Hallo zusammen,
leider werden in diesem Faden aus meiner Sicht tendenziell immer zwei Dinge vermischt, die man getrennt bewerten sollte:
- Was sind die technischen Voraussetzungen und Fähigkeiten für einen weiten Schuss?
Die Diskussion sollte eigentlich für alle Jäger unabhängig von Ihren Revierverhältnissen und ihrer jagdlichen Disposition interessant sein.
- Wie hoch sollte der jagdethische Anspruch an die Erfolgswahrscheinlichkeit für einen jagdlichen Schuss sein?
Hier muss wohl jeder Jäger seinen eigenen Weg finden, da er sich im Zweifelsfall nur vor sich selbst und Gott rechtfertigen muss. Ich persönlich wäge vor dem Schuss allerdings nicht ab, wie hoch die Treffer-/ Erfolgswahrscheinlichkeit ist (das hebe ich mir für das Sportschießen auf). Ich gebe den Schuss erst ab, wenn ich die Misserfolgswahrscheinlichkeit für absolut vernachlässigbar halte. Wo liegt der Unterschied? Ich bin in keiner Weise überrascht, wenn das Stück fällt. So ertappe ich mich auch, wenn ich im Jagdfieber über die Grenze des subjektiv für mich absolut sicheren Schusses hinaus gegangen bin (oder natürlich wenn das Stück nicht sauber getroffen wäre).
Um Punkt 2 sinnvoll leben zu können, komme ich eigentlich nicht umhin, mich mit Punkt 1 intensiver zu beschäftigen und entsprechende Praxis zu sammeln. Auf Basis dieser Erfahrung kann ich erst zuverlässig einschätzen, wie hoch die Erfolgs-/ Misserfolgswahrscheinlichkeit ist. Dabei halte ich persönlich in der überwiegenden Mehrheit der jagdlichen Anwendung die Themen Waffenauflage und -anschlag sowie geländeabhängiger Wind für deutlich relevanter als Spin Drift und Korrioliseffekt. Andersherum: Wenn ich mir über Spin Drift und Korrioliseffekt Gedanken machen muss, bin ich in einem Distanzbereich, für den aufgrund der vielen Unwägbarkeiten keine für mich ausreichende Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben ist.
Gruß
Marodeur
Also ich hab mir ja überlegt, ob ich hier überhaupt meinen Senf dazu geben will, aber schön langsam hauts mir halt sämtliche Schalter raus, bei diesem ganzen Unfug, der da zu lesen ist und nicht mehr aufhört.....
Du schreibst sehr viel über "Erfahrung", bleibst aber schuldig, was Du eigentlich darunter verstehst. Deshalb sag ich Dir mal, wie das bei mir ist.
Mein Werkzeug ist auf die GEE meiner aktuell verwendeten Patrone eingeschossen. Darüber hinaus habe ich keinerlei Erfahrung. Mein Entfernungsmesser bestätigt mir im Normalfall, ob ich mich gedanklich nicht verschätzt habe und in der Range bin, um das Stück tierschutzgerecht zu entnehmen.
Am Stand hab ich vorher entsprechend geübt, ausprobiert und gelegentlich wieder dort, um zu schaun, obs noch passt. So weit so gut und noch nie unnötiges Tierleid fahrlässig erzeugt. Toy toy toy, hoffentlich bleibts so!
Grundlage dessen waren meine jagdlichen Anforderungen und sonst nix.
Änderung der jagdlichen Anforderung mal thoretisch, um etwas Prinzipielles aufzuzeigen, was eigentlich logisch ist, aber mutmaßlich leider nicht für Jeden hier:
Ich ruf also bleistiftsweise unseren @Stöbi an und frag ihn, ob er Lust hat, mit mir auf ein Schnitzel vom weiblichen Oryx nach Afrika zu fliegen. Da kanns also schon mal auf 300+ Meter gehen, was
mir völlig fremd ist. Und schusshart sind die Viecher auch noch.
Was mach ich also? Zunächst mal kauf ich mir das Buch von dem Viechdokta, der das afrikanische Wild mit jeweiliger Lage der Organe anatomisch genau beschrieben hat.
Wenn das erledigt ist, nimm ich ein Packerl Teuronen, fahr zum Bixner und bestell mir ein neiches Schießgerät, was für Weitschüsse optimiert ist.
Bis das Ding kommt, ruf ich beim gew. Wiederlader an und lass mir ein paar Packerl Pillen stopfen, die genau den gewünschten Zweck erfüllen und das schussharte Viech auf 300 Meter möglichst wirkungsvoll (letal) auf den staubigen Boden bannt.
Ist dann alles da, lass ich mich coachen, wie man so schießt auf 300 Meter, damit das Schnitzel auch auf den Teller kommt.
Hab ich das verstanden, fang ich an zu trainieren. Möglicherweise muss ich nochmal Pillen nachordern, aber irgendwann funzt es und der Schuss ist sicher da, wo er laut Anatomiebuch von dem Viechdokta hin muss.
Möglicherweise kann man ja vor der Schnitzeljagd (Fleischjagd) in Afrika auch noch ein bisserl im Gelände üben und erst dann wirklich auf die Kreatur anhalten.
Jetzt muss ich noch checken, ob die in Afrika wg. Sars-CoV-2 ggf. noch in ausreichender Menge fital sind, man sich auch wirklich nix holt und ob der @Stöbi sich das tatsächlich antun will.
Dann wird gebucht, geflogen und irgendwann liegt das Schnitzel nach Möglichkeit ohne Nachsuche auf dem Teller. Der Rest wird irgendwie (wahrscheinlich mit Trockeneis) zu mir in den heimischen Gefrierschrank geliefert.
Zuhause angekommen hab ich nen Anruf auf der Box, dass es in Brandenburg was Freies gibt, was mich schon lange reizt. Dort sind aber sichere Schüsse auf 400+ Meter möglich, um ordentlich was weiter zu bringen.
Dann beginnt das Spiel wieder von vorn. Die Bixn ist zwar schon da, aber neu gestopfte Pillen brauchts. Dann kommt wieder der Stand und das Üben soviel wie nötig und bis die Streuung passt.
Anschließend die Übung im Gelände unter verschiedenen Bedingungen und Widrigkeiten, soweit das möglich und erlaubt ist. Und irgendwann fliegt auch dort die Sau tierschutzgerecht tot um.
Was soll das jetzt verbildlichen? Ganz einfach: Erfahrung bekommt der Mensch, wenn er etwas tut und solange er es nicht getan hat, gibt es auch keine Erfahrung, d. h. in der Quintessenz, er kann auch keinen Schuss bzw. dessen Wirkung einschätzen.
Nachdem ich Dir jetzt meine bisherige Erfahrung und den Weg zu meiner möglicherweise gewünschten und weiter notwendig werdenden neuen Erfahrung aufgezeigt habe, würde mich interessieren, wie DU zu DEINEN Erfahrungen gekonmen bist, um Trefferwahrscheinlichkeiten realistisch einschätzen zu können?
Ansonsten bliebe mir nach aufmerksamer Verfolgung dieses Fadens mit seitenweise Bullshit von Leuten (die noch nicht mal am Stand erfolgreich Weitschüsse trainiert hatten) wieder mal nur meine Standardfrage: Kann man den teitschen Waidheiligen tatsächlich ernst nehmen?
Gruß
Bluadwurz