In der Tat, ich halte das mit dem Geld/Macht als modernes Charakteristikum der Jagd auch für eine gewagte These und empfinde das selbst anders. Dabei beginne ich mit einem Blick zurück in die 60er:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43160482.html
Ruhrbarone, Stahlkonzerne, Industrielle, das waren noch bis in die 90er doch diejenigen die das Sagen hatten. Im Hunsrück war gefühlt jedes zweite Revier an einen Auswärtigen Mäzen verpachtet; in der Eifel sicherlich noch gesteigert. Insofern war Geld damals ein sehr wichtiger Faktor. Und Macht spielte durchaus auch eine Rolle, jagende Politiker, Staatsjagden, Pressejagd, Diplomatenjagd; Phänomene die heute kaum mehr existent, aber durchaus auch Ausdruck von Macht sind. Letztere Phänomene sind im Übrigen politisch systemübergreifend. Ein Buch in meinem Schrank heißt „Jagd und Macht“ und beschreibt vom Kaiser, über Hindenburg, bis hin zu Göring und Honecker deren – teilweise durchaus zweifelhaftes – jagdliches Gebaren in der Schorfheide.
Vergleiche ich damit die „moderne Jagd“, dann erscheint mir heute die Jägerschaft sehr viel diverser. Meinem Empfinden nach ist es heute einfacher ein Fleckchen zu finden an dem man sich jagdlich wohlfühlt, ohne Leibeigener zu sein. Letztere gibt es immer noch, kein Zweifel. Aber Menschen sind nun mal verschieden, was ich als lästig empfinde, weil ich eigenständiges Denken und Tun schätze, ist für einen anderen die Erfüllung.
Schaue ich mir die Jagd heute an sind es im Wesentlichen zwei Faktoren die mir sauer aufstoßen: Das sind fehlende Zeit und fehlendes Fachwissen. Zur fehlenden Zeit habe ich hier schon häufiger geschrieben, viele Jäger von heute haben wenig Zeit. Das ist auch dem modernen Leben geschuldet. Man ist nicht mehr nur Jäger, man macht nebenher Karriere die extrem fordert, die über Smartphone und Homeoffice ins Private eingreift, man ist Familienvater mit einem geänderten Rollenverständnis, man ist im schlimmsten Fall noch Scheinesammler und hat in der Freizeit noch ein Boot, ein Flugzeug und einen Golfcaddy zu bewegen und noch ein paar andere Beschäftigungen die mir gerade entfallen sind. Das einzige was man nicht hat ist Zeit.
Und letztlich führt das mit der Zeit dann auch zum fehlenden Fachwissen. Denn der jagende Naturkundler den es früher gab, der wusste wie die Pflanzen in der Wiese hießen, der auch mehr Vögel als nur „Ente, Gans, Taube, Fasan und Rabenvögel“ kannte, der hat das damals auch nicht im Jagdscheinkurs gelernt, der hat das durchs Jagen und die Beschäftigung mit der Natur gelernt. Wenn nun der moderne Jäger in einem kurzen freien „Slot“ aus dem „Office“ in den Wald hastet um das zu erjagen was ihm die Wildkameras per „E-Mail“ auf sein „Smartphone“ geschickt wurde, dann ist es kein Wunder wenn er draußen sitzt und nur Gepipse von irgendwelchen Vögeln wahrnimmt die er nicht mehr kennt. Dann kommt es zu Erscheinungen wie neulich als mich ein Jungjäger in den Mitt-40ern auslacht, als ich die „abnormal gefärbte Krähe“ die er mit dem Handy durchs Zielfernrohr im Wald fotografiert hat, als Schwarzspecht bezeichne. Etwas was dabei aber auch reinspielt ist, dass die Jagd viel an Vielfalt verloren hat. Niederwild ist an vielen Ecken nicht mehr vorhanden, andere wunderschöne Erlebnisse wie den balzenden Tauber anpirschen oder auf den Schnepfenstrich gehen, gehen heute aufgrund der Jagdzeiten nur unbewaffnet.
So, nun mag das alles ganz furchtbar negativ klingen. Ein bisschen Wehmut ist zugegebenermaßen auch tatsächlich dabei. Die Jagd hat viel ihrer Romantik verloren. Im Kleinen kann man sie aber doch für sich bewahren. Ein klein Wenig mindestens. Und so war ich die letzten Tage abends im Hunsrück. Im längst leergeschossenen einstigen Rotwildparadies an den Glashütter Wiesen. Rotwildanblick gab es nicht, aber die Schnepfen flogen. Und es war wohltuend leer. Die modernen Wildmanager haben alle daheim gesessen und in Fachwissen gebadet.
Wh
Steve
PS.: Eins noch zu den diskussionsauslösenden Angeboten: Meines Erachtens stehen Angebot und Preis nicht im Verhältnis. Bei moderner forstlicher Jagdstrategie muss man auf Entgelt verzichten oder seinem Abschussnehmer als Dienstleister etwas zahlen. Geld kann man nur verlangen wenn man auch etwas liefert was die Interessenten haben wollen. Und wer dann noch solche Unsummen fordert, der muss richtig viel dafür tun um sie zu bekommen.