Geschichten um den Jagdhund

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Morgen geht´s wieder raus zur DJ, da meine leichte Stiefel noch nass sind, hab ich die dicken Perfekt fertig gemacht und neu eingeschmiert.
Als ich fertig bin, ging ich mir die Hände waschen und irgenwas zusammenkramen, was ich noch brauche. Wieder "vorne" angekommen hat sich der "Pelzmuff" meine Stiefel gepackt und fein sauber abgeleckt!
Also nochmal trocknen lassen, warm stellen, mit dem Hund raus weil das Zeug doch die Verdauung beschleunigt, und dannn die Stiefel nochmal einschmieren. :unbelievable:


CdB
 
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30 Dez 2007
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1.405
„Über den Wolken

Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein
Alle Ängste, alle Sorgen

sagt man
blieben darunter verborgen
Und dann
würde was uns groß und wichtig erscheint
plötzlich nichtig und klein.“
So melancholisch intonierte einst Herr R. Mey.

Nach diesem Chanson Intro, welches dem Leser zur Einstimmung dienen soll, nun ein kurzer Exkurs in die faszinierende Welt des Segelflugs.
Die nachfolgenden Fakten sollen zum besseren Verständnis beitragen, um mein nachfolgendes Hundeerlebnis, um das es in diesen Thread ja schlussendlich geht, besser zu verstehen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, um mit einem Segelflugzeug die gewünschte Segelflughöhe zu erreichen.
Eine ist, einen solchen motorlosen Gleitflieger mittels einer mobilen, dieselbetriebenen Aufrollwinde über eine Strecke, welche durch die Örtlichkeit des Segelflugplatzes vorgegeben ist und in diesem Fall fast tausend Meter misst, erheblich zu beschleunigen und somit auf die gewünschte Höhe zu schleppen.

Dies geschieht mit Hilfe eines Stahlseiles und einem Schlepphaken welcher am Bug des Segelfliegers eingehakt und nach Erreichen der gewünschten Flughöhe vom Piloten ausgeklinkt wird.
Das herabfallende Stahlseil einschließlich Schlepphaken wird durch einen weißen Fallschirm gebremst und gleichzeitig von der Aufrollwinde eingeholt.

Soweit die Fakten.

Es ist mir immer ein Genuss das früh morgendliche Starten eben dieser Segelflugzeuge zu beobachten.
Zum einen, weil der Segelflugplatz zu dieser Zeit noch wenig durch andere Zivilisten frequentiert wird und zum anderen weil der früh morgendliche Tag besser duftet als der ausklingende.

Die Begleitung meines Hundes potenziert die Schönheit dieser Augenblicke.

…über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. …

Ohne diese Erfahrung als Pilot jemals gemacht zu haben, ich habe Höhenangst, beflügelt mich meine Vorstellungskraft derart, das nur der Anblick dieser „weißen Vögel“ mich zutiefst beseelt.

Meine Gedanken kreisen ebenso losgelöst, gleich den weißen, filigranen Seglern empor.
Und genau aus dieser träumerischen Sehnsucht- nach erhabener Grenzenlosigkeit, nur den Wind und die Sonne als Gefährten- resultierte nachfolgende Geschichte, welche schlussendlich den Verlust von zwei Schneide- und einem Fangzahn zur Folge hatte.

Nicht meiner- wohlgemerkt, mit nunmehr vierundvierzig „Monden“ habe ich bereits „durchgezahnt“ und eine zeitnahe, kostenaufwendige Teilsanierung wartet vergebens auf einen Lottogewinn, sondern die meines vierzehn Wochen alten Terrier Rüden namens Rufus.

Glücklicher Weise handelte es sich hierbei nur um seine Milchzähne.
Der Verlust selbiger könnte jedoch mittelfristig eine Fehlstellung des Folgegebisses mit sich ziehen.

Keinesfalls sind meine Beweggründe für diesen morgendlichen Spaziergang rund um den Segelflugplatz mit seinen deckungsgleich.

Rufus Faszination für das Segelfliegen bezieht sich einzig und allein nur auf den herunterfallenden Schlepphaken samt Bremsfallschirm.
Es fällt mir schwer genau zu sagen, ab welcher Höhe er diesen herunter fallenden Bremsfallschirm visuell erfasst, vermutlich trägt das flatternde Geräusch zusätzlich dazu bei diesem
GOTT VERDAMMTEN WEISSEN RABEN
den Garaus zu machen.

