Hi,
jagdliche Traditionen sind für mich die weitergereichte Asche der Jagd, der äußerlichen bürgerlichen Mimikry im Adelsgewand. Die Rituale stinken eben nach Frevert, nach dem trotzigen Behaupten eines Ulrich Scherping nach dem Kriege ( "Wildstände, beneidet von den Alliierten", eben wegen der jagdlichen Gebremstheit durch diese Kultur streng hierarchischer Ordnung der Jägertrüppchen unter Ausgrenzung des Proletariats und aller - eben auch politisch- nicht stromlinienförmig Angepassten ) und fordern damit eben als korrekten "Waidkollegen" ( so steht es heute in den Nacrufen, "Weidgenosse"sagt man ja nimmer). ausgesiebt konservativen Gutbürger, die ohne Widerspruch veraltete dumpfbackige Biologismen ein für allemal als Dogmen gelten lassen.
Was interessiert einen Handwerker an einem Kollegen das Hemd und die Krawatte? Mich interessiert am Mit-Jagenden, ob er mir dasselbe freudig gönnt, was er sich selbst wünscht, interessiert das Feuer in seinen Augen und seine Beherrschungsfähigkeit eben dieser Passion. Ich komme nicht mit ihm klar, wenn er mit Hass und Verachtung ( Apartheid im Kopf) Tiere schändlich bejagt/ bejagen lässt (" ich schieße jeden Fuchs- in jeder Lage, auf jed Entfernung, zu jeder Jahreszeit!"...Originalität von einem Volljuristen aus der richtigen Partei, Offizier der Reserve, Rotarier, LJV-Funktionsträger). Komme niemals mit ihm zurecht, wenn er Freigaben so einschränkt, dass irgendein Gefälle zuungunsten der "Parias" wie Jungjägern/ revierlosen "Waidkameraden" spürbar wird bzw. das Ziel der trophäenzentrierten "Hege" für seine eigenen narzisstischen Ziele merklich wird. Er oder sie kann kein/e Weidgenossin sein, wenn Jagdneid aus ihren Taten sprechen, wenn sie an überkommenen Vorstellungen der Wildbiologie festhalten wie " Beutegreifer regulieren ihre Beutebestände!" oder von der Phäne auf die Gene schließen ( "ein guter Vererber!"). Auch technisch muss ein Weidgenosse auf dem Zack bleiben, den man seinem Alter abverlangen kann - ich verlange vom 82-Jährigen Jagdkumpel also nicht die Sauentriplette auf der Bewegungsjagd, aber dass er nicht mit Drilling antritt und dass er seit Katarakt-Operation und anderen einschränkenden Gebresten halt grade doch doppelt so oft im schiesskino war wie ein junger Routinier-und den einen Frischling dafür trifft.
Ein guter Jäger hat begriffen, dass er mir Wild geringelt und ohne freilegte Lendenfilets anliefert und wie ( simpel) das geht - dass es nicht Wurst ist, sowas zu erlernen, dass man aus Achtung vor der Delikatesse althergebrachtes Vollaufschneiden-mit-Druck-Ausspritzen als dumme und rohe Fleischentwertung bleiben lässt. Und ein "guter Mitjäger" interessiert sich für das gemeinsame Ziel im Revier: einen angemessenen Bestand hinzukriegen, auch wenn das die stete Sichtbarkeit der Rehlein verschwinden lässt, was bei fair von allen eingehaltenen Grenzen von Technikeinsatz den Jagderfolg etwas sportlicher werden lässt.
Schön, wenn der Weidgenosse einen glücklichen Hund hat, der allen eine Freude ist und dessen Rasse und Erziehung ihn im Revier zum tierschutzgerechten Gewinn werden lassen.
Und falls er/sie Horn spielen lernte: witzig, manchmal auch anrührend. Aber auch wenn nicht und selbst wenn er "Bockgeweih" und "Rehhals" sagt, anstatt hinschwurglich aber traditionsbewusst die Gamsbezeichnungen beim kleinen Hirsch zu wählen, den Hasen mit dem Einstecklauf lieber in der Sasse trifft, mich ständig mit "Waidmannsheil' anbellt oder aber lieber mit " heut krieg ich was und Du bleibst Schneider anfrotzelt....ist mir das so egal, wie ein auf der"falschen Seite" liegendes Reh, das er dann in Jeans, feixend und siegreich abliefert.
Ich bin niemals angetreten, die sehr gebrochene Asche der jagdlichen Äußerlichkeiten weiterzutragen.
Jagdfähigkeit heißt für mich nicht, dass man auch einem altbayerischen Schützenverband zur Brauchtumspflege, Aufmärschen im Vollbart und Schmuckgewand mit Gamsbart am Trachtenhut beigetreten sein muss. Und auch nicht, dass man sich ideologisch eingrenzen lassen muss auf den Geist des 19. Jahrhunderts, eine Sprachuniformität, die nur selten relevante Beobachtungen auf ein Wort prägnant verkürzt ( wie etwa "himmelte" oder zeichnete "tiefblatt") oder gar einen Kleidungskodex des "anständigen gebildeten Mitteleuropäers" wie zum CSU- Kreistagstreffen.
Wer hier ausgrenzen will anhand solcher Äußerlichkeiten, der propagiert ein veraltetes dörfliches Gesellschaftbild mit Konformitätszwängen, klarer -eben auch äußerlich sofort erkennbarer - Schichtszugehörigkeit, das mich sehr an Kastenwesen, an mittelalterliche Innungszwänge erinnert. Das aber aus murksigem Handwerk und Jagneid-versiffter-Atmosphäre auch keinen Tropfen religiöser Ritualschächtung herausquetscht - von wegen "Achtung vor der Kreatur".
Ist überhaupt komisch, wie hier gruseligste Agnostiker und Rechtsaußen sich plötzlich in religiös verbrämte Sinnzusammenhänge switchen. In einer Zeit, wo der "Herr Doktor" oder "Herr Professor" nun schon lange weggelassen werden, wo der "Herr Pfarrer" wie ein Anhänger orange-vermummterSektierer angegrinst wird, wo grade die wertkonservativen Bürger über jede vermeintliche Elite völlig ohne jedweden Respekt herfallen in den Internetmedien, verwundert mich dieser Rückgriff von Weidgenossen auf eine ständische Uniformität und Abgrenzung in Rührung und Hut-vorm-Herzelein bei ...französischem... Jagdhorngebläse, gefälligst geputzten Stiefeln und Respekt vor dem Beständer, als wär's ein libanesischer Clanchef. Sowas gibt es doch heute nurmehr nur noch in der Ndrangheta, dacht ich mal ? Sehnsucht nach einem "Herrensein", nach Respekt und Ordnung, einer ehrenwerten Gesellschaft ?
Join the Mafia !
Aber stellt Euch nicht heimlich "zum Abstauben und Hundeabfangen" in Grün gewandet hart an der Grenze hinter Bäume, wenn der Forst ne Ansitzdrückjagd macht: es wird auch scharf geschossen in diesen Kreisen und beim ethisch und handwerklich ja nun kaum noch zu unterbietenden Niveau in der Jägerschaft.