Fleischreifung, wie lange?

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Hallo zusammen,

passt vielleicht vom Ursprung nicht ganz hier her, betrifft aber letztlich auch das Wildbret.
Vor ein paar Tagen wurde in der Nachbarschaft eine Heidschnucke geschlachtet. Als kleines Tauschgeschäft bekam ich am selben Tag eine Heidschnuckenschulter, die Filets 8) und den Träger für Hack.
Ich dachte eigentlich, dass alles Fleisch zur Reifung abhängen sollte. Nun wäre es bei dieser Hausschlachtung mangels Kühlung auch nicht möglich gewesen aber der Schlachter meinte auf spätere Nachfrage, nö Abhängen sei nicht notwendig.
Bei den Kloppsen (Frikadellen, Hackbällchen ;-) ) fällt das ja nicht so auf, aber das Filet machte doch eher einen gummiartigen Eindruck. Durch einlegen des Fleisches nach Omas Art kann man zwar ein bisschen nachhelfen, erreicht aber m.E. nicht den gleichen Effekt, wie durch das Abhängen.

Hier gibt es doch einige Profis. Ich möchte zwar kein Rind erbeuten aber vielleicht könnte trotzdem mal jemand einen groben Überblick über die normalen Reifungszeiten von Fleisch in Hälften oder in der Decke geben?

Reh:
Schwarzwild 50kg:
Hausschwein .....kg:
Heidschnucke:
Rind .....kg:

Vielen Dank im Voraus!

Gruß
Nikon
 
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Siehe Landesforsten Reinland-Pfalz

Fleischreifung

Die Reifung des Wildbrets erfolgt unter Kühlhausbedingungen. Ssie dauert je nach hygienischer Ausgangssituation bei:

Schalenwild 4 bis 21 Tage
Hasenartigen 4 bis 10 Tage
Federwild 1 bis 2 Tage

Eine Fleischreifung ist nicht vorzusehen, wenn das Wildbret zur Wurstherstellung verwendet, das heißt zerkleinert werden soll.

Sie läuft in zwei Phasen ab.

In der 1. Phase wird das Glycogen (Kohlehydrat) der Muskulatur ohne Sauerstoffzufuhr in Muskelarbeit umgewandelt. Die entstehende Muskelanspannung stellt sich als Totenstarre dar. Herbei entsteht Milchsäure und der P H -Wert etwa 5,2 bis 5,5 . Dieser Vorgang dauert etwa 72 Stunden. Das Wasserbindungsvermögen des Wildbrets ist schlecht. Beim Zubereiten (Erhitzen) würde die Muskeleigene Flüssigkeit (Fleischsaft) austreten.
In den ersten 3 Tagen liegt also ein unreifes Stück Fleisch vor.

In der 2. Phase zerstören muskeleigene Enzyme (Biokatalysatoren) die innere Struktur der Muskeln. Sie zerlegen das Innere der Muskelzellen und das Bindegewebe (Häutchen), welches die Muskelbestandteile umgibt.
Die Folge ist, dass sich die Totenstarre wieder löst und der P H -Wert steigt wieder an.
Jetzt werden alle für die Wildart typischen Geschmacksstoffe frei und das Fleisch wird zart.

Die Dauer der Fleischreifung ist von Temperatur, Feuchtigkeit und Ausblutungszustand abhängig. Auf ausreichend Sauerstoffzufuhr ist zu achten (Umluft).

Nach Abschluss des Reifevorganges wird das Wild enthäutet und zerlegt und anschließend zum sofortigen Verzehr (innerhalb maximal 3 Tage) verkauft oder vakuumiert und sogleich eingefroren. In diesem Zustand kann Schwarzwild und Flugwild bis zu 6 Monaten, übriges Schalenwild bis zu 12 Monaten gelagert werden.
Keinesfalls sollte die Kühlung und Reifung unter Vakuumbedingungen stattfinden (anaerober Verderb). Das heißt, das man nicht nach dem Erlegen sofort vakuum-verpacken sollte!

Während der Reifung ist auf Anzeichen von Verderb zu achten. Verderb ist immer sinnfällig: durch Geruch, Farbveränderung oder Konsistenz (schmierig).

Die maximale Haltbarkeit von 21 Tagen erreicht man nur, wenn die Wildversorgung und der Fleischreifeprozess nach den genannten Kriterien ablaufen. Gegebenfalls ist das Wildbret zu einem früheren Zeitpunkt weiter zu behandeln (Einfrieren; Zubereiten), um es nicht verderben zu lassen. Dabei ist zu beachten, dass Wildbret mit einer Abhängzeit von weniger als 5 Tagen als qualitativ nicht besonders hochwertig betrachtet werden kann.

velo
 
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Hallo Nikon.

Bei unten aufgefürter Liste, handelt es sich um Empfehlungen von Fachleuten (ich alerdings handhabe es genauso).