Und das- für immer!

Koste es, was es wolle.

Eher beiläufig, aus dem Augenwinkel heraus, hatte ich bemerkt, wie er- ähnlich H. Hoffmanns „Hans-guck-in-die-Luft“ in den blauen Himmel starrte, dabei aber zügig an Fahrt aufnahm.

Ohne diesem Verhalten weiteres Interesse zu widmen, waren meine Gedanken wieder bei dem Segelflieger, welcher unmittelbar vorher, die stählerne Nabelschnur zur dröhnenden, bemannten Aufrollwinde gekappt hatte und jetzt begann, sich in den nötigen thermischen Aufwind zu drehen.

Ich schlurfte - dem filigranen Gleiter hinterher schauend, dabei einen Grashalm kauend - durch den morgendlichen Tau.

Wer es nicht kennt, dem sei es kurz erklärt.

Es klingt schrecklich (-schön) wenn ein Terrier- kreischend wie ein Sägeblatt, welches sich in ein Brett fest gefressen hat, seinen jagdlichen Dienst beginnt.
Ein Geläut, sofern man dieses nervige Geschräbbel nur ansatzweise so bezeichnen mag, welches nicht jedem Waidmann einen wohligen Schauer über den Rücken jagt.

Noch schlimmer, viel schlimmer schmerzt es in den Gehören, wenn aus gleicher, dienstbeflissener Motivation heraus, dieses hochfrequente Gekreische dem lockeren Halse eines pechschwarzen Jüngelchen entspringt.

Grässlich!

Aus dem bereits zuvor erwähnten Augenwinkel heraus, sah ich nun- und diesmal nicht, wie zuvor mit wenig Interesse- nein diesmal mit sehr großem Interesse, was der kleine kreischende Teufel für zielfokussierte Absichten hegte.

„Der weiße Rabe soll gemeuchelt werden.“

Die durch den Bremsfallschirm, also den weißen Raben, verringerte Geschwindigkeit des zu Boden fallenden Schlepphakens beim gleichzeitigen Einholen des Stahlseiles durch die Aufrollwinde ließ vermuten, dass dieser innerhalb der nächsten Sekunden Bodenkontakt haben würde und daher Rufus volle Aufmerksamkeit genoss.

Rufus riss alle Gänge materialvernichtend durch sein Getriebe, sein internes Gaspedal hatte er bis auf den Boden der Ölwanne durchgequetscht.
Sein kleiner 50ccm „Zweitakter“ drehte in schwindelerregende Höhen.
Der rotglühende Kolben hämmerte mit gefühlten vierzehntausend Touren unter seine Fontanelle und schrie nach mehr Hubraum und Luft.

Ich grinste. Von einem Ohr zum nächsten.

„Was ne kleine Drecksau.“

Es bestand nicht die geringste Chance für Rufus, den über den Boden schleifenden Fallschirm zu erreichen.

Ich wusste das.

Rufus nicht.

Über den DJT an sich und im einzelnen wurde an unterschiedlichen Stellen viel Suboptimales geschrieben.
Meine Erfahrungen bestätigen nahezu vollständig das Gegenteil.

Terrier sind faszinierende Hunde. Auch im nichtjagdlichen Miteinander.

Bekommt ein solch grundehrlicher Hitzkopf allerdings „etwas Grünes“ unter seine Läufe, dann ziehen Freud und Leid am gleichen Lebensfaden.

In entgegengesetzte Richtung.

Mittlerweile bin ich mir sicher, nicht nur Katzen haben sieben Leben.
Das macht es erträglich.

Warum auch immer, der Windendiesel stotterte kurz.

Die Zuggeschwindigkeit verringerte sich erheblich und der weiße Rabe samt Stahlseil lag leblos im Gras.
Der Maschinenführer der Aufrollwinde startete den Diesel erneut, zog beherzt am Gashebel und eine pechschwarze Rauchwolke rußte- politisch inkorrekt gen Himmel.

Rufus erreichte sein Ziel.

Klapp!

Ober- und Unterkiefer bilden eine Einheit und der weiße Rabe wurde seinerseits beherzt um die Behänge geschlagen.

