Nachdem ich hier jetzt viel mitgelesen habe, mal mein Standpunkt:
Jagd generell hat sich an § 1 II BJagdG zu orientieren. Hier ist zwar nur die Hege direkt angesprochen, aber das umfasst ja auch die Hege mit der Büchse - da sind wir uns alle einig, denke ich. Je nach hier vetretenem „Lager“ unterscheidet sich da lediglich die Wildart (Sauen, Reh, Raubwild). Diese haben alle eines gemeinsam: Es sind Kulturfolger. Ohne eine Regulierung durch den Menschen, wie auch immer die aussieht, regeln sich die Bestände nicht so schnell von selbst. Wenn “die Natur das selbst regelt“, dann indem die Tiere meist qualvoll an einer Wildkrankheit verrecken. Bis dahin richten sie jedoch einen immensen Schaden an - sei es an den Kulturflüchtern (z.B. Niederwild) oder eben an der Landschaft (Knospen beißen/Mais vernichten, etc.). Das alles gilt es ebenso nach § 1 II BJagdG zu vermeiden. Und auch hier stimmen wir alle noch überein, denke ich.
Es kommt hier jetzt zu Problemen, wenn die unterschiedlichen Lager das Augenmerk nicht auf die Gemeinsamkeiten legen. Ich weiß, Jäger sind ein ultraindividuelles Völkchen und keine von uns Schneeflocken gleicht der anderen. Aber in der Gesamtheit sind wir halt auch nur ein Haufen gefrorenes Wasser, der irgendwann unweigerlich brauner Matsch und dann wieder Wasser wird (ganz tolle Metapher hier auch für das Leben und den Kreislauf der Natur, weil wir ja alle zünftige Naturburschen sind). Für uns günstiges Wetter können wir beten, aber in der Hand haben wir das nicht so wirklich. Aber was wir bis dahin aus uns machen liegt an uns. Kann ein liebloser Haufen am Straßenrand sein oder ein Schneemann, an dem sich die ganze Nachbarschaft erfreut. Dafür braucht es aber uns als Gesamtheit.
Wenn der Förster sich beschwert, dass im (Feld)Revier nebenan der Rehzoo floriert und ihm das die Arbeit erschwert, dann ist sein Einwand berechtigt.
Wenn der Feldjäger sich beschwert, dass er den Sauen kaum Herr wird und im Forst nebenan keine Schweine auf Einzeljagd erlegt werden und sich auch nicht an der DJ beteiligt wird, dann ist hier eine Beschwerde ebenso angebracht. Gleiches, wenn die Straffe Raubzeug/-wildbejagung vom Forst nicht unterstützt wird und es den letzten Rebhühnern im Feld damit unerträglich erschwert wird.
Alles berechtigt. Gleichzeitig muss man als Jägerschaft (inkl. Förstern) auch zugeben, dass a) die Jagd nur bis zu einer gewissen Grenze zur Erreichung der gesetzten Ziele dienen kann (Stichwort Maiswüste z.B.) und b) Reduktion nicht
immer das einzige oder gar Allheilmittel ist, auch wenn sie m.M.n. die wichtigste Schraube ist an der wir drehen können.
Wir werden nicht umhin kommen uns alle an einen Tisch zu setzen und eine ganz prinzipielle Lösung und Rahmenbedingungen aufzustellen. Dazu gehört auch der ehrliche Umgang mit der persönlichen Motivation zur Jagd und den dabei unweigerlich auftretenden positiven Nebeneffekten für die Gesamtheit der Gesellschaft, also der allgemeinen Notwendigkeit der Jagd. Und genau hier muss das Framing ansetzen. Die persönliche Motivation lasse ich mal außen vor, das würde hier den Rahmen sprengen.
Aber was soll das „Ziel“ der Forstwirtschaft sein? Klimawandel bekämpfen, wie es aus der Politik im Zusammenhang mit „Wald vor Wild“ immer angeführt wird? Oder doch eher eine wirtschaftliche Motivation des Holzes wegen? Beides sind an sich erst mal legitime Punkte. Aber auch hier ist eine Maximaldezimierung kein Allheilmittel und es sind alternative Wege (zusätzlich) möglich. Und dass die „heutige“ Bewirtschaftung der Kulturlandschaft in Feld und Wald die Wildpopulationen erst möglich machen, darf nicht kommentarlos unter den Tisch fallen.
Was soll das „Ziel“ der Feldjäger sein? SW-Reduktion zur Verhinderung von Wildschäden/ASP und Raubwildreduktion zur Erhaltung des Niederwildes? Beides auch an sich legitime Punkte. Bzgl. Raubwild ist auch hier kompletter Radikalabschuss nicht das Allheilmittel (außer bei Neozoen), sondern nur wichtigste Schraube - und die einzige, die in Jägerhand ist. Dass die moderne Landwirtschaft einen guten Beitrag zum Rückgang des Niederwildes und der Sauenschwemme geleistet hat, ist jedoch auch Fakt und darf nicht kommentarlos hinten runter fallen.
Wenn man dann noch zugibt, dass es selbst bei der Reduktion nicht DAS Allheilmittel gibt (z.B. DJ auf Sauen), dann ist man noch einen Schritt weiter. Wie
@Mohawk richtig geschrieben hat, lässt sich da nicht allzusehr verallgemeinern und es muss örtlich geschaut werden, was die beste Strategie vor Ort ist.
Und wenn man dann einfach mal ehrlich zu sich selbst ist und über den Tellerrand hinausblickt, dann merkt man, dass man auf der Metaebene deutlich mehr Gemeinsamkeiten hat, als man denkt. Denn jeder ist selbst nur ein kleines Rad im Getriebe und die generelle Richtung wird von wo anders bestimmt. Wie
@Skogman richtig sagte, sollte man sich nicht in die Hose pinkeln, damit einem kurz warm wird. So lange sich eine Seite quasi nur (der derzeitigen Politik) anbiedert, sich von der anderen Seite abgrenzt und man die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, ist es aber genau das. Die andere Seite, also „Fraktion Lodenjockel“ sollte sich jedoch auch nicht selbst komplett ausgrenzen und sich damit auch von vornherein von jeglicher Deutungshoheit ausschließen.
Noch mal als Metapher: Wir sitzen nicht alle im selben Boot, aber wir sind im selben Sturm. Man kann sich natürlich ein kleines Bisschen freuen, wenn das Boot des Nachbarn eine halbe Stunde eher untergeht als das eigene. Und man kann ganz stolz früher untergehen, weil man „mit den anderen da“ nichts zu tun haben will. Oder man verbindet beide Boote zu einem Katamaran und es kommen möglichst viele Passagiere heil raus.
Das war jetzt alles ganz doll meta, konkrete Vorschläge habe ich natürlich auch, aber das könnte das gegenseitige an die Gurgel gehen behindern, also lassen wir das hier mal besser.