Fleisch fuer den Winter

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Es ist fünf Uhr morgens und heute ist auch meine Frau mit aufgestanden um mir ein kleines Fruehstuck zuzubereiten.

Fleisch für den Winter ist das Ziel heute Morgen, wenn möglich mit einer guten Trophäe, hatten wir doch seit unserer Abreise aus Deutschland kein Wild mehr.

Um halb sechs will ich mich mit Lee an der Extra Food Tankstelle treffen um dann gemeinsam zur Grazing Lease zu fahren. Wild konnten wir dort schon vor zwei Tagen bestätigen. Allerdings war der Schnee da schon eine Woche alt.

Der Winter kam früh dieses Jahr. Am 24. September hat es hier in Cold Lake zum ersten Mal geschneit und seit Mitte Oktober ist der Schnee liegen geblieben. Einen Indian Summer hat es diesmal nicht gegeben.

Ich bin etwas spät dran, aber Lee wartet auf mich und nach kurzer Fahrt sind wir schon am Ziel. Wir stellen die Autos ab und marschieren los in den noch finsteren und menschenleeren Wald auf einem Weg der hauptsächlich von 'Quad Fahrern' benutzt wird. Es sind ungefähr zwei Kilometer bis zum öffentlichen Weideland auf dem im Sommer Bison grasen. Wir sind froh, daß wir lange vor Sonnenaufgang unterwegs sind, ist doch damit zu rechnen, daß heute fast jeder Jäger in dieser Wildlife Management Unit unterwegs sein wird. Heute am 1. November beginnt hier die Jagd auf Weiswedel- und Maultierhirsch.

Mit der ganzen Ausrüstung ist der Weg durch den verharschten Schnee beschwehrlich, aber ohne Ansitzhocker und Rucksack mit Thermosflasche und etwas zu Essen ist an eine vernünftige Jagd nicht zu denken, weiß doch keiner von uns wie lange wir bleiben. Spätestens Mittags muß ich aber nach Hause, denn dann braucht meine Frau das Auto.

Allein sitze ich jetzt am Stacheldrahtzaun und kann die Schneise vor mir mit einer kleinen Senke und einem leichten Hang zwischen Zaun und Waldstück auf gut 250 Meter bis zur Kuppe überblicken.

Roger, der Dritte im Bunde sitzt hinter der Hügelkuppe. Ich weiß aber, daß er durch einen Schuß von mir nicht gefährdet werden kann, selbst wenn ich ein Stück auf der Kuppe der Schneise beschießen würde, denn an Absprachen wird sich hier peinlichst gehalten. Ein Schuß über die Kuppe würde dann auch keine Probleme oder Sorgen bereiten, die nächste Siedlung ist mehr als 10 Kilometer entfernt. Natürlich kann ein anderer Jäger irgendwo im Wald unterwegs sein, aber der könnte theoretisch auch direkt vor mir im Wald sitzen ohne daß ich dies wissen könnte.

Deckung habe ich an meinem Sitzplatz kaum, nur hinter mir ein paar Büsche und rechts und links von mir, knapp kniehoch zwei Wildrosensträucher an denen jetzt die gefrorenen Früchte hängen und die neben dem Bueffelgras die einzige verbliebene Nahrung fuer das Wild im Winter ist.

Ruhe herrscht jetzt. Über mir immer wieder einmal ein Rabe in der einsetzenden Dämmerung, das sind aber auch die einzigen Vögel zu dieser Jahreszeit, von einigen kleineren Singvögeln abgesehen. Nach dem beschwerlichen Marsch bei dem wir ins Schwitzen gekommen sind wird es jetzt empfindlich kalt. Für heute sind zwar Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt gemeldet, aber damit sind die Höchsttemperaturen gemeint, die vielleicht Mittags erreicht werden. Im Moment sind es jedoch 12 Grad unter Null und das ist ganz schön kalt, bin ich doch nur Deutsche Winter an der Donau gewohnt. Die erste Tasse Tee und eine Zigarette müssen dran glauben.

Außer der Nase knackt es immer wieder einmal im Wald und jetzt fangen auch die Koyoten an zu heulen, gar nicht weit weg aber unsichtbar für mich im Wald. Auch ohne Anblick ein ergreifender Moment.