Ich grinste noch immer.
Warum eigentlich?

Auch ohne Defibrillator erwacht der Weiße Rabe, wider Erwarten aus seinem Zustand des zeitlich befristeten Todes zu erneuter Vitalität und wurde mit steigender Geschwindigkeit, wie vom Windenführer gewünscht, zur Winde gezogen.

Von mir bis zu Rufus waren es dreißig bis vierzig Meter.
Bis zur dröhnenden Winde- mehr als hundert Meter.

Jetzt riss ich alle meine Gänge materialvernichtend durchs Getriebe.
Anaerobe Kaltstarts bis zum Ventilabriss waren und sind nicht meine Spezialität.

Rufus „ließ sich hängen“ und glitschte aalglatt, den Kiefer samt Bremsfallschirm fest geschlossen, durch das taunasse Gras.
Ich rannte hinterdrein, die noch tief stehende Sonne im Rücken.

Letzteres war der Grund, warum der Maschinenführer mich offensichtlich nicht sah und ungetrübt seine Arbeit verrichtete.

Den Vorwurf mich bei diesem grotesken Szenario noch weiter zu verblöden, indem ich mit beiden Armen zum Himmel meine Wärmehaube-Oliv schwenkte, um somit ein erneutes Stoppen der Winde zu erreichen, muss ich mir wohl gefallen lassen.

Rufus machte erstaunlicherweise einen entspannten Eindruck, während ich versuchte zu ihm auf zu schließen. Mit stoischer Gelassenheit ertrug er seine selbstverschuldete missliche Lage.

Glück im herannahendem Unglück- sein Kampfgeschrei war verstummt.

Der in einer sehr kleinen Blechkabine sitzende Windenführer, welche neben den insgesamt sechs Winden auf dem LKW montiert sind, lehnte seinen massigen, plumpen Oberkörper heraus und starrte in meine Richtung.

Meine Rufe „STOP-STOP“ quittierte er mit untätigem aber nicht emotionsbefreitem Aktionismus.

Nach einer unendlichen langen Sekunde schien bei ihm der Groschen gefallen zu sein.
Er nahm die Hand vom Gas.

Aufgereiht wie auf einer Perlenschnur, blieb das Drahtseil mit Schlepphaken und dem Bremsfallschirm samt Rufus im Gras liegen.

Letzterer war erstaunlich schnell wieder auf den Läufen und macht „stante pede“ damit weiter, womit er zuvor aufgehört hatte, nachdem er erheblich „beschleunigt“ wurde.
Zuerst mit einer „Griffkorrektur“, dann mit dem Beuteln des Raben.

Im Laufschritt griff ich mit meiner rechten Hand zur rechten Gesäßtasche und fummelt die Geldbörse hervor.
Mit der Linken schnappte ich Rufus im Nackenfell, welcher- seinem Auftrag verpflichtet, sich noch immer den Raben um die Behänge schlug.

Wie soll man in einem solchen Moment eine lückenlose Argumentationskette aufbauen?
Gar nicht!

Der Windenführer ließ sich aus seiner gelb-blauen Blechdose fallen, offensichtlich hatte sich die Gesäßnaht seiner sehr pressig sitzenden blauen Latzhose in seinen Allerwertesten gezogen und betrachtete mich erfreulicherweise eher amüsiert als erbost.

Sein birnenförmiger, kahlgeschorener Schädel, welcher nahezu halslos auf seinen schmalen Schultern gewachsen war, und seine kleinen schwarzen, eng stehenden Augen, über denen nur eine breite, durchgehende, borstige Monoschwinge gewachsen war, ließen meine Hoffnung zur Sicherheit werden-
Der tut nix.

Kopfschüttelnd, seine haarigen, massigen Unterarme in seinen Hosen vergraben, blinzelte er mich kopfschüttelnd an.
Einhändig und immer noch schnaufend nestelte ich einen fünfzig Euro Schein aus meinem Portemonnaie und stopfte ihm diesen in seine äußerst unvorteilhaft sitzende, blaue Latzhosentasche.

Mit schafsartigem Gesichtsausdruck sagte ich-
„Stimmt so- Keule“

Er blinzelte, dreht sich um und schlurfte kopfschüttelnd von dannen, während ich versuchte aus Rufus Fang den Raben zu popeln.

