Einer der Foristen schrieb: ...wenn man sich selber in so einer Situation befindet.
Ja, dann sieht die Welt ganz anders aus!
Unsere Mutter ist 1979 mit 49 Jahren nach dem jahrelangen durchexerzieren der Hämodialyse (Shunts an beiden Armen gingen kaputt) und der Peritonealdialyse verstorben und wir Kinder bzw. Jugendlichen wussten nach der Obduktion, daß aus ihrer Familie unser Genpool mit der Zystenniereplage dominant verseucht ist.
Im III. Reich wären wir deshalb sicher zwangssterilisiert worden, waren jedoch selbst soweit bei klarem Verstand, uns ein Fortpflanzungsverbot aufzuerlegen. Wir hofften auf einen möglichst langsamen Verlauf dieser Krankheit und analog zu den rasanten Entwicklungen in der Technik auf ebenso bahnbrechende und uns Lösungen versprechende medizinische Fortschritte.
Wie ernüchternd die tatsächliche Situation auch nach 20 Jahren war, konnten wir sehen, als der erste von uns 1999 im Alter von 40 Jahren an die Dialyse und auf die Warteliste musste. Nach 5 Jahren erhielt er eine sogenannte postmortale Spende.
2011 war der nächste Bruder mit 48 Jahren an der Reihe. Auch für ihn hätte es wieder nur die Alternative Hämo- oder Peritonealdialyse und einen Wartelistenplatz gegeben, wenn sich nicht seine Frau zu einer Lebendspende entschlossen hätte. Glücklicherweise überstand die Spenderin alle ausführlichen Untersuchungen „ohne Einschränkungen“ und die Transplantation konnte erfolgreich durchgeführt werden.
Auch bei mir war nach einer 2015 gut überstandenen komplizierten Herzoperation dann im Jahr 2017 mit 61 Jahren die Umwandlung der Nieren in eine nahezu funktionslose zystengefüllte 10 kg-Masse abgeschlossen. Als Lebendspenderin hatte sich meine (glücklicherweise von der Erbkrankheit verschont gebliebene) Schwester vor meine Frau und meine Stieftochter positioniert. Mit ihr zusammen absolvierte ich nach den üblichen außerklinischen Voruntersuchungen (Magen- und Darmspiegelung, Zahnarzt, Hautarzt und bei meiner Schwester noch die gynäkologische Sparte) in einem einwöchigen stationären Klinikaufenthalt alle weiteren erforderlichen Untersuchungen.
Unser ursprünglich durch die optimalen Ausgangsparameter meiner 54jährigen Schwester (sehr aktive und gesundheitsbewusste kerngesunde Freizeitsportlerin) befeuerter Optimismus wurde durch die ernüchternde Feststellung einer bei ihr vorhandenen Eiweissverschiebung im Blut, die in eine spätere Erkrankung übergehen kann, auf den Boden der Tatsachen geholt. Durch diese Diagnose war sie, trotz dem ansonsten glänzenden Gesundheitszustand – zuallerst natürlich im eigenen Interesse – aus dem Rennen.
Nun ging meine Frau an den Start. Die Voruntersuchungen verliefen erwartungsgemäß gut und auch am ersten stationäre Tag gab es Erfolgsmeldungen. Der zweite Tag brachte den Tiefschlag: Bei ihr wurde ein tischtennisballgroßes „Gewächs“ in der Lunge festgestellt. Sie blieb gleich in der Klinik und lag ein paar nervenaufreibende Tage später unter dem Messer. Die im Vorfeld der OP Zuversicht verbreitenden Ärzte beichteten ihre große Skepsis zum guten Ausgang erst nach der Bekanntgabe, daß es keine bösartige Wucherung war. Die nach dem Heilungsprozess fortgesetzten Untersuchungen attestierten auch ihr einen hervorragenden Gesundheitszustand, schlossen sie jedoch wegen der manifestierten Veranlagung zu Diabetes von der Spende aus.
Nun war meine 40jährige Stieftochter, die bereits als Teenager ihre Spendenbereitschaft postuliert und dies immer wieder bekundet hatte, am Ball. Ihre Untersuchungen verliefen bestens und die Transplantationsmediziner bescheinigten ihr eine phänomenale Gesamtkonstitution. Lediglich die unterschiedlichen Blutgruppen bauten eine kleine Barriere auf, die aber durch die mittlerweile praktizierbare zweieinhalbwöchige Ausfiltrierung der Antikörper direkt vor der Transplantation bei mir als Empfänger überwunden werden konnte.
Die Transplantation verlief komplikationslos und erfolgreich, meine Spenderin konnte 5 Tage nach der OP nach Hause, verzichtete auf die Reha und ging 5 Wochen später mit ihrer Familie zum skifahren.
In der Reha lernte ich transplantierte Mitpatienten kennen, die überwiegend 7 bis 9 Jahre (!) ihres Lebens wöchentlich drei Mal für 5 oder noch mehr Stunden an den Dialysenadeln hängend auf ein lebenswichtiges Spenderorgan gewartet hatten. Inoffizieller Glanzpunkt war hierbei die Anwesenheit von zwei Patienten, die postmortal von einem einzelnen Spender die Nieren bekommen hatten.
Jeden einzelnen Tag bin ich dankbar, daß es -zumindest in meinem Umfeld- Menschen gibt, die mir selbstlos und uneingeschränkt und im wahrsten Sinne hingebungsvoll zur Seite gestanden sind, als es gezählt hat. Ich war zum großen Glück nicht auf die einem ansonsten sich so humanistisch gebenden Land unwürdig desaströs niedrige postmortale Spendenbereitschaft angewiesen.
Die jetzt anlaufenden Diskussionen und die daraus hoffentlich resultierenden Maßnahmen im skizzierten Umfang sind schon sehr sehr lange überfällig. Bis zur endgültigen Umsetzung und der Schaffung erforderlicher klinischer Infrastrukturen und Finanzausstattungen wird es leider noch manches Leben schwerkranker und auf eine rasche Transplantation hoffender Patienten kosten. Es zählt hier wirklich jeder Tag!
Ich wünsche von Herzen allen Patienten, die immer noch auf einer Warteliste stehen Geduld und Durchhaltevermögen. Nicht umsonst kann ich an dieser Stelle ganz groß schreiben:
Organspender sind Lebensretter!