Elsass - Ansitz im letzten Schnee

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Am vergangenen Freitag bekam ich im Büro gegen 13 Uhr einen Anruf vom Jagdfreund Daniel. Er sagte, dass er kurz entschlossen in den Elsass zur Ansitzjagd fährt und ob ich nicht Lust hätte mitzufahren, Abfahrt ist jedoch spätestens 15:30 Uhr am Treffpunkt.
Schnell ein Blick in den Terminkalender und ein paar Telefonate um die Termine neu zu disponieren und dann ab nach Hause.
Dort als erstes Waffe und Ansitzsachen herausgesucht, in die Tasche gepackt und los geht es mit grosser Vorfreude zum Treffpunkt wo bereits die Jagdfreunde warten.

Unterwegs erzählt mir Daniel dass in der vergangenen Woche trotz des vielen Schnees jede Menge Sauen am Laufen waren und wir perfekte Bedingungen für den Ansitz haben – meine Vorfreude steigt noch einmal, denn ich liebe es bei Schnee und Kälte die Natur zu geniessen.

Im Revier ist keine Zeit zum Kaffee trinken, wir ziehen uns um und machen uns fertig, weil wir so früh wie möglich auf dem Ansitz sein wollen. Meine Kanzel steht an einem 200m langen und 20m breitem Waldgürtel, davor liegt ein 50m breiter Wildackerstreifen.

16:50 Uhr, es dämmert bereits beim Verlassen des Autos. Schnell alle Utensilien gepackt, den Rücksack und die Waffe auf dem Rücken, den schweren Ansitzsack und Ansitzmantel vor dem Bauch getragen. Langsam und möglichst leise mache ich mich auf den Weg zur 150m entfernten Kanzel. Der Wind steht mir leicht im Nacken und der Schnee knirscht bei jeden Schritt, jedoch sehe ich kein Rehwild draussen stehen, geschweige denn abspringen.
Vorsichtig besteige ich nun den Hochsitz. Erstmal alle Sachen verstauen und ankommen. Plötzlich sehe ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung, im Umdrehen sehe ich ein Stück Schwarzwild verhoffen, es sichert verunsichert in meine Richtung und im gleichen Augenblick springt es ab.
Im Fernglas sehe ich das Stück wie es sich schwer durch den Schnee arbeiten muss und verfolge es bis zum nächsten Waldrand in 500m Entfernung. Mich ärgernd über die ungenutzte Gelegenheit, aber auch mich Freund über den herrlichen Anblick im tiefen Schnee richte ich mich nun ein.
Gespannt auf die nächsten vier Stunden harre ich der Dinge. Die Sicht ist optimal durch den weissen Untergrund, es hebt sich alles ab und das Ansprechen fällt leicht.
Beim ableuchten der Waldfeldkante sehe ich rechts von mir in 300m ein Sprung Rehe im Schnee äsen.
17:45 Uhr ich leuchte die vor mir liegende Fläche ab. Augenmerk lege ich auf die linke Seite, denn dort ist eine Feldkante die an den Wald anschliesst in dem das Stück Schwarzwild verschwunden ist. Der Fuchs nutzt oft diese Deckung bei der nächtlichen Streife als Anschluss zum Wildacker. Dann eine Bewegung am gegenüberliegenden Waldrand, ein Schatten zieht genau an die vorhergesagte Feldkante entlang. Ich bin unsicher, ob es ein Fuchs ist. Durch das 8x52 Fernglas ist nur ein langer, schmaler Umriss zu erkennen, der langsam näher zieht. Plötzlich erhebt es sich, eine Sau ist zu erkennen. Das Stück muss in der Flugspur gelaufen sein und zieht nun in Richtung Wildacker. Vorher muss es noch ein Stück Feld überqueren, es ist definitiv ein einzelnes Stück.
Es steht nun an der äussersten Kante im Gebrech und arbeitet den Mais auf. Ich schätze die Entfernung auf ca. 300m. Langsam zieht der schwarze Klumpen die Reihen entlang und kommt näher.

17:55 Uhr das Stück ist mittlerweile auf 200m Entfernung, ich nehme nun zum ersten Mal die Waffe hoch und schalte den Leuchtpunkt ein und dimme diesen runter, so dass nur noch ein schwacher Punkt zu erkennen ist. Ich bekomme das Stück ins Glas, das Ansprechen der Grösse fällt schwer, ich vermute einen Überläufer den letzten Mais ernten will.

18:05 Uhr ich kann das Stück nun auch hören, die gefrorenen Maisstengel brechen laut. Die Sau pflückt quasi den Mais und ist auf 100m auf ca. 9 Uhr vor mir. Ich prüfe den Wind, er steht mir immer noch leicht im Nacken. Ausserdem suche ich Stelle im Mais wo ich freies Schussfeld habe. Auf einmal fängt mein Handy an zu vibrieren, mein Herz rutscht in die Hose, ich hoffe nur das das Stück dies nicht hört und abspringt. Nach einer halben Ewigkeit gibt der Anrufer auf und das Stück steht noch an der gleichen Stelle – Glück gehabt!