Jeweils in der Decke/Schwarte.
Junges Schalenwild 4-5 Tage.
Älteres Schalenwild bis 10 Tage.
Hase/Kanin vom Ansitz 3 Tage
Hase/Kanin Treibjagd bis 8 Tage.
Federwild 1-2 Tage (Gänse 8 Tage)

Kühlung Schalenwild +6-7 Grad
Kühlung Niederwild +4 Grad
Grüße
Hartmut

P.S. Haustiere (Rind,Schwein pp.) keine Ahnung.
 
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Jeweils in der Decke/Schwarte.
Junges Schalenwild 4-5 Tage.
Älteres Schalenwild bis 10 Tage.
Hase/Kanin vom Ansitz 3 Tage

Kühlung Schalenwild +6-7 Grad
Kühlung Niederwild +4 Grad

Genau mit mit diesen Richtwerten hab ich sehr gute Erfahrungen gemacht.
 
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Habt vielen Dank für eure Antworten!

Meine Rehe und Frischlinge in "Küchengröße" hatte ich bis jetzt auch immer 3-4 Tage zum Reifen in der Kühlung.
Deshalb hat mich die Aussage des Schlachters auch etwas gewundert. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es bei Heidschnucken anders gehandhabt wird. Zumal das Fleisch wissentlich nicht in die Wurst geht.

Naja, wie dem auch sei. Ich geh jetzt raus und schau mal, ob ich noch etwas zum Abhängen finde... ;)

Gruß
Nikon
 
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... hab etwas gefunden - ein Schmalreh hängt nun in der Kühlung. Das erste Stück im neuen Revier :)
 
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Waidmannsheil ! ! !

Aber nen Foto muss schon sein! :lol:


Ein kräftiges Waidmannsheil!!!
 
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Weidmannsdank!
Ein Foto? :shock: An sowas habe ich ja nun überhaupt nicht gedacht ;)

nikon
 
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Im letzten Stern war ein Bericht über ein New Yorkerer Steakhouse: Abhängzeit 9 Wochen +. Davon 2 Wochen normal in der Rinderhälfte und dann die Steakstücke bei 0-2Grad und ca 2,5m/s Luftzug den Rest. Am Ende der Zeit vertrocknete/verfärbte Flächen mit dem scharfen dünnen Messer abschärfen und den Rest zu Steaks portionieren.
Hmmmmm, wo bekomme ich einen Kühlschrank her, der exakt die Temperatur über 0 Grad einhält ,ohne die Stücke an der Kühlwand einzueisen und der auch noch für Luftzug in vorbestimmter Stärke und Luftfeuchtigkeit(waren imho 20%) sorgt? P.S.: Bei ensprechenden Vorschlägen zu berücksichtigen: Ich habe (noch) nicht im Lotto gewonnen!

Ach, bei Rind ist ja noch zu beachten, daß wir hier vom Metzger meist Milchvieh angedreht bekommen. Nur kauft meine Mutter immer zur Stützung des lokalen Ökobauern 1/2 Hohenloher Jungrind (Hofschlachtung), was aber Mangels Abhängens zuletzt immer komplett zu Hackfleisch verarbeitet wird. Schad drum.


P.S.: Endkommentar des Artikels war, daß die Kunst der Zahnärtze die Kunst des Abhängens verdrängt.
 
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Tiroler Bracke schrieb:
Hmmmmm, wo bekomme ich einen Kühlschrank her, der exakt die Temperatur über 0 Grad einhält ,ohne die Stücke an der Kühlwand einzueisen und der auch noch für Luftzug in vorbestimmter Stärke und Luftfeuchtigkeit(waren imho 20%) sorgt? P.S.: Bei ensprechenden Vorschlägen zu berücksichtigen: Ich habe (noch) nicht im Lotto gewonnen!
Habe die Daten nicht genau im Kopf, aber das könnte die "Bio-Fresh Zone" der neuen Liebherr-Kühlschränke hergeben... 8)
 
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Tiroler Bracke,
die Wildkühlschränke mit Umluftkühlung machen das. Vielleicht nicht mit gemessenen Strömungsgeschwindigkeiten und regulierter Luftfeuchtigkeit, aber auf knapp über 0 Grad C kühlt meiner runter, ohne daß es Eis gibt.
So teuer sind die Dinger auch nicht mehr.
Außerdem hat man dann Platz für ordentliche Bierfässer, die Frau kann für ihre Partys die ganzen Torten, Salate und so'n Zeugs kühlen etc.
Ich kann also sowas nur empfehlen.

Grüße
 
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Bei älteren Stücken (z.B. Sauen) würde ich immer ca. 3 Wochen abhängen lassen, da erst nach 14 Tagen die Auflösung der inneren Muskelzellwände beginnt, die das Fleisch zart macht. Lt. unserem obersten rheinl.-pfälz. Jagdveterinär kriegt man sogar eine alte Sau nach 6 Wochen noch butterzart hin.
Weihei
 
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bei mir hängt mitlerweile alles ca 1 woche bei 3-5 grad. hab damit die besten erfahrungen gemacht.
 

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