Ok, kann man denn sagen, dass dieser Effekt neben allen anderen zu vernachlässigen ist?
Vernachlässigen kann man diesen Effekt nicht, denn ich würde sagen, dass dies der Löwenanteil des Impulses bzw. des Rückstoßes ist.
Das Integral in der obigen Formel ist der Impuls bei Mündungsdurchgang, der durch die Beschleunigung des Geschosses entsteht. Die Beschleunigung der Gase bis zur Mündung ist noch nicht berücksichtigt, auch der Nachwirkimpuls ist nicht berücksichtigt. Dennoch, denke ich, lohnt sich das tiefere Verständnis der physikalischen Zusammenhänge, um ein besseres Gefühl für die Abläufe zu bekommen.
In den gängigsten Modellen zur ermittlung des Rückstoßes findet das keine Beachtung.
Das ist richtig. Der Grund dafür ist die viel einfachere Berechnung. Weiß man die Geschossgeschwindigkeit an der Mündung und die Geschossmasse, kann man sich die Ermittlung der Druckfunktion und das Integrieren sparen. An der Mündung ist sozusagen bereits alles integriert.
Bei den meisten Modellen findet aber auch der nach vorne gerichtete Gasdruck an der Mündung auch keine Rolle.
Die meisten Modelle nehmen an, dass beim Mündungsdurchgang ungefähr die Hälfte der Pulvermasse mit dem Geschoss beschleunigt wurde. Dies lässt sich durch Messungen in empirischen Versuchen annähernd aus den Druckunterschied entlang des Laufes berechnen.
Der Nachwirkimpuls ergibt sich aus dem Impuls der ausströmenden Gase, nachdem das Geschoss die Mündung bereits verlassen hat.
Bei der Berechnung wird die mittlere Mündungs-Strömungsgeschwindigkeit der Pulvergase berücksichtigt (diese wiederum ist abhängig von der mittleren Schallgeschwindigkeit der Pulvergase). Auch muss berücksichtigt werden, dass die Hälfte der Pulvergase bereits in dem Impuls bei Mündungsdurchgang enthalten ist.
Wäre da nicht der Durchmesser des Stoßbodens aussagekräftiger als das Kaliber?
Nein, es werden nur die Kräfte berücksichtigt, die irgendeine Masse in Richtung Mündung beschleunigen. Mit anderen Worten: Würde im Lauf, trotz Abbrand des Pulvers, das Geschoss nicht beschleunigt, würde es im Inneren zwar zu einem immensen Druckanstieg kommen, der, obwohl er den Stoßboden extrem belasten würde und angenommen die Waffe hält dem Druck stand, sich nach außen gar nicht fortpflanzen oder sichtbar werden würde.
Und um das zu verstehen, ist es wichtig, ein Gefühl für die wirkenden Kräfte, die in der Formel des Impulses p=m*v nicht sofort sichtbar sind, zu bekommen. Denn es sind letztlich Kräfte, die über eine gewisse Zeit auf ein Objekt einwirken, und, indem sie es bewegen, letztlich den Impuls verursachen. Die Formel p = m*v ist nur das Endprodukt dieser Wirkung, die aber über den Verlauf keine Aussage macht.