18:10 Uhr Nun kommt Bewegung in die Sau. Das Stück zieht jetzt schneller. Ich schätze die Entfernung auf 40-50m, es steht jetzt auf ca. 10 Uhr halbspitz zu mir gerichtet. Ich nehme die Waffe in den Anschlag und entsichere lautlos. Ich will das Stück nicht spitz von vorne schiessen, trotzdem gehe ich mit dem Leuchtpunkt auf den Stich in der Hoffnung, dass sich das Stück breit stellt.

Plötzlich sichert der Überläufer mit dem Wurf in den Wind, Mist denke ich, die leichte Brise im Nacken... Die Sau versucht nun links die Deckung der Sonnenblumen anzunehmen. Es zieht breit Richtung 9 Uhr und verhofft um Wind zu holen. Nun passt es, das Leuchtabsehen der 9,3 wandert auf die Kammer. Steht dort bombenfest und ich ziehe gleichmässig den Abzug. Als der Schuss bricht kann ich das Stück nicht mehr sehen, ich repetiere und versuche das Stück wieder ins Glas zu kriegen. Die Sau flüchtet im troll in die Richtung aus der sie gekommen ist. Erst 100m, 200m kann ich sie verfolgen. Tausend Gedanken rasen mir durch den Kopf; das kann doch nicht war sein, habe ich gefehlt?! Bei ca. 250m sehe ich es langsamer werden, einen Bogen ziehen und ich glaube zu sehen, dass das Stück oberhalb einer Senke umgefallen ist. Dort ist ein deutlicher Schatten zu erkennen.

Ich versuche mich zu sammeln, lasse mir die Schussabgabe noch einmal durch den Kopf gehen und bin verunsichert. Dann vibriert wieder das Handy- SMS, Jagdfreund Daniel fragt was gewesen ist. Ich schreibe ihm und sage dass ich erstmal warten will.

Ich beobachte immer wieder den Schatten, dann nach einer Stunde baume ich ab und versuche den Anschuss zu finden. An der eingeprägten Stelle des Anschusses finde ich nichts, vorsichtig pirsche ich am Wildacker entlang bis ich den Schatten sehen kann. Ich nähere mich langsam dem Stück von hinten, es liegt nun schalte ich die Taschenlampe ein und sehe das ganze Ausmass… Vor mir liegt ein ordentlicher Keiler, mit einem mächtigen Gewaff. Der Ein- und Ausschuss liegt genau 3cm hinter dem Blatt - Ich freue mich wie ein kleiner Junge.

Nun wird der Jagdfreund zum Bergen gerufen, denn alleine kann ich den Keiler nicht bergen. Als dieser mit dem Pickup erschein grinse ich über beide Ohren und führe Daniel zum Stück. Er sieht das Stück, sieht mich wieder an, schaut wieder auf den Keiler und springt mir in die Arme und ruft hüpfend: „Du hast Oskar erlegt, das ist der Oskar –Waidmannsheil, wunderbar das ist Oskar…“

Waidmanns Dank und wir fangen an das Stück zu versorgen.
JJ
8)
 
G

Gelöschtes Mitglied 3257

Guest
Weidmannsheil, klasse geschrieben. Hast du vielleicht noch ein Foto oder ein paar Angaben zu Gewicht etc.?
 
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28 Aug 2001
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Waidmanns Dank Zusammen

das Stück wiegt abgerauscht 78 kg, Fotos kann ich morgen nachreichen...
Für mich war das ein super Jagderlebnis.

Gruss
JJ

p.s.: Tatsächliche Schussentfernung war ca. 90 m :shock:
 
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Junger Jäger schrieb:
Waidmanns Dank Zusammen

das Stück wiegt abgerauscht 78 kg, Fotos kann ich morgen nachreichen...
Für mich war das ein super Jagderlebnis.

Gruss
JJ

p.s.: Tatsächliche Schussentfernung war ca. 90 m :shock:

Waidmannsheil!
Noch sehr viel später hätteste auch nicht schiessen dürfen.... :wink:
 
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22 Feb 2005
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Waidmannsgeheul!!!

Bei uns haben die dicken Keiler auch Namen!

Hansi, Jonathan.... :lol:
 
A

anonym

Guest
In dem einen Revier, in dem ich mitgehen darf, stellen wir alle einem EMIL nach!
In dem anderen einem DICKEN AUGUST!

Den dicken August habe ich auch schon mal gesehen, nicht immer nur die Fährte im Schnee und die Zacken am Mahlbaum. Leider war da Schonzeit. Ich hatte ihn über 20 Minuten auf 30 Meter scheibenbreit vor und habe ihn bei der Nahrungsaufnahme studieren dürfen inklusive Lärm und Geruch!
 
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3 Dez 2009
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Waidmannsheil!
Schön geschrieben, danke!
Da freu ich mich bald wieder draußen zu sein...
 
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25 Aug 2006
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@ bockfieber willst du jetzt jeden der hier mal was geschossen hat Waidmannsheil wünschen?
der Thread ist fast ein Jahr alt.
Postingschinder :19: :22:
 

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