„Nüscht passiert. Der Schirm sieht juud aus.“ rief ich ihm hinterher.

Er winkte ab, ohne sich die Mühe zu machen, dies zu kontrollieren.

Der rechte Fangzahn war unauffindbar.
Die beiden Schneidezähne hingen im „weißen Federkleid“.



Heute, fünf Jahre nach diesem Erlebnis hat Rufus seine sieben Leben bereits aufgebraucht.
Keines davon hätte er bereut.
Mein kleiner schwarzer Jäger ist keine drei Jahre alt geworden.


Aber ich weiß, und das mit unbeirrbarer Gewissheit, er jagt weiter.
Diesmal bis zum Horizont.

Der Wind hat seine Asche in alle Himmelsrichtungen verteilt.

…über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. …



Ho Rüd ho & Waidmannsheil
Ike
 
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:lol::lol::lol:

@ ike,

Applaus, Applaus, super geschrieben. Ich möchte mehr davon!


Grosso
 
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5.542
Sehr gut geschrieben, man kann sich das Geschehen so richtig bildlich vorstellen. :thumbup:
Auch wenn es letzten Endes ein Nachruf ist ...

Dass der Windenfahrer keine Angst um den Seilfallschirm hatte, ist nachvollziehbar: Dafür werden gern ausgemusterte Bremsschirme von Starfighter und so genommen. Den kriegt auch der durchgeknallteste Terrier nicht klein.
 
Zuletzt bearbeitet:
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396
Ich war in einem früheren Leben, so vor etwa 30kg, auch Segelflieger auf einem nahegelegenen Platz. Und natürlich gab es bei den Fliegern wie heute bei den Jägern auch immer sehr viel zu erzählen.
So hat man mir auch eine ganz ähnliche Geschichte erzählt. Beim Start des Segelflugzeuges ist besagter Fallschirm ja noch mit demselben verbunden. Ein Teckel hat sich immer den Spaß gemacht, dem startenden Flugzeug hinterher zu rennen. Der Hundeführer hat es immer so getimt, daß es beinahe gereicht hat. Aber eben nur beinahe.
Eines Tages war ein neuer Maschinist auf der Winde, der offenbar noch nicht das richtige Gefühl für die Schleppgeschwindigkeit entwickelt hatte und am Anfang schlicht zu langsam angezogen hat. Es kam, wie es kommen mußte! Der Teckel hat den Fallschirm zu fassen bekommen. Und gehalten. Und erst in 50 Meter Höhe wieder losgelassen! Flugzeug und Fallschirm haben überlebt, der Hund natürlich nicht.
Ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, kann ich zwar nicht bestätigen, da ich es nur vom Hörensagen kenne; so oft, wie ich die Geschichte aber schon gehört habe, und so, wie ich einen hartnäckigen Teckel einschätze, könnte es schon stimmen.

Also ... auch wenn das Wild noch so lockt, den Hund nicht zu früh schnallen :no:

Grüßle

Nightmare
 
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Moin

@nightmare
Kann nicht stimmen, in der Geschichte hat der Hund schließlich losgelassen :D

Waidmannsheil

Meetschloot
 
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„Über den Wolken

Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein
Alle Ängste, alle Sorgen

sagt man
blieben darunter verborgen
Und dann
würde was uns groß und wichtig erscheint
plötzlich nichtig und klein.“
So melancholisch intonierte einst Herr R. Mey.

Nach diesem Chanson Intro, welches dem Leser zur Einstimmung dienen soll, nun ein kurzer Exkurs in die faszinierende Welt des Segelflugs.
Die nachfolgenden Fakten sollen zum besseren Verständnis beitragen, um mein nachfolgendes Hundeerlebnis, um das es in diesen Thread ja schlussendlich geht, besser zu verstehen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, um mit einem Segelflugzeug die gewünschte Segelflughöhe zu erreichen.
Eine ist, einen solchen motorlosen Gleitflieger mittels einer mobilen, dieselbetriebenen Aufrollwinde über eine Strecke, welche durch die Örtlichkeit des Segelflugplatzes vorgegeben ist und in diesem Fall fast tausend Meter misst, erheblich zu beschleunigen und somit auf die gewünschte Höhe zu schleppen.

