Die erste Gams

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6 Jun 2006
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Nach vielen Anfragen und leider auch ebenso vielen Absagen wurde es mir letzten Endes doch noch ermöglicht, während meines Praxissemesters auf Gams zu jagen. Einer der Revierleiter, mit denen ich unterwegs bin, hatte sich für mich eingesetzt, und so bekam ich vor guten zwei Wochen die Nachricht, ich solle mich doch mal mit dem Berufsjäger, wir nennen ihn jetzt einfach Markus, in Verbindung setzen.

Die Freude war natürlich riesig und so klingelte bald darauf bei Markus das Telefon. „Diese Woche geht´s bei mir nicht, wie siehts nächste Woche am Mittwoch aus?“ Überstunden hatte ich noch genug, dem Vorhaben stand also nichts im Wege.

Die Woche wollte und wollte nicht vergehen, dennoch kam irgendwann das Wochenende und ich ging nochmal auf den Schießstand um die Büchse zu kontrollieren. Wie ich es wollte schoss die Mauser auf 100m 4cm hoch. Der Ballistik-Rechner von Sako prophezeite Fleck bei 170m, bei 200m 4cm tief. Na prima!

Irgendwann wurde es dann tatsächlich auch Mittwoch, und der Morgen ging schnell vorüber. Der Himmel war klar und es hatte angenehme 15°C. Wie immer bei solchen Terminen stand ich gestern fast eine viertel Stunde zu früh bei Markus vor der Tür.

Unser Ziel heute war der Breitenberg. Hier hatte Markus in letzter Zeit sehr wenig gejagt, folglich hatten wir gute Chancen. Ich wollte einen Jährling erlegen und, wenn möglich, mitsamt dem Fleisch kaufen. Das war meiner Studentenkasse am ehesten zumutbar.

Wir parkten das Auto an einer Berghütte. Eine knappe halbe Stunde entfernt ragte die Felswand aus der Almfläche, da mussten wir hin. Auf dem Weg über die Almen standen bereits einige frische Rotwildfährten im Boden. Bald standen wir vor der Felswand. Diese zog sich nach rechts weiter, linkerhand befand sich eine Art Kessel von Schätzungsweise 6-700m Durchmesser. Wir folgten der Wand nach rechts. Die Tatsache, dass wir auf der Schattenseite pirschten, machte mich erst etwas stutzig. Markus erklärte mir aber, dass die Gams, sobald sie in der Winterdecke sind, die Sonne eher meiden.

Als wir uns noch einmal umdrehten setzte Markus plötzlich das Glas an die Augen. Er hatte im Kessel, der inzwischen schon ein gutes Stück entfernt war, eine Bewegung gesehen. Mir als Flachlandtiroler war natürlich nichts aufgefallen, Markus aber hatte die zwei Gams, die sich auf einer Geröllhalde niedergetan hatten, längst im Glas. Nach einer kleinen Einweisung hatte auch ich sie gefunden. Nun schlugen wir doch die andere Richtung ein und pirschten in Richtung Kessel.

Der Kessel bestand aus kleineren Latschenfeldern, dazwischen viele Grasflächen und zwei größere Geröllhalden, die wie Rinnsale dem Grund zuflossen. Weiter oben auf der anderen Seite kam blanker Fels zum Vorschein, auf unserer Seite, dem „Eingang“ standen ein paar niedrige Fichten neben größeren Felsbrocken. Als wir am Rand des Kessels angekommen waren, robbten wir noch einige Meter in tiefster Gangart auf eine kleine Anhöhe, wo wir den ganzen Kessel einsehen konnten. Die beiden Gams hatten uns nicht bemerkt. Es waren Bock und Geiß, die Brunft lässt nicht mehr lange auf sich warten. Unterhalb lag noch ein Stück. Zu unserer Rechten ästen eine Geiß und zwei Kitze. Bald darauf machten wir nochmals drei Gemsen aus, die oberhalb in den Latschen standen, und direkt vor uns kamen nach kurzer Wartezeit Geiß und Kitz zum Vorschein.

Nach einer guten Viertelstunde hatten wir um die 12 Gams vor uns. Oberhalb im Hang standen auch zwei Jährlinge, die langsam den Hang herunterzogen. Ich machte mich fertig. Mittlerweile standen acht oder neun Gams als kleines Scharl zusammen, darunter auch die beiden Jährlinge. Markus laserte mit seinem Glas ziemlich genau 200m. Meine Auflage war gut und so entschloss ich mich zum Schuss.

Einer der Jährlinge stand mit einer Geiß etwas ausserhalb des Pulks vor einem Latschenbusch. Dem galt es. Noch stand er spitz von mir weg, er begann aber langsam sich zu drehen. Seelenruhig stand das Absehen etwas unterhalb der Wirbelsäule, doch als er fast breit stand zog die Geiß einen Schritt vor und verdeckte ihn kurz, begann aber bereits wieder zu ziehen. Plötzlich geschah etwas Unerwartetes.

