Jagd braucht Traditionsbewusstsein

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Das es bei Drückjagden kein Jagdgericht gibt, hat sicher seinen Grund. Es gibt wohl kaum einen Personenkreis der nach Drückjagden bisweilen so angelogen wird wie der Jagdleiter. Die Bache kam alleine, aber einen Stand vorher waren die Frischlinge noch dabei:unsure: Dann die Füchse über die hier schon gesprochen wurden. Oder die Versicherung einwandfrei vorbei geschossen zu haben.

Niederwildjagden sind da ehrlicher. Da hat man jede Menge Zuschauer die dann auch hinterher dies oder das kritisch würdigen. Die Bruchpiloten an der Flinte stehen im Blickpunkt der gesamten oder größten Teil aller Teilnehmer. Da ist nicht viel Platz für Märchen.
Ich sehe in dieser Öffentlichkeit zu jagen und sich ggf. auch zu blamieren einen wichtigen Grund, warum viele den Schrotschuss persönlich ablehnen. Da sitzt man lieber im alleine im dunklen Tann oder außer Sicht auf dem Drückjagdbock. und kann sich für hinterher eine Geschichte ausdenken die niemand nachprüfen kann.

Die Zeiten der Niederwildjagden war ein ehrlicher Rahmen für das Ansehen eines Jägers und seines Hundes. Heute kann es nicht schnell genug gehen mit der Anerkennung. Jeder braucht die und ein russisches Sprichwort sagt, dass sie drei Winter warm hält. Daher schreibt man auch kein Jagdtagebuch, was etwas intimes ist sondern postet seine angeglichen Heldentaten auf Youtube oder Facebook. Mein Jagdtagebuch sieht niemand außer mir. Wenn sich meine Erben mal drüber her machen, soll mir das Wurst sein.
 
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Verweigere den Mist auch weitgehend. Lediglich bei WhatsApp kam ich letztendlich nicht mehr aus. Im letzten Revier lief alles über die Gruppe. Hätte vermutlich heut noch mein Tastenhandy....
 
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Ich denke, man sollte die "gute alte Zeit" der Niederwildjagden nicht zu sehr verklären. Das Jagdgericht endete damit, dass man den Schneider recht derbleckt hatte und er letztlich die ein oder anderen Runden zahlen musste. Gute Flintenschützen gabs auch früher nicht in der Mehrzahl. Freilich hatten die Meisten gute Hunde, weil die Hundsleut der BJV-Ortsgruppen ja selber alle niederwildlastig waren. Und so hat man ihnen nicht verübelt, wenn sie die Lüfte siebten.

Was natürlich im Vergleich zu heute unschlagbar gewesen ist, war die Kameradschaft. Das erklärt sich aber auch dadurch, dass man die ganze Saison über im Prinzip nix anderes tat, als den gegenseitigen Einladungen zu folgen und der Schüsseltrieb Spass machen durfte. An so manchem bitterkalten Tag war nach dem ersten Trieb der Flachmann leer. In den Wirtshäusern gings bis in die späten Abendstunden und das nicht bei Spezi, Wasser oder sonstigen Läusewässern. Das Auto fuhr auf alle Fälle immer heim und wenn man das Schlüsselloch vom Waffenschrank nimma so recht fand, half hat die Frau und sperrte alles weg oder die Flinte war eh nass und hing ein paar Tag neben den Fassanen. :cool:

Es wurde damals genug angebleit, aber die Hund machten es halt wieder gut und wenn man wusste, der und der trifft eh nix, war der trotzdem immer mit dabei. Gegen freie Runden hatte keiner was und ein Einheimischer wurde nie ausgeschlossen.

Abgesehen davon ist früher auch genug passiert und das ein oder andere Schrotkörndl wurde anschließend eben aus der Lederhose oder Lodenjoppn gepult. Die Anschlusskommunikation war eher herzhaft deftig und keineswegs gepflegt. :D

Als aber dann die Automaten aufkamen und die Strecken niedriger wurden, gabs auf Euren so geliebten Niederwildjagden genauso viele A...., wie heute bei den anonymen Bewegungsjagden. Der Unterschied ist nur, heute sprechen die Meisten dialektfrei und sind chic angezogen.
 
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... Was natürlich im Vergleich zu heute unschlagbar gewesen ist, ... An so manchem bitterkalten Tag war nach dem ersten Trieb der Flachmann leer. In den Wirtshäusern gings bis in die späten Abendstunden und das nicht bei Spezi, Wasser oder sonstigen Läusewässern. Das Auto fuhr auf alle Fälle immer heim und wenn man das Schlüsselloch vom Waffenschrank nimma so recht fand, half hat die Frau und sperrte alles weg oder die Flinte war eh nass und hing ein paar Tag neben den Fassanen. :cool:

Es wurde damals genug angebleit, aber die Hund machten es halt wieder gut ...
Schön, dass ich DAS nicht mehr erleben muss.
 
