Aktive Pirsch

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Hier mal ein neuer Faden rund um die aktive Pirsch. Wäre schön, wenn er nicht vollgemüllt würde, sondern echte Erlebnisse geschildert werden. Idealerweise auch mit Praxisnutzen. Post mit "Waidmannsheil" unnötig, Like ist aussagekräftig...

Vorgestern Aufbruch um 05h. Es gilt einem hochkapitalen Rehbock, den ich weit oben zweimal kurz in Anblick bekam. Doppelt lauscherhohe, bis oben hin dickstangig, enge Körbchenform, massiver Körper. Im Vergleich zu den anderen 24 cm hoch aufhabenden erlegten Böcken, sollte er 25 cm auf haben.
Es ist weit, gut dreieinhalb Stunden Marsch und 300 Höhenmeter gilt es zurückzulegen, schnaufend schaffe ich mich hoch. Unterwegs kreuzen wir eine starke einzelne Sau, allseitige Überraschung, Wuff und weg...

Die erste Etappe bei einem Ansitz am Felshang ( BIld 1)erbringt nur den Anblick zweier junger Gamsböcke,
Dann pirsche ich den Vormittag in einem Tannenwald auf einem uralten, etliche Jahrzehnte nicht mehr genutztem, nur mit Mühe in den zahlreichen Wildwechseln zu findendem Hirtenpfad entlang
Alle fünfhundert Meter Pause und eine gut zehnminütige Blattarie erschallt. Ich genieße die erwartungsvolle Spannung dabei, der Blick schweift durch den naturbelassenen - wie verwunschenen - Wald, moosbedeckte alte, krumme und gerade Tannen, reichlich Totholz bieten Abwechslung. Immer wieder zum DJT geblickt - der würde mir einen sich nähernden Rehbock sehr früh verweisen.
Schöne Zeitspannen - aber ohne Anblick, einmal zeigt der Hund Wild an, aber nix erscheint im Blickfeld - Sauen?
Um 12h30 erreiche ich den Zielpunkt. Hier habe ich von einem bewaldeten Hang aus Blick über den schmalen, aber stark rauschenden Wildbach in den mit Ginster dicht bedeckten Gegenhang. In diesem zog der begehrenswerte Rehbock, Jedes Mal reichte die Zeitspanne nicht zum Schuß.
Ich bin müde und befestige die Hängematte. Aus ihr habe ich gemütlich Blick auf den Hang, mir fallen aber umgehend die Augen zu. Egal, Hündchen ist unermüdlicher als ich und paßt auf!
Um 14h wache ich auf und überlege, ob es nicht sinnvoller ist, bei dem aufziehenden Gewitter einen schnellen Heimweg anzutreten - da macht der DJT mich durch Unruhe aufmerksam, ich schaue in die Richtung, die sie fixiert: Kruzitürken da steht "mein" Bock auf 155 m unter einer Kiefer, tiefrot gegen das Baumgrün erscheinend, prahlt er wie ein kleiner Rothirsch.
Das Gewehr ist griffbereit, vorsichtig gehe ich in sehr erschwerten Anschlag - aber der rote Geist ist schon wieder verschwunden.
Hat er sich umgebettet - oder ist er verdeckt im hüfthohen Ginster weiter gewechselt ????

Behutsam packe ich zusammen und pirsche 50 Meter weiter mit besserem Ausblick auf den ganzen Hang. Nun heißt es laaange bis zur Abenddämmerung auszuharren.

Die Zeit vergeht, ich fixiere die Kiefer, unter der hoffentlich der Bock ruht. Zwischen uns rauscht der Wildbach, das Gelände fällt sehr steil zu ihm ab.
Plötzlich wird der DJT unruhig und konzentriert sich talauf. "Was ist los?"
Nach quälenden zehn Minuten höre ich einen Stein poltern und später Sauen grunzen und quieken. Eine Bache mit Frischlingen?
Hündchen ist mehr als aufgeregt, muß der kleinen Prinzessin gut zureden - und mit Kopfnuß energisch unterstützen.