Dies geschieht mit Hilfe eines Stahlseiles und einem Schlepphaken welcher am Bug des Segelfliegers eingehakt und nach Erreichen der gewünschten Flughöhe vom Piloten ausgeklinkt wird.
Das herabfallende Stahlseil einschließlich Schlepphaken wird durch einen weißen Fallschirm gebremst und gleichzeitig von der Aufrollwinde eingeholt.

Soweit die Fakten.

Es ist mir immer ein Genuss das früh morgendliche Starten eben dieser Segelflugzeuge zu beobachten.
Zum einen, weil der Segelflugplatz zu dieser Zeit noch wenig durch andere Zivilisten frequentiert wird und zum anderen weil der früh morgendliche Tag besser duftet als der ausklingende.

Die Begleitung meines Hundes potenziert die Schönheit dieser Augenblicke.

…über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. …

Ohne diese Erfahrung als Pilot jemals gemacht zu haben, ich habe Höhenangst, beflügelt mich meine Vorstellungskraft derart, das nur der Anblick dieser „weißen Vögel“ mich zutiefst beseelt.

Meine Gedanken kreisen ebenso losgelöst, gleich den weißen, filigranen Seglern empor.
Und genau aus dieser träumerischen Sehnsucht- nach erhabener Grenzenlosigkeit, nur den Wind und die Sonne als Gefährten- resultierte nachfolgende Geschichte, welche schlussendlich den Verlust von zwei Schneide- und einem Fangzahn zur Folge hatte.

Nicht meiner- wohlgemerkt, mit nunmehr vierundvierzig „Monden“ habe ich bereits „durchgezahnt“ und eine zeitnahe, kostenaufwendige Teilsanierung wartet vergebens auf einen Lottogewinn, sondern die meines vierzehn Wochen alten Terrier Rüden namens Rufus.

Glücklicher Weise handelte es sich hierbei nur um seine Milchzähne.
Der Verlust selbiger könnte jedoch mittelfristig eine Fehlstellung des Folgegebisses mit sich ziehen.

Keinesfalls sind meine Beweggründe für diesen morgendlichen Spaziergang rund um den Segelflugplatz mit seinen deckungsgleich.

Rufus Faszination für das Segelfliegen bezieht sich einzig und allein nur auf den herunterfallenden Schlepphaken samt Bremsfallschirm.
Es fällt mir schwer genau zu sagen, ab welcher Höhe er diesen herunter fallenden Bremsfallschirm visuell erfasst, vermutlich trägt das flatternde Geräusch zusätzlich dazu bei diesem
GOTT VERDAMMTEN WEISSEN RABEN
den Garaus zu machen.

Und das- für immer!

Koste es, was es wolle.

Eher beiläufig, aus dem Augenwinkel heraus, hatte ich bemerkt, wie er- ähnlich H. Hoffmanns „Hans-guck-in-die-Luft“ in den blauen Himmel starrte, dabei aber zügig an Fahrt aufnahm.

Ohne diesem Verhalten weiteres Interesse zu widmen, waren meine Gedanken wieder bei dem Segelflieger, welcher unmittelbar vorher, die stählerne Nabelschnur zur dröhnenden, bemannten Aufrollwinde gekappt hatte und jetzt begann, sich in den nötigen thermischen Aufwind zu drehen.

Ich schlurfte - dem filigranen Gleiter hinterher schauend, dabei einen Grashalm kauend - durch den morgendlichen Tau.

Wer es nicht kennt, dem sei es kurz erklärt.

Es klingt schrecklich (-schön) wenn ein Terrier- kreischend wie ein Sägeblatt, welches sich in ein Brett fest gefressen hat, seinen jagdlichen Dienst beginnt.
Ein Geläut, sofern man dieses nervige Geschräbbel nur ansatzweise so bezeichnen mag, welches nicht jedem Waidmann einen wohligen Schauer über den Rücken jagt.

Noch schlimmer, viel schlimmer schmerzt es in den Gehören, wenn aus gleicher, dienstbeflissener Motivation heraus, dieses hochfrequente Gekreische dem lockeren Halse eines pechschwarzen Jüngelchen entspringt.

Grässlich!

