Dann will ich auch mal. Sonst eher stiller Mitleser:
Die erste Sau, die vergisst man wohl nie, auch wenn es nur ein kleines Schweinchen war: Nach nunmehr dem 30.ten gelösten Jagdschein denkt man gerne an die Anfänge der Jägerei zurück. Großgeworden in einem reinen Niederwildrevier waren Sauen zu der Zeit noch seltenes Wechselwild, dementsprechend unbekannt. Meine Ausbildung brachte mich in den Wald und noch genauer gesagt in das Weserbergland, wo ich in dem Revier des Vaters meines Kumpels nahezu freie Büchse hatte. Es handelte sich um ein reines Waldrevier und war nicht nur landschaftlich reizvoll. Überwiegend Rehwild, aber eben auch Sauen und hin und wieder Damwlid waren hier Zuhause.
Es war Anfang der Neunziger Jahre, ich hatte mittlerweile einiges an Erfahrung im Niederwildbereich gesammelt, aber Hochwild war nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Mein Kumpel und meine Wenigkeit wollten uns Anfang September auf weibliches Rehwild versuchen und saßen frühmorgens an. Nach dem erfolglosen Ansitz schmiedeten wir dann gemeinsam einen Schlachtplan, wie wir doch noch zum Erfolg kommen wollten. Plan war es nun, in einem größeren Tal, hierzulande sprechen wir von Siepen, das fast auschließlich mit alten Buchen bestockt war, den Rückeweg, der sich auf halber Höhe des Hanges befand, entlang zu „pirschen“. Ich wollte auf der einen Seite des Tales den Rückeweg hochgehen, mein Kumpel auf der anderen Seite, so dass wir und gegebenfalls das Rehwild gegenseitig zudrücken würden. Gesagt getan. Ich ging also langsam den Rückeweg hoch und konnte in einiger Entfernung meinen Jagdfreund auf der anderen Talseite, ebenfalls den Rückeweg hochgehend, sehen. Die Sicht war in dem Altbuchenbestand gut, lediglich einige Brombeerschläge und Totastinseln in den Lichtlücken schränkten die Sicht ein. Hier sollte sich ja in unseren Überlegungen das rehwild aufhalten. Über Gesten verständigten wir uns und stimmten so unser Lauftempo ab. Unser Ziel war es eigentlich, dass der eine durch die leichte Beunruhigung dem anderen das Rehwild hochmacht und zudrückt, dadurch, dass es dort relativ licht war, das Wild, wenn es verhofft, durch anpfeifen oder so, angesprochen und ggf. beschossen werden kann. Nachdem wir das halbe Tal nun schon durchquert hatten, fing mein Freund mit einem Mal heftigst an zu gestikulieren und machte mit der linken Hand eine drehende Bewegung um seine eigene Nase. Was sollte das jetzt bedeuten? Handys gab es zu dem Zeitpunkt, Gott sei Dank, noch nicht und ich hatte nur ein Fragezeichen im Gesicht. Trotzdem nahm ich meinen alten Repetierer, die Waffe meines Vaters, eine eigene saß noch nicht drin, fester in die Hand und harrte der Dinge die kommen mögen. Ich hatte mir von einem meiner ersten Ferienjobs ein achtfaches Swarowski-Glas auf die Waffe bauen lassen, weil ich ja großes vorhatte, mein Vater kam nach Altväter-Sitte noch mit dem 4x32 aus. Mit einem Male sah ich ziemlich weit oben im Hang eine Bewegung und ich begriff, was mein Freund mir mit seiner Handbewegung zeigen wollte, eine Schweineschnauze! Sauen!! Wie an einer Perlenschnür kamen im leichten Trab zwei Bachen mit Ihren Frischlingen von oben den Hang herab und wechselten dann Hangparallel auf der anderen Talseite durch die Buchen in Richtung meines Kumpels. Sauen! Ich wusste gar nicht, was mir geschah. Wie war das noch? Immer hinten anfangen, das schwächste Stück zuerst! Haben Sie so gesagt, zigmal gehört, war ja klar! Aber jetzt waren da wirklich Sauen und auch noch greifbar nah, nun ja, die Entfernung waren jetzt bestimmt noch irgendwo 120m, wenn nicht sogar 150m! Und die waren in Bewegung! Nicht schnell, aber die bewegten sich! Auf Niederwild mit der Flinte gar kein Thema. Was sollte ich nur jetzt tun? Wie verhalte ich mich jetzt richtig? Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie sich mein Kumpel auf dem Weg klein machte und auch die Waffe schußbereit hatte. In diesem Moment, die Bachen hatten wohl die Bewegung wahrgenommen, stoppte die gesamte Corona und blieb auf dem Wechsel stehen. Totenstille, ich nahme die Waffe endlich hoch, gehe die Perlenschnur von vorne nach hinten durch, Entfernung jetzt ca. 100m Luftlinie, etwa die gleiche Höhe, nein etwas höher im Hang und erreiche das letzte Schweinchen. Immer noch keine Bewegung in der Rotte, alle stehen stocksteif da. Das Absehen sucht das Blatt und ich lasse die 7x57 Hirtenberger Teilmantelrundkopf fliegen. Mein Herz schlägt mir fast aus dem Hals, ich kann nach dem Schuß erkennen, wie die Rotte auseinanderstiebt und den Hang hoch flüchtet. Nein, nicht alle flüchten, ich sehe, wie der beschossene Frischling im Hang leicht runterrutscht. Die erste Sau! Ich habe tatsächlich auf eine Sau geschossen und sie liegt. Ich sacke erst einmal auf den Hintern, muss mich setzen. Mein Kumpel hat beide Daumen oben! Was für ein Morgen! Jetzt musste ich natürlich so schnell wie möglich zu der Sau und habe den direkten Weg genommen, erst hangrunter, dann hanghoch, zu meinem Kumpel auf den Rückeweg und dann weiter hoch zum Anschuß. Beim Angehen der Beute wurde die ganze Situation noch einmal mit meinem Freund erörtert, wo die Sauen herkamen, wie sie wechselten und dass er die Sauen im Moment meiner Schußabgabe gar nicht mehr sehen konnte, da sie schräg über ihm im Hang standen. Als wir dann dem Frischling näher kamen, hatte ich das Gefühl, dass er immer kleiner wurde. Übriggeblieben ist dann ein Frischling, der wohl gegenüber den anderen zurückgeblieben war, die Streifen waren noch zu erkennen, er war gerade einmal hasengroß und brachte aufgebrochen 5kg an die Waage! Der Beständer meinte im Nachhinein nur, ich hätte die Perlenschnur ruhig weiter vorne anpacken dürfen, dann wäre auch noch was für die Truhe dabei gewesen. Wir versorgten das Stück, die Bergung war dann nicht ganz so schwer und beendeten unseren Jagdmorgen mit einem deftigen Frühstück. Es ist mittlerweile viel Zeit seitdem vergangen und auch jagdlich einiges passiert, aber ich denke nach wie vor gerne an diese Zeit, vor allem an diese, meine erste Sau zurück. Gerade auch, weil ich mit meinem besten Jagdfreund gemeinsam unterwegs war, beide noch unerfahren und haben uns gegenseitig vieles beigebracht und gezeigt. Jagdneid hat es zwischen uns nie gegeben, nur die privaten Veränderungen lassen uns heute nicht mehr zusammen jagen!