Jagdfieber

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Ich dachte, ich sponsre diese Woche mal das Sonntagsthema, aber nicht wie üblich bei Ausrüstung oder Politik.
Jagdfieber ist ein Teil der Jagd, den ich Nichtjägern nicht wirklich erklären kann. Also hatte ich mal ein bisschen nach Literatur gesucht aber das steht im Regelfall nur "Nervosität bei Jägern" oder sowas. Das deckt sich aber nicht mit meiner subjektiven Wahrnehmung. Ich finde keine Situation in meinem Leben, die sich ähnlich "angefühlt" hätte wie Jagdfieber. Und da waren eine Menge Situationen bei, die eine deutlich heftigere Reaktion rechtfertigen würden als ein Bock auf 60m.
Ich habe das Gefühl, irgendwas im tiefen Unterbewusstsein klinkt sich da ein und schüttet lächerlich hohe Mengen an Adrenalin aus oder dergleichen. Das wäre evolutionär auch sicher nützlich, wenn ich meine Körperkraft bräuchte, um das Wild zu erlegen. Im Zusammenspiel mit einem Präzisionswerkzeug hilft es eher nicht weiter. Dennoch sind die damit verbunden Emotionen für mich ein Teil der Jagd, den ich nicht missen möchte.

Nun meine Sonntagsfragen an die Gemeinde: Wie nehmt ihr Jagdfieber wahr und hat jemand eine ordentliche Erklärung für das Phänomen?
 
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Ich denke, das sind alte, "instinktive" Gefühle, die da wach werden. Ich gehe ja jetzt auch schon einige Jahre zur Jagd, aber es lässt einen auch nach längerer Zeit nicht kalt, was da vor einem so vorgeht. Unseren Vorfahren ging es ja ums nackte Überleben, vielleicht spielt das da mit rein- Jagderfolg= Essen und die beste Frau im "Rudel" dazu:p
 
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Ich bekomme Richtiges Jagdfiber eigentlich nur bei der Schweine jagd, und da im besonderen bei der Pirsch wenn man sie angeht. Wenn man sie nicht immer sehen kann weil das Gelände hügelig ist oder ein kleiner Wald im Weg. Dazu alles dunkel so das man eh nah ran muss oder Kugelfang sonst schlecht ist dazu denn Wind beachtend lauschend was sich tut. Der Geruch von Magi. Dann brauch ich erst mal ein paar Minuten um denn Puls runter zu bekommen.
Gleichzeitig sind alle Sinne geschärft man hört sieht riecht besser bzw bildet es sich ein. Oder bei der Jagd im Getreide in der Nacht wenn man sie erst richt weil der Wind passt hab dann direkt Puls hoch und brauche ein paar Sekunden / Minuten.
 
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Bei mir kommt es gerne zu Jagdfieber, wenn ich nach längerem Ansprechen entscheide NICHT zu schiessen. Der Körper weiß scheinnbar: Jetzt kannst Du Adrenalin abbauen.
Ist natürlich blöd wenn dann noch ein passendes Exemplar dazu kommt. Ist mir schon passiet und hat etwa 10min gebraucht um ruhig zu werden.
 
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Ja, das Körpergefühl, wenn ein passendes Stück die Bühne betritt, ist schon unbeschreiblich.
Ich hatte das vom ersten Tag an und hab's immer noch. Aber mittlerweile kennt man es ja und lernt damit umgehen.
Am heftigsten ist es, wenn ich nicht gleich zum Schuss komme, sondern warten muss, bis nah genug, breit stehend, etc.
 
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These:
Bei der Jagd verhalte ich mich ruhig und kann daher die Anspannung nicht abbauen. In anderen zivilen Situationen kann ich mich ja normalerweise bewegen. Da kommt dann kein Zittern oder Unruhe durch.
 
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Meine These mit dem Adrenalin rührt vor allem daher, dass ich gelesen habe, dass sich unter Adrenalin die Situationen "ins Gedächtnis einbrennen". Meine Jagderinnerungen sind extrem detailliert und leicht zugänglich, andere Erfahrungen verblassen irgendwie schneller.