Aus dem bereits zuvor erwähnten Augenwinkel heraus, sah ich nun- und diesmal nicht, wie zuvor mit wenig Interesse- nein diesmal mit sehr großem Interesse, was der kleine kreischende Teufel für zielfokussierte Absichten hegte.

„Der weiße Rabe soll gemeuchelt werden.“

Die durch den Bremsfallschirm, also den weißen Raben, verringerte Geschwindigkeit des zu Boden fallenden Schlepphakens beim gleichzeitigen Einholen des Stahlseiles durch die Aufrollwinde ließ vermuten, dass dieser innerhalb der nächsten Sekunden Bodenkontakt haben würde und daher Rufus volle Aufmerksamkeit genoss.

Rufus riss alle Gänge materialvernichtend durch sein Getriebe, sein internes Gaspedal hatte er bis auf den Boden der Ölwanne durchgequetscht.
Sein kleiner 50ccm „Zweitakter“ drehte in schwindelerregende Höhen.
Der rotglühende Kolben hämmerte mit gefühlten vierzehntausend Touren unter seine Fontanelle und schrie nach mehr Hubraum und Luft.

Ich grinste. Von einem Ohr zum nächsten.

„Was ne kleine Drecksau.“

Es bestand nicht die geringste Chance für Rufus, den über den Boden schleifenden Fallschirm zu erreichen.

Ich wusste das.

Rufus nicht.

Über den DJT an sich und im einzelnen wurde an unterschiedlichen Stellen viel Suboptimales geschrieben.
Meine Erfahrungen bestätigen nahezu vollständig das Gegenteil.

Terrier sind faszinierende Hunde. Auch im nichtjagdlichen Miteinander.

Bekommt ein solch grundehrlicher Hitzkopf allerdings „etwas Grünes“ unter seine Läufe, dann ziehen Freud und Leid am gleichen Lebensfaden.

In entgegengesetzte Richtung.

Mittlerweile bin ich mir sicher, nicht nur Katzen haben sieben Leben.
Das macht es erträglich.

Warum auch immer, der Windendiesel stotterte kurz.

Die Zuggeschwindigkeit verringerte sich erheblich und der weiße Rabe samt Stahlseil lag leblos im Gras.
Der Maschinenführer der Aufrollwinde startete den Diesel erneut, zog beherzt am Gashebel und eine pechschwarze Rauchwolke rußte- politisch inkorrekt gen Himmel.

Rufus erreichte sein Ziel.

Klapp!

Ober- und Unterkiefer bilden eine Einheit und der weiße Rabe wurde seinerseits beherzt um die Behänge geschlagen.

Ich grinste noch immer.
Warum eigentlich?

Auch ohne Defibrillator erwacht der Weiße Rabe, wider Erwarten aus seinem Zustand des zeitlich befristeten Todes zu erneuter Vitalität und wurde mit steigender Geschwindigkeit, wie vom Windenführer gewünscht, zur Winde gezogen.

Von mir bis zu Rufus waren es dreißig bis vierzig Meter.
Bis zur dröhnenden Winde- mehr als hundert Meter.

Jetzt riss ich alle meine Gänge materialvernichtend durchs Getriebe.
Anaerobe Kaltstarts bis zum Ventilabriss waren und sind nicht meine Spezialität.

Rufus „ließ sich hängen“ und glitschte aalglatt, den Kiefer samt Bremsfallschirm fest geschlossen, durch das taunasse Gras.
Ich rannte hinterdrein, die noch tief stehende Sonne im Rücken.

Letzteres war der Grund, warum der Maschinenführer mich offensichtlich nicht sah und ungetrübt seine Arbeit verrichtete.

Den Vorwurf mich bei diesem grotesken Szenario noch weiter zu verblöden, indem ich mit beiden Armen zum Himmel meine Wärmehaube-Oliv schwenkte, um somit ein erneutes Stoppen der Winde zu erreichen, muss ich mir wohl gefallen lassen.

Rufus machte erstaunlicherweise einen entspannten Eindruck, während ich versuchte zu ihm auf zu schließen. Mit stoischer Gelassenheit ertrug er seine selbstverschuldete missliche Lage.

Glück im herannahendem Unglück- sein Kampfgeschrei war verstummt.