Dann tauchen unter uns auf 30 m zwei propere Überläuferkeiler auf, die intensiv den Hang unterminieren, dicke Steine aus dem Boden hebeln, Buddeln wie die Weltmeister und mit sichtlichem Behagen daumendicke fleischige Wurzeln freilegen und verspeisen.
So eine Bergwutz wäre ein Leckerbissen für uns - aber der starke Rehbock zählt mehr...

Dann erscheint die Überläuferbache - oh je, schwer gezeichnet durch die Frischlingsträchtigkeit: Die Flanken nur ledrige Schwarte, jede Rippe zeichnet sich ab. Frischlinge kann ich nicht erkennen, aber es quiekt unter mir.
So vergehen drei Stunden kurzweilig - jedenfalls für mich - der DJT leidet Höllenqualen, das Herz rast die ganze Zeit.

Schließlich wird es dämmrig - kein Rehbock - der muß überriegelt durchgezogen sein.
Also - hoffentlich - auf Wiedersehen, 2022-08-04 Überläuferkeiler frißt Wurzel 2 MP.JPG2022-08-04 Überläuferkeiler frißt Wurzel 2 MP.JPGnun schwieriger Heimweg im Dunkeln, um Mitternacht erreichen wir das Haus. Uff, welch ein Tag...

2019-07-10 Piroudoun 2MP.jpg2022-08-04 Les ht alles im Blick 2 MP.jpg2022-08-04 Caret Blick von Hängematte talauf 2 MP.jpg

2022-08-04 Überläuferkeiler buddelt nach Wurzeln 2 MP.JPG2022-08-04 zwei Überläuferkeiler 2 MP.JPG
 

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Fortsetzung "Der Alte vom Berg"
Nach der dritten "Expedition" waren andere, nahe Revierteile dran. Aber der Anblick dieses prahlenden Rehbocks saß tief in der Erinnerung. Vor Ende der Blattzeit mußte ich es unbedingt noch auf ihn versuchen. Danach wäre eine Begegnung in dem unübersichtlichem Gelände ein reiner "Glücksfall".
Also Mitte August der vierte Versuch. Wieder - mitten in der Nacht - um drei Uhr Aufstehen und Aufbruch um 03h30. Es ist kühl, ziehe vorsichtshalber sogar eine lange Brynje Netz-Unterhose an, der Tag kann da oben in Hängematte und Ansitz lang werden!

Da gestern nur leichte Arbeiten in Haus und Garten anstanden, bin ich gut in Form und stapfe zügig hangauf. 300 Höhenmeter müssen ja bewältigt werden. Rucksack mit Gewehr drin, etc. wiegen 13 kg, DJT ist am soliden Ledergürtel festgemacht. Wenn die Dame hangauf zieht, ist es fein - aber leider verlocken zu viele Querfährten sie, nach links oder rechts zu schnüffeln...

Prima, ich bin bei erster Morgendämmerung weit oben und erreiche den uralten, seit vielen Dezennien nicht mehr benutzten Hirtenpfad, räume Steine beiseite und markiere in kurzen Sichtdistanzen mit 1x1 cm Reflexfolie in den Bäumen den Rückweg – der wird ev. in der Nacht und hoffentlich schwerbeladen sein.
2022-08-18 uralter Hirtenpfad jetzt Wildwechsel Caret  2 MP.jpg

2022-08-18 Chaotischer Wald Problem wenn man da den Wildwechsel o Hirtenpfad nachts verliert  ...jpg

Der Wald erlaubt gelegentlich sehr eingeschränkte Einblicke auf den rechts über den Wildbach liegenden Ginster-Felsenhang - ich glase jeweils schnell ab - kein Anblick.

Nach dreieinhalb Stunden habe ich die markante von links kommende Schlucht mit Bächlein erreicht, Wasser in die Trinkflasche geschöpft und bin kurz vor dem geplanten Ansitzplatz.
Nun pirsche ich ganz vorsichtig im Rhododendron weiter, hier und da allzu störende Zweige mit der Fiskars Astschere weg schneidend, Hündchen Lea muß ganz kurz an straffer Leine laufen.
Gut, bin ohne Störung an dem stark genutzten, den Bach querenden Wildwechsel angekommen. Von hier habe ich relativ guten Ausblick auf den Gegenhang. Dichter, hüfthoher Ginster allerorten, aber hier und da eine Lücke mit Äsung.
Beim letzten Ansitz hier hatte ich den Rhododendron halbkreisförmig ausgeschnitten, mache es mir in der Ausbuchtung gemütlich, Lea äugt ununterbrochen hangauf.

