicht, sie dürfte aus normhierarchischen Gründen (grundsätzliche Landeskompetenz aus Artt. 70 Abs. 1, 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GG) aber auch nicht erforderlich sein.
Wo eine solche nähere normative Bestimmung existiert (z.B. auch in Niedersachsen), kann dann die Frage gestellt werden, wie es sich mit der Erlegung aufzuchtnotwendiger Elterntiere
außerhalb der Brut- und Setzzeiten verhielte. Klar ist, daß dies jagdethisch zu verurteilen ist; ist es aber auch eine Straftat gegen § 38 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 4 S.1 BJG ?
Lutz meint ja, Alexander meint nein.
Die Kommentierungen äußern sich deshalb mehrheitlich nicht zu der Frage, weil sich die Antwort aus dem Gesetz ergibt. Lediglich Meyer-Ravenstein nimmt in seiner Kommentierung zum niedersächsischen Jagdrecht dazu Stellung, freilich mehr adhortativ als juristisch. Er meint zwar:
"Da § 22 Abs. 4 S. 1 BJagdG die Bejagung der zur Aufzucht notwendigen Elternteile generell untersagt und die Länder weder ermächtigt werden, die Brut- und Setzzeiten abschließend festulegen, noch die Schonzeiten ohne besondere Voraussetzungen zu verkürzen (§ 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG), ist Wild auch außerhalb der gesetzlichen Brut- und Setzzeiten dann zu verschonen, wenn es als Tierart oder einzelne Kreatur von dem Schutzzweck erfaßt wird (ao auch Heider, Diss, S. 55). Eine Fähe, die bereits im März "gewölft" hat, darf also auch vor dem 1. April nicht geschossen werden."
Darin wird man, was die Forderung betrifft, gewiß zustimmen können, und Stöberjäger wird seine jagdethischen Bedenken erfreulich klar berücksichtigt wissen; indessen ist davon natürlich zu trennen die Frage, ob das, was man "nicht darf", denn zusätzlich auch strafrechtlich sanktioniert wäre. Die Antwort ist - wie es Alexander schon schrieb - ein klares Nein. Dem steht das strafrechtliche Analogie- und Erweiterungsverbot entgegen, weil eben
nur die Tathandlung
innerhalb der(sc. allgemeinen) Setz- und Brutzeiten pönalisiert ist. Was diese sind, bestimmt sich nach wildbiologischer Kenntnis und, soweit eine Legaldefinition landesrechtlich vorliegt, allein nach dieser.
Man wundere sich übrigens nicht, daß gerade ich hier nun Alexanders Position gegen die Überlegung von Lutz unterstütze: wo er zufällig auch mal recht hat, hat er recht... und
"even a broken watch is right twice a day" .
(Eine separate Antwort an Stöberjägers Anfrage zum Wort "Aufzucht" gibt's später auch noch.)
Weidmannsheil
Carcano