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Wenn jemand noch in der Lage ist, mit gewissem Stil und beredtem Witz ein Jagdgericht nach einer Jagd (gleich ob Nieder-oder Schalenwild) abzuhalten, das sich wirklich mit jagdlichen "Verfehlungen" beschäftigt, dann finde ich das unterhaltsam.

Wenn aber, wie ich als junger Jäger mal in einem Pachtrevier an der Mosel erlebte, lächerliches Kabarett aufgeführt wird, was mit Jagd kaum mehr zu tun hat, dann find ich das überflüssig und mit der ursprl. Tradition hat es nichts mehr zu tun.

Wie so oft, hängt es an den Menschen, was dabei raus kommt und offensichtlich ist es auch gegenweise sehr verschieden, wie hier einige schreiben.

Nach den Niederwildjagden, die ich als Treiberjunge und später Jungjäger in meiner usprl. Heimat im Bergischen Land erlebte, gab es immer zünftige Schüsseltreiben in der Dorfkneipe, die Hunde lagen hinter uns, die Flinten standen in der Ecke. Manchmal vergaß auch ein Jäger seinen Püster zu vorgerückter Stunde, der Wirt stellte ihn dann sicher.
Gut gegessen und (durch manche;)) auch getrunken wurde damals tatsächlich noch - jedoch großes Theater mit Jagdgericht hab ich da nicht erlebt.
Vater war immer wichtig, daß wir noch heil nach Hause kamen. Wir wurden abgeholt oder fuhren mit dem Zug, v.a. an autofreien Sonntagen mit karnickelgefüllten Rucksäcken, Hunden und Püster.

Tempi passati...!
 
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Irgendwann meinte einer ein Ritual einführen zu müssen...und schon fands Eingang in die Brauchtums-Fibel. Jagdhistorischen Wert hat sowas nicht.
 

steve

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Hatte neulich von Hespeler eine bissige Bemerkung zum Traditionsbewusstsein der modernen Jäger gelesen. Er stellte die Frage in den Raum wie weit es damit bestellt sei, wenn man eher im Kampfanzug als im bürgerlichen Jagdanzug von 1848 (schwarzer Anzug, weißes Hemd) auf einer Drückjagd akzeptiert würde. Sicher, sich kleiden wie vor knapp 200 Jahren erscheint mir auch wunderlich. Im Kontext „Tradition“ und deren Verankerung in unserem Bewusstsein fand ich den Gedanken aber interessant.
 
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Der Geschmack heutiger Jäger, sich zu kleiden nach Zeitgeist und Ausrüstungsmodetrends, zeugt vom Nichtvorhandensein desselben...;).
Es ist nicht ausgeschlossen, das in 50 Jahren das den zukünftigen Jungjägern aber als jagdliche Tradition verkauft wird, wie ein Mitglied des SEK rumzulaufen...:LOL:
 
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Der Geschmack heutiger Jäger, sich zu kleiden nach Zeitgeist und Ausrüstungsmodetrends, zeugt vom Nichtvorhandensein desselben...;).
Es ist nicht ausgeschlossen, das in 50 Jahren das den zukünftigen Jungjägern aber als jagdliche Tradition verkauft wird, wie ein Mitglied des SEK rumzulaufen...:LOL:
Mich kleidet der Mantel meines Großvaters und die alte Baschlik meines Vaters hervorragend. Zum Glück hatte Opa die selbe Statur. :cool:
 

z/7

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Hatte neulich von Hespeler eine bissige Bemerkung zum Traditionsbewusstsein der modernen Jäger gelesen. Er stellte die Frage in den Raum wie weit es damit bestellt sei, wenn man eher im Kampfanzug als im bürgerlichen Jagdanzug von 1848 (schwarzer Anzug, weißes Hemd) auf einer Drückjagd akzeptiert würde. Sicher, sich kleiden wie vor knapp 200 Jahren erscheint mir auch wunderlich. Im Kontext „Tradition“ und deren Verankerung in unserem Bewusstsein fand ich den Gedanken aber interessant.

Also dieser Unterschied dürfte sehr wohl Tradition im engsten Sinne sein, weil jagdhandwerklich bedingt. Tarnung ist auf einer Treibjagd überflüssig, der Hahn steht nicht schneller oder langsamer auf ob der Kragen nun weiß oder grün ist.

Wir tragen heute wie damals das, was die vorrangig ausgeübte Jagdart erfordert. Nicht mehr und nicht weniger.
 
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Meiner Meinung haben Jagdgerichte so wenig mit Tradition zu tun, wie die Frage ob man mit links oder rechts trinkt.

Als Jugendlicher JJ war ich einmal Jagdkönig und ne Woche später Schuldiger beim Jagdgericht. Da ging eine Vierteljahr Taschengeld drauf. Die einzige Tradition bestand darin, abnehmend gepflegt einen wegzuzwittschern und jemand zu finden, der dafür zahlt.
 

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