„Pfiiiiiiet“. Ein schriller Warnpfiff halte durch den Kessel. Uns konnten sie nicht mitbekommen haben. Das half allerdings nichts, die Gams zogen sofort hangaufwärts. Plötzlich waren die ganzen Latschen voller Gams, ich zählte über 30 Stück. Diese teilten sich in zwei Scharen und zogen halblinks und halbrechts nach oben. Sie beruhigten sich zwar nach einiger Zeit, waren nun aber für einen sicheren Schuss zu weit. Stellungswechsel.

Wir pirschten geduckt weiter in den Kessel zu einer weiteren kleinen Fichte. Von hier aus waren es abermals 200m zur linken Schar. Schnell richtete ich mich ein, wobei ich hier das Backpack von Markus als Auflage benutzte, um auf die nötige Höhe für den Schuss bergauf zu kommen. Die Äste der Fichte waren leider ungemein störend, weil sie quasi direkt vor den Gams hingen. Weitere Bewegungen waren allerdings nicht mehr möglich, weil uns bereits wieder einige Lichterpaare von zwei Seiten fixierten. Wenn sie ein bisschen nach rechts ziehen würden sollte es aber passen.

„Pfiiiiiet“! „Zefixzefixzefix“ hörte ich Markus leise fluchen. Die Gams zogen jetzt nach rechts, allerdings im Pulk. An einen Schuss war nicht zu denken. Mittlerweile war es viertel vor Fünf. Wir hatten nur noch eine gute Viertelstunde, und mindestens 50 Minuten lagen wir jetzt schon im Kessel.

„Jetzt müssen wir es einfach versuchen“ sagte Markus, „folg mir und bleib so tief wie möglich unten“. Wir gingen jetzt zügig und gebückt quer durch den Kessel. Ungefähr siebzig Meter Entfernt lag ein größerer Felsblock direkt an einer Geröllhalde. Dort war unsere letzte Chance auf einen guten Schuss, alles oder nichts!

Tatsächlich schafften wir es, uns, ohne weiteres Aufsehen zu erregen, bis an den Felsblock zu pirschen. Markus legte den Backpack auf das Geröll und ich legte mich hin. Das linke Scharl war jetzt unerreichbar auf die Felswand gezogen, das Rechte allerdings stand unterhalb. Ein Jährling stand inmitten der relativ unruhigen Gams und zog langsam nach rechts aus dem Pulk. Das Fadenkreuz folgte ihm längst, und schließlich stand er mit ein paar anderen Gemsen für uns uneinsehbar in einem Graben. Dann ging alles ganz schnell.

Eine Gams kam mit einem Satz aus dem Graben und stand breit. „Das ist er!“ „Wie weit?“ „Knapp über 210, geh hochblatt rein“.

Peitschend knallte der Schuss durch den Kessel. Ich war durch den Rückstoß aus dem Ziel geworfen und sah überall nur noch Gams flüchten. Unmöglich, darunter eine kranke Gams zu erkennen. Was war passiert? Hatte ich vorbeigeschossen?

Plötzlich bemerkte ich im Zielfernrohr, dass ich gar nicht an der richtigen Stelle suchte. Ich schwenkte nach links und sah den Jährling schlegelnd in den Graben rutschen. Ich konnte mein Glück noch kaum begreifen. Zu schnell war zum Schluss alles passiert.

Fünf Minuten später machten wir uns an den Aufstieg. Wir mussten uns beeilen, um noch vor der Dunkelheit aus den Latschenfeldern zu kommen. Vor uns im Graben lag eine Jährlingsgeiß. Der Schuss auf gelaserte 217m war genau durch beide Blätter gegangen, das Herz hing nur noch an einem dünnen Muskelstrang.

Nach ein paar Fotos (die schwieriger wurden als gedacht, da das Display mein Gewicht beim Liegen nicht ausgehalten hatte) barg ich meine erste Gams selber auf dem Rücken vom Berg. Ich hatte schon nicht mehr an den Erfolg geglaubt, dennoch war alles gut gegangen.

Ich hoffe es war euch nicht zu lange ;)

Bild gibts natürlich auch noch

P1010006-2.jpg


Viele Grüße und Waidmannsheil!
 
G

Gelöschtes Mitglied 7666

Guest
Ein aufrichtiges Waidmannsheil zur ersten Gams !!!

Fuchsjäger2000
 
Registriert
20 Okt 2006
Beiträge
12.181
Kräftiges Weidmannsheil!

Das ist es, was die Bergjagd ausmacht....
Du hast das ganze Paket bekommen :12:
 
G

Gelöschtes Mitglied 4627

Guest
barry08 schrieb:
Hama schrieb:
Waidmannsheil!!! Irgendwann... :eek:
Nicht irgendwann!
So bald als möglich!

Die alten Knochen gehen schwerer auf den Berg als die jungen... :26:

WH
Barry

Das stimmt, wenn der Geldbeutel mitspielen würde, wäre ich wahrscheinlich schon auf dem Weg. :31:
 
G

Gelöschtes Mitglied 4317

Guest
@Mauser03Michel auch von mir kräftiges Waidmann´s Heil zum Jahrling.
Ähnlich ist es mir voriges Jahr in Südtirol ergangen, möchte dieses Erlebnis aber nicht missen.

WAIHEI
 

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