Die nächste Zigarette zeigt mir, daß der Wind gut steht, etwas seitlich auf mich zu und eigentlich sollten auf dem Hang die Weiswedel zum äsen austreten. Aber jetzt noch nicht, ist es doch noch eine Stunde bis Sonnenaufgang und die Jagd ist in Alberta erst eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang erlaubt. Doch da, im ersten Licht, auf der Kuppe, 250 Meter entfernt, zieht ein Hirsch aus dem Bestand aus jungen Weispappeln auf die Schneise. Im Fernglas kann ich ihn als 3x3 ansprechen. Die Überlegung ob es eine lohnende Trophäe wäre oder ob nicht ist müßig, darf ich doch noch nicht schießen und der Hirsch zieht zügig über die Schneise. Dann ist er auch schon auf der anderen Seite im Nadelwald verschwunden.

Noch zwanzig Minuten bis die Jagdzeit anbricht. Das Geheul der Koyoten kommt näher und bricht dann ab. Da gehen auf einmal zwei Koyoten fünfzig Meter vor mir in der Senke flüchtig über die Schneise. Knacken im Wald, dann der nächste Koyote, ebenfalls flüchtig. Ein phantastischer Anblick. Auch ohne Beute wäre dieser Morgen für mich schon erfolgreich gewesen.

Jetzt endlich darf geschossen werden, aber die Bühne vor mir bleibt leer. Um mich herum fallen entfernt in kurzen Abständen vier Schüsse aus verschiedenen Richtungen. Andere Jäger, die Erfolg hatten. Ich gönne es ihnen. Hier in Kanada freut sich jeder über den Erfolg des anderen und Jagdneid gibt es nicht, schon gar keinen Trophäenneid.

Zwanzig vor acht, auf dem Hang wird es lebendig. Eine Kuh mit zwei Kälbern tritt auf der Hügelkuppe von rechts aus dem Wald auf die Schneise. Von links, etwas unterhalb ein Spieser. Alle vier etwa 220 Meter bis 250 Meter entfernt. Bei der Auflage, der Rucksack auf meinen Knien, weiter als ich mich zu schießen traue. Da etwas unterhalb von rechts nochmal zwei Weiswedel. Eines ein Hirsch, schwer zu erkennen, die Spießchen vor dem braunen Büffelgras und dem diffusen Morgenlicht. Das andere Stück, in guter Verfassung, hat offenbar kein Geweih. Ein "Schmaltier" also. Da sonst kein guter Trophäenträger dabei ist will ich es auf das weibliche Stück versuchen. Ist es doch das einzige das in vernünftiger Entfernung, unter 200 Meter steht und außerdem reichlich Wildbret verspricht.

Der Rucksack liegt schon lange auf den Knien und jetzt oben drauf mein 98'er in .30-06 mit dem sechsfachen Leupold Glas, den ich erst vor ein paar Tagen einschießen konnte, nachdem er mit dem Container mit unserem Umzugsgut nach elf langen Wochen endlich angekommen war.

Das Absehen steht ruhig hinter dem Blatt und der Schuß um zehn vor acht stört die morgendliche Stille nur kurz. Das Schmaltier geht hochflüchtig ab. An einen zweiten Schuß war gar nicht zu denken. Ich bin mir aber sicher gut abgekommen zu sein. Die anderen Weiswedel, immer noch fünf an der Zahl werfen nur kurz auf, um dann weiter zu äsen. Einzig die Kuh mit den zwei Kälbern wird etwas unruhig und sie zieht langsam in den Wald. Kurz danach folgen ihr die Kälber. Dann verläßt auch der Hirsch der mit dem Schmaltier gekommen war die Bühne.

Inzwischen habe ich mir eine Tasse Tee eingeschenkt und eine weitere Zigarette hat ihren Platz in meinem Mundwinkel gefunden. Einzig der Spießer ist noch auf der Schneise und sichert ab und zu in meine Richtung, kann mich aber offensichtlich nicht ausmachen. Schon durchzucken die Gedanken an mehr Fleisch mein Gehirn und nur der Wunsch nach einer repräsentativen Weiswedeltrophäe hält mich vom Schießen ab. Ein Glück wie sich etwas später herausstellt.

Mittlerweile ist mir derart kalt geworden, daß ich Bewegung brauche. Ich Stapfe los in Richtung Anschuß, der Spieser, noch immer auf der Schneise, kümmert sich erst nicht um mich. Dann als ich auf 70m ran bin springt er mit einem Satz über den Zaun und ist ohne zu schrecken im Wald verschwunden.

