Bergrauf, bergrunter, halt immer drunter????

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Für ein (sagen wir als Beispiel der Einfachheit halber Fleck auf 100 m) eingeschossenes Gewehr stehen folgende Faktoren unumstößlich fest:
Der Winkel zwischen der Visierlinie = die Sehachse der Zieloptik auf den Zielpunkt und der (je nach Gewehrtyp montagebedingt ca. 4 cm bei der einläufigen Waffe und bis zu ca. 7,5 cm bei einem Bockdrilling) tiefer liegenden Seelenachse bleibt stets unverändert, gleichgültig ob ein Schuss horizontal, bergauf oder bergab abgegeben wird. Nur der Auftreffwinkel der Flugbahn der Kugel ändert sich bei einer senkrecht stehenden Zielfläche, je nachdem ob beispielsweise eine Gams in einer horizontal 100 m entfernten senkrechten Felswand oder in derselben Wand beispielsweise 50 m höher oder 50 m tiefer steht.

Bei einem auf 100 m Fleck eingeschossenen Gewehr und bei Verwendung von immer der gleichen Patrone und mit immer dem gleichen Geschoss ist der Gasdruck, um das Geschoss aus dem Lauf in die Flugbahn in Richtung des horizontal 100 m entfernten Ziels zu katapultieren, also in Bewegungsenergie umzuwandeln, ebenfalls stets gleich: die Bewegungsenergie X.

Diese Bewegungsenergie X wird gebraucht bzw. verbraucht, um drei Faktoren zu begegnen:
  1. Der Entfernung von horizontal 100 m,
bzw. dann, wenn die Gams z.B. 50 m weiter oben in der senkrechten Wand steht, nach der Pythagoras’schen Formel 100² x 50² = √12500 =111,8 m Entfernung, bzw. die gleiche Entfernung, wenn die Gams z.B. 50 m weiter unten in der senkrechten Wand steht,
  1. dem Luftwiderstand auf horizontal 100 m, bzw. bergauf 111,8 m oder bergab ebenfalls 111,8 m, und schließlich
  2. der Schwerkraft.
(Anm.: Die Abweichungen der Auftreffenergie E 100 zu E 111,8 bergauf oder zu E 111,8 bergab sind vernachlässigbar!)

Bei einem Horizontalschuss mit dem auf 100 m Fleck eingeschossenen Gewehr trifft das Geschoss "Fleck" in einem Winkel von 90° auf den anvisierten Zielpunkt/Fadenkreuz auf. Es ist der Schnittpunkt bzw. Berührungspunkt von Visierlinie und Flugbahn.

Die Schwerkraft wirkt sich im Vergleich zum Horizontalschuss auf den Verbrauch der Bewegungsenergie X bergauf anders aus als bergab: Bergauf muss die Kugel 50 Höhenmeter gegen die Schwerkraft überwinden und zusätzlich 11,8 mehr Entfernungsmeter zurücklegen, sie wird insgesamt langsamer, die Schwerkraft hat noch mehr Zeit, um die Kugel runterzuziehen. Das Geschoss braucht länger, bis es an dem 111,8 m entfernten und 50 m höher gelegenen Ziel auftrifft. Bei einem Schuss bergauf sind es der erhöhte Verbrauch der vorhandenen Bewegungsenergie X gegen die nach unten ziehende Schwerkraft plus den 11,8 m längeren Luftwiderstand, die die Trefferlage verändern. Der Treffpunkt wird unter dem anvisierten Zielpunkt/Fadenkreuz liegen. Warum soll man da wissentlich noch drunter halten?

Bei dem Schuss bergab ist es etwas anders. Die Kugel ist schneller am Ziel, die Flugbahn wesentlich gestreckter. Die abwärts gerichtete Bewegungsenergie der Kugel unterstützt gewissermaßen die Abwärtsrichtung der Schwerkraft. Im Verhältnis zur abwärts gerichteten Visierlinie nähert sich die Flugbahn der Kugel jener in einem viel flacheren Winkel, wird sie aber keinesfalls nach bereits 111,8 Entfernungsmetern erreichen, allenfalls in einer gedachten Verlängerung der Visierlinie, möglicherweise sogar nie. Die Trefferlage auf der Wand wird nach unten also - je nach Gewehrtyp nicht ganz, aber fast 4 bis 7, 5 cm unter dem Fadenkreuz liegen. Und wenn die Schussentfernung nur 50 m oder gar nur 30 m beträgt, da ist ein Unterschießen vorprogrammiert, da gibt es günstigstenfalls nur etwas Schnitthaar von der Bauchdecke. Bei einem auf 4 cm hoch eingeschossenen Gewehr sind diese Effekte nur abgemildert, aber nicht aufgehoben.

In all diesen Fällen stellt sich wirklich die Frage, ob die bekannte Faustregel „Bergrauf und Bergrunter, halt immer drunter“ wirklich stimmt. Mit meinen eigenen Erfahrungen stimmt sie jedenfalls nicht überein.
 