Der in einer sehr kleinen Blechkabine sitzende Windenführer, welche neben den insgesamt sechs Winden auf dem LKW montiert sind, lehnte seinen massigen, plumpen Oberkörper heraus und starrte in meine Richtung.

Meine Rufe „STOP-STOP“ quittierte er mit untätigem aber nicht emotionsbefreitem Aktionismus.

Nach einer unendlichen langen Sekunde schien bei ihm der Groschen gefallen zu sein.
Er nahm die Hand vom Gas.

Aufgereiht wie auf einer Perlenschnur, blieb das Drahtseil mit Schlepphaken und dem Bremsfallschirm samt Rufus im Gras liegen.

Letzterer war erstaunlich schnell wieder auf den Läufen und macht „stante pede“ damit weiter, womit er zuvor aufgehört hatte, nachdem er erheblich „beschleunigt“ wurde.
Zuerst mit einer „Griffkorrektur“, dann mit dem Beuteln des Raben.

Im Laufschritt griff ich mit meiner rechten Hand zur rechten Gesäßtasche und fummelt die Geldbörse hervor.
Mit der Linken schnappte ich Rufus im Nackenfell, welcher- seinem Auftrag verpflichtet, sich noch immer den Raben um die Behänge schlug.

Wie soll man in einem solchen Moment eine lückenlose Argumentationskette aufbauen?
Gar nicht!

Der Windenführer ließ sich aus seiner gelb-blauen Blechdose fallen, offensichtlich hatte sich die Gesäßnaht seiner sehr pressig sitzenden blauen Latzhose in seinen Allerwertesten gezogen und betrachtete mich erfreulicherweise eher amüsiert als erbost.

Sein birnenförmiger, kahlgeschorener Schädel, welcher nahezu halslos auf seinen schmalen Schultern gewachsen war, und seine kleinen schwarzen, eng stehenden Augen, über denen nur eine breite, durchgehende, borstige Monoschwinge gewachsen war, ließen meine Hoffnung zur Sicherheit werden-
Der tut nix.

Kopfschüttelnd, seine haarigen, massigen Unterarme in seinen Hosen vergraben, blinzelte er mich kopfschüttelnd an.
Einhändig und immer noch schnaufend nestelte ich einen fünfzig Euro Schein aus meinem Portemonnaie und stopfte ihm diesen in seine äußerst unvorteilhaft sitzende, blaue Latzhosentasche.

Mit schafsartigem Gesichtsausdruck sagte ich-
„Stimmt so- Keule“

Er blinzelte, dreht sich um und schlurfte kopfschüttelnd von dannen, während ich versuchte aus Rufus Fang den Raben zu popeln.

„Nüscht passiert. Der Schirm sieht juud aus.“ rief ich ihm hinterher.

Er winkte ab, ohne sich die Mühe zu machen, dies zu kontrollieren.

Der rechte Fangzahn war unauffindbar.
Die beiden Schneidezähne hingen im „weißen Federkleid“.



Heute, fünf Jahre nach diesem Erlebnis hat Rufus seine sieben Leben bereits aufgebraucht.
Keines davon hätte er bereut.
Mein kleiner schwarzer Jäger ist keine drei Jahre alt geworden.


Aber ich weiß, und das mit unbeirrbarer Gewissheit, er jagt weiter.
Diesmal bis zum Horizont.

Der Wind hat seine Asche in alle Himmelsrichtungen verteilt.

…über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. …



Ho Rüd ho & Waidmannsheil
Ike

Super geschrieben! :thumbup: :thumbup:

Wann schreibst du deinen nächsten großen Roman, Ike? :roll:
 
G

Gelöschtes Mitglied 13565

Guest
Bin völlig ratlos - wie das passieren konnte. Gerade denk ich so - hey Papierkorb!?? - Plötzlich BAMM- einfach explodiert... :no:


Anhang anzeigen 19171



CdB :twisted:
 
Registriert
27 Sep 2006
Beiträge
27.241
"Wie - Du hast nicht "Mach mal Konfetti" gesagt???" :lol:

:cheers:

Viele Grüße

Joe
 
A

anonym

Guest
.. hab`s bestimmt schon 3x gelesen.

Einfach top geschrieben! Ganz großes Kompliment!!! :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

(hast ein gutes zweites Standbein oder anders gesagt.. da gibt`s was, was Du auch noch super kannst)
 

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