Wo ist der Anschuß? Schweiß kann ich nirgendwo finden. Da, endlich, Schnitthaar, aber kein Schweiß. Das Haar ist vom Rumpf, also sollte das Stück liegen, aber wo?

Da die Jagd mit Hunden auf Big Game in Kanada verboten ist, steht natürlich kein Hund für eine Nachsuche zur Verfügung. Selbst wenn einer meiner Mitjäger einen brauchbaren Hund hätte, würde er lieber ein Stück verludern lassen, als mit dem Hund nachzusuchen und sich damit strafbar zu machen. Andere Länder, andere Sitten, nicht besser oder schlechter als bei uns in Deutschland, anders eben. Die Jäger halten sich hier aber für mindestens so weidgerecht wie die Jäger in Deutschland.

Ich folge der Fährte in den lichten Wald, verliere sie aber schnell und ich beschließe auf Roger zu warten.

Da ein Rufen, meine Antwort und dann kommt Roger mit seiner Büchse im Arm und in einem schon in Auflösung befindlichen Overall in Blaze Orange mit oranger Mütze über die Hügelkuppe. Ich schildere kurz was war und wir suchen den Weiswedel. Roger findet ihn, zwanzig Meter vom Anschuß, hinter einem Baumstamm liegend, der so grau wie der Weiswedel ist. Beim Stück angekommen schauen wir, besonders ich recht betreten drein. Es war ein Hirsch mit gerade etwas mehr als zehn Zentimetern Stangenlänge, kein Schmaltier und somit ist meine Lizenz für Trophäenträger abgeschossen. Es bleibt nur noch ein weibliches Stück oder ein Kalb.

Der Hirsch hatte nur auf einer Seite eine schwache Gabel. Auf der rechten Seite hatte er die Geweihstange am Rosenstock abgebrochen. Gegen das braune Büffelgras und das Morgenlicht konnte die gerade einmal lauscherhohe Stange nicht erkennen.
Rogers aufrichtige Freude an meinem Erfolg ruft mich aus meinen Gedanken zurück. Dann ein Schuß und nochmal einer, ganz in der Nähe! Lee hatte also auch Erfolg.

Gemeinsam brechen wir den schwachen Hirsch auf und ziehen ihn zum Zaun am Wegrand. Das 11,7 Gramm Federal HiShock Geschoß hatte wohl den Körper an der Schulter durchschlagen, dann hatte sich aber die Decke über den kalibergroßen Ausschuß geschoben und somit das Schweisen verhindert. Mit dem Aufbrechen fertig, gehen wir zu Lee, der uns schon mit Blutverschmierten Händen entgegenkommt. Ein Schmaltier, gut getroffen mit der .30-30 liegt ein paar Meter weiter. Der zweite Schuß auf ein weiteres, flüchtiges Stück abgegeben hatte gefehlt.

Dann gehen wir Lees Jeep holen, um die Beute nach Hause zu bringen. Inzwischen steht die Sonne an diesem wolkenlosen Morgen über den Baumwipfeln und es wird angenehm warm, nur noch knapp unter Null Grad.

Das ausgezeichnete Wildbret ließen schnell vergessen, daß mit dem Hirsch keine Trophäe für die Wand einherging. Das Ziel war auf jeden Fall erreicht. Heute Abend gibt es die Filets und wieder freue ich mich über mein Jagdglück in Kanada.

[ 31. Juli 2003: Beitrag editiert von: MGauckler ]
 
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Auch von mir ein herzliches Waidmannsheil. Hoffe auch irgendwann mal auf Weiswedel jagen zu dürfen.
 
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Auch von mir ein herzliches Waidmannheil, aber was in aller Welt ist ein 3x3 Hirsch?

Grüße Andreas
 
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369
<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><HR>Original erstellt von A_Krämer:
Auch von mir ein herzliches Waidmannheil, aber was in aller Welt ist ein 3x3 Hirsch?

Grüße Andreas
<HR></BLOCKQUOTE>

Auf dem Foto ist ein Whitetail mit 3 x 3 Geweih zu sehen. Die "Augsprosse" (Eyebrow tine) zaehlt nicht mit.
(Nur die Sprossen an der einen waagrechten Stange plus die Spitze der Geweihstange) x (die Sprossen an der anderen waagrechten Stange plus die Spitze der Geweihstange).

Grusz,

[ 01. August 2003: Beitrag editiert von: MGauckler ]
 

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