Die "Bühne" ist leer - das will aber nicht viel sagen, der Ginster verdeckt das Wild.
So sitze ich auf dem Boden - der Rucksack dient als Rückenlehne - und sinniere vor mich hin, glase immer wieder die vielversprechenden Ecken - Wildwechsel, Äsungsflecken - ab, genieße den Morgen, der Wildbach unter mir ist klein, aber rauscht und gurgelt stark in seinem Lauf über die Felsen.
2022-08-04 Caret Blick von Hängematte talauf 2 MP.jpg

Plötzlich wird der Hund auf dem Schoß unruhig, fixiert einen Punkt, ich schaue schnell hoch:
Ups, da steht auf 140 m neben zwei Kiefern ein rotes Reh. Das Glas zeigt blitzende, hohe Stangen – „mein“ Rehbock.
Uff, der prahlt wieder; hoch blitzen helle, weit vereckte Stangen, knallrote Decke, ein Rehbock aus dem Bilderbuch - jetzt schlägt nicht nur das kleine Hundeherz von Lea schneller!

Ich richte mich zügig mit dem bereitstehenden HEP Carbon Zielstock ein, und als das dünne Fadenkreuz fest auf dem Blatt des schräg stehenden Bock steht, lasse ich aus der Merkel K 5 die .270 Winchester mit dem Barnes TTSX 130 grn Geschoß fliegen.
Im Schuß satter Kugelschlag, der Bock ist schlagartig verschwunden – der muß liegen. Der Knall war dank Hausken 224 xtrem gering.
Schnell kippe ich ab und lade nach, nun heißt es, Geduld aufbringen und warten.

Donnerwetter, keine fünf Minuten später wechselt 50 m über dem Anschuß ein weiterer guter Sechser Rehbock durch. Allerdings bei weitem nicht so hoch aufhabend – ob er jung ist?

Ich blatte eine Fiep-Arie, er verhofft mehrfach auf 200 und 250 m und äugt herunter, kommt aber nicht. Respekt vor dem Platzbock? Er weiß ja nicht, daß der soeben seinen Platz räumen mußte… Es juckt mich schon, ihn auch zu strecken – aber zwei Böcke von hier oben bergen – oh je – nee.

Vorsichtshalber warte ich weiter und frühstücke in Ruhe und voller Freude, daß ich den Kapitalen im vierten Anlauf erlegen konnte.
Immer wieder suche ich mit dem Fernglas den Ginster ab – da, er wackelt – meine Güte, ist der Bock nur gekrellt???

Nein, seine Ricke äst ruhig 20 m höher. Erstaunlich, wie gering die Störung durch den Schuß mit dem Schalldämpfer ist. Sicher hat der rauschend-gurgelnde kleine Bach zwischen uns als Geräuschkulisse Anteil an dem ungestörten Verhalten der Ricke.

O je, der Ginster wackelt näher am Anschuß. Bin ich doch nicht sauber abgekommen?? Im Anschlag schußbereit, beobachte ich die fragliche Stelle - nach einigen Minuten erscheint in einer Ginsterlücke ein Murmeltier, ein starker Bär auf Wanderschaft!
Befreit lache ich auf und vespere genüßlich mein frugales Frühstück - 250 ml ungezuckerte <Kondensmilch mit einigen Scheiben hart getrocknetem Vollkornbrot, ein Feigenbrot - das gibt Kraft - ich werde sie hoffentlich brauchen.

Lange genug gewartet, nun aber nix wie hoch zum Bock, der DJT kanns ebenfalls kaum erwarten und ist seit dem Schuß völlig hippeli, zappelt auf dem Schoß herum.
Mühsam kämpfe ich mich den steilen Hang durch das hüfthohe Ginstergestrüpp und suche hin und her. Der Hund ist angeleint, zu hoch ist die Gefahr, daß sie zuerst auf die Fährte der Ricke gerät und diese hetzt.