Ich leiste mir als Ehemann einer ambitionierten Tech-Taucherin ein Zweithobby (ich weiß, das macht mich zu einem schlechten Jäger ;) ). Die Erinnerungen vom letzten Wracktauchgang (vor drei Wochen) sind nicht Ansatzweise so detailliert wie die von einem Stück Wild vor 2 Jahren.
 
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Ich halte es für völlig normal und richtig nicht empfindungslos zu sein wenn man jagt.
Und wahrscheinlich ist es auch normal, dass das nicht bei jedem gleich ausgeprägt ist.

Wer dadurch im eigenen Handeln behindert wird, der wird es sicher auch als störend empfinden.
Ich weiß noch, dass ich nach meinem ersten Stück sagte ich hör auf wenn es mir mal egal sein/werden sollte. Das hat auch was mit Respekt vor der Kreatur zu tun.

Ich bin kein Wissenschaftler, dass es evolutionär einen Sinn gemacht hat emotional auf Jagd und Beute-Machen zu reagieren ist aber für mich durchaus vorstellbar.
 
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Nachdem ich bei einer Drückjagd mein erstes Stück Wild geschossen habe, musste ich mich setzen und konnte 20 Minuten weder aufstehen, noch meine Waffe heben. In der Zeit habe ich 2 Chance vorbeigehen lassen.

Heute habe ich Jagdfieber auch eher nach dem Schuß, z. B. wenn ich das Stück eine Stunde lang nicht freibekommen habe und sich dann doch noch der Schuß lösen kann.
 
G

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Guest
Ich denke, das sind alte, "instinktive" Gefühle, die da wach werden. Ich gehe ja jetzt auch schon einige Jahre zur Jagd, aber es lässt einen auch nach längerer Zeit nicht kalt, was da vor einem so vorgeht. Unseren Vorfahren ging es ja ums nackte Überleben, vielleicht spielt das da mit rein- Jagderfolg= Essen und die beste Frau im "Rudel" dazu:p

Wäre auch mein Ansatzpunkt. Der Anblick des -möglicherweise langersehnten oder auch besonderen Stückes- löst sowas wie eine Instinktreaktion, eine Art Alarmzustand, aus, Flucht oder Angriff sozusagen, der je nach Charakter unterschiedlich stark in die eine oder andere Richtung ausgeprägt ist. Ein Stück zu töten, ist aus meiner Sicht etwas sehr archaisches, ur-ursprüngliches: die Muskeln spannen sich an, Adrenalin wird ausgeschüttet, die Durchblutung verbessert sich, die Atmung ändert sich, die Aufmerksamkeit focussiert sich nur auf die Situation und blendet alles andere aus, Geräusche, Geschehnisse. Jetzt gilt es. Nur diese Sache zählt jetzt. Das Leben wird gleichzeitig einfach und schwer. Völlig wertungslos. Harter Fakt.

Ich bin in meinem Leben schon recht viel in der Welt herumgekommen, war bspw. in Alaska, Kanada und Neuseeland unterwegs, habe Lappland mit dem Rad durchquert und Teile per pedes und mache auch sonst viel unter freiem Himmel, und werfe Jagdfieber mal in einen Topf mit anderer darauf bezogener Archaik wie die Faszination eines Lagerfeuers, naß werden, frieren, erschöpft sein, Hunger haben, zu spüren, wie der eigene Körper das meistert und reagiert, frische Luft zu atmen, Wasser aus einem Wildbach zu trinken, ein Gewitter in den Bergen zu erleben, nachts alleine im Zelt im Bärengebiet zu übernachten usw.

Es werden bei alldem Dinge in einem wach, die in uns Menschen seit Anbeginn unserer Existenz stecken und die uns bisher auf unserem Entwicklungsweg auch stets begleitet haben, die allerdings immer weniger Menschen erleben, da die Menschheit sich von solchen Situationen und auch generell von sich selbst wegentwickelt, obwohl sie sie braucht. Deswegen sind die oben genannten Dinge und Jagdfieber haben zu dürfen doch ein großes Privileg der Zeit.

Because they make me feel alive.
 

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