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Aus eigener Erfahrung bestätige ich - Berg runter, auf keinen Fall drunter sondern je nach Entfernung ein paar gute cm drüber!
 
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TS neuer Ballistiker mit Erstbeitrag :oops:

Der Extremfall: Man möge sich einen Schuss senkrecht nach unten vorstellen, dann schlägt die Kugel bei waagerechtem 100m-Fleckschuss auf 100m um die 8cm und auf 200 um die 20cm "höher" ein. Je nach nach tatsächlicher Schussweite und Winkel liegen die TPL entsprechend höher oder tiefer. (BC, QB und ähnliche Faktoren mal unbeachtet)
Bei Nahschüssen bis zum 1. Fleckschuss spielt das allerdings keine Rolle.
Was "Bergrunter" angeht, werden die Winkel von Schrägschüsse zu stark "gefühlt".
Wer QL hat, kann da etwas rumspielen.
Auf eine plane Scheibe stellt sich das allerdings anders dar als auf einen hochovalen Wildkörper, wo der Geschossweg zu berücksichtigen ist.

Erlaubt sei die Frage, wie groß die Erfahrungen in der jagdlichen Praxis sind.
 
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hallo. Die Schwerkraft wirkt immer senkrecht auf einen Körper!!! Physik Teil1. Die Wegstrecke zur Senkechten wird beim Bergaufschuss zwar länger aber die Strecke zur senkrecht wirkenden Schwerkraft auf das Geschoß verkürzt sich. Insofern fällt das Geschoß weniger tief ab, es gibt resultierend mehr Hochschuss deswegen und auch wegen dreiminensional im Wildkörper muss man tiefer ins Stück halten. Zur Treffpunktermittlung mit Geschoßabfall zählt der Weg vom Winkelschuss vergleichbar der Geraden. Kauft euch das Video von Blaser "bergazuf,begrab..." dazu. Alles haarklein in Bild und Ton vorgetragen und auch weshalb und warum!!
Oder schaut hier: http://www.jagdwirt.at/DesktopModules/ContentList/Uploads/AA_Schuss im Gebirge_Lenhardt.pdf
 
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Aus eigener Erfahrung bestätige ich - Berg runter, auf keinen Fall drunter sondern je nach Entfernung ein paar gute cm drüber!

Auch nicht immer , es ist sehr abhängig von der Patrone und auch der Höhe da solche Schüsse überwiegend in Gebirgsregionen abgegeben werden.

Am bestens testet man so was mit der Büchse die man einsetzen will. Der Rest ist Theorie mit vielen Unsicherheitsfaktoren.
 
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Nach meiner Erfahrung kommt der meiste Fehler, durch fehlendes räumliches Denken. Die Gams oder Rehbock ist keine flache Papierscheibe. Ist weniger wichtig wo die Kugel einschlägt, sondern welchen weg die durch den Körper macht. Bei normalen Winkel und Entfernungen hab ich noch keine großen Abweichungen gehabt. Schieß jedoch die meisten Gams unter 150m und extreme Winkel kommen meist auch nicht vor.
Ansonsten lautet meine Empfehlung, halte stets drunter. Und bei Berg runter etwas weniger.

Aber Leute der tödliche Bereich hat gute 10cm im Durchmesser. So das ganze als Körper vorgestellt. Da ist es sch….egal ob die Abweichung durch Luftdruck und Winkel 2-3cm aus machen. Wennst vorher gut im Ziel warst, dann liegt se auch.
Schaut euch lieber vor dem Schuß noch an, wo der Gams steht und wo er hinfallen könnte. Meist wird nur noch durch ZF geschaut und das Gelände außer acht gelassen.

Robert
 
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TS neuer Ballistiker mit Erstbeitrag :oops:

Der Extremfall: Man möge sich einen Schuss senkrecht nach unten vorstellen, dann schlägt die Kugel bei waagerechtem 100m-Fleckschuss auf 100m um die 8cm und auf 200 um die 20cm "höher" ein. Je nach nach tatsächlicher Schussweite und Winkel liegen die TPL entsprechend höher oder tiefer. (BC, QB und ähnliche Faktoren mal unbeachtet)
Bei Nahschüssen bis zum 1. Fleckschuss spielt das allerdings keine Rolle.
Was "Bergrunter" angeht, werden die Winkel von Schrägschüsse zu stark "gefühlt".
Wer QL hat, kann da etwas rumspielen.
Auf eine plane Scheibe stellt sich das allerdings anders dar als auf einen hochovalen Wildkörper, wo der Geschossweg zu berücksichtigen ist.

Erlaubt sei die Frage, wie groß die Erfahrungen in der jagdlichen Praxis sind.

Bitte, was bedeuten die Abkürzungen TPL, BC, QB und QL?
 

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