Ich orientiere mich an den wenigen Kiefern, nun kann es nicht weit sein. Ja, der Hund springt in den Riemen und zieht zu einem dichten Busch.
GUT: Der Bock liegt am Anschuß – 20 m höher als in dem schwer zugänglichen Ginster geschätzt.
Voller Freude betrachte ich dieses prachtvolle Exemplar. Er prahlte mit echtem Gehörn: 24,5 und 25 cm lange Stangen, ein lang vereckter Sechser - und dazu noch deutlich alt mit tief ausgeschliffenen Backenzähnen.
2022-08-Rehbock Haupt links.jpg

2022-08-Rehbock 2 MP.jpg

Die von unten her ausgemachte knallrote Farbe trügte, an den Flanken schimmert noch graues Haar, also alt ist er in jedem Fall - und seine hervorragenden Gene hat er sicherlich schon in dieser Brunft weiter gegeben, fein!

Ziehe ihn 50 m hangab unter Bäume in Schatten, hänge ihn mit viel Mühe am Haupt auf, schlage ihn aus der Decke und zerlege ihn, er hat nur andeutungsweise Feist.
Endlich ist es geschafft, alles Wildbret, Lunge, Haupt im Rucksack.
Nun kommt mir der Klappschaft an der K 5 wieder zugute - das handliche Gewehr wird quer vor der Brust in die aufgenähten Schlaufen der Brustgurte des Rucksacks eingehängt. So zieht es etwas das Gewicht des nun sauschweren Rucksacks nach vorn und behindert nicht durch Busch und Wald.
Uff, gaaanz langsam und vorsichtig stapfe ich die lange Strecke heimwärts, segne den stabilen Zielstock und den langen Haselnußstecken, die mir die Balance im oft chaotischen Boden gewähren.
Nix drängt mich jetzt, hier und da mache ich Pause, wenn ein Fels oder Baum das Absetzen des schweren Rucksacks in Hüfthöhe erlauben, genieße die ursprüngliche Landschaft, lasse in Gedanken die vergangenen Pirschen auf den Alten vorbeifließen und freue mich meines Jägerdaseins.
2022-08-08 Naturbelassener Wald Tannenzwilling  2 MP.jpg

Am Spätnachmittag bin ich ziemlich K.O. daheim. Welch schöne Pirsch, die hat sich tief in die Erinnerung eingegraben.
Nun säge ich den Schädel durch, brutzele mir das Hirn, wässere Wildbret und Haupt und nix wie ins Bett zu einer herrlichen Siesta.
Später bestätigt sich beim Abkochen die Schätzung des hohen Alters: Backenzähne im Vergleich zu den anderen hiesigen Rehböcken stark abgeschliffen, Stirnnaht verschmolzen UND vor allem die Nasenscheidewand bis ganz vorn verknöchert!

2022 Altersbestimmung Rehbock IX  2 MP.jpg
 
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22 Dez 2004
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Toll wenn man so jagen gehen kann. Ein herzliches Waidmannsheil und danke für die schöne Erzählung.
 
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Waidmannsheil. Mein Neid sei dir Gewiss. So jagen dürfen ist schon was ganz feines!!!
 
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26 Okt 2005
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Sehr schöner Bericht. Wobei der Bock eher wie 35 cm als wie 25 cm aussieht.
 
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12 Nov 2014
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Eigentlich könnte man den Faden auch in Doc-Holiday Erlebnisberichte umbenennen. Bei den geschilderten Erlebnissen hat kaum einer noch Lust, mit eigenen Geschichten zum Thema "aktive Pirsch" zum besten zu geben. Die Berichte sind voll von Erlebnissen, tollen Bildern und jagdlichen Highlights (kapitalen und reifen Trophäen), da ist das allermeiste von dem was ich als "mein erfülltes Jagdleben" bezeichnen würde nur ein Schatten von Deinen Erlebnissen.
Von daher: Mein Neid sei Dir gewiss! (im positiven). Von daher: jag bitte weiter so und lass uns gelegentlich daran teilhaben. Bitte!
 

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