Mein lieber, sehr verehrter Stoeberjaeger!
Sie wissen, daß ich diese Anrede mit Bedacht gewählt habe,
denn ich hege großen Respekt vor Ihrem Können und Wissen.
Aber nicht nur das macht Sie mir -und vielen anderen Lesern- zu einem
angenehmen und streitbaren Gesprächspartner.
Was mir bei den beiden Bübchen fehlt, ist die Erfahrung der Fehlbarkeit.
Es fehlt das Versagen, das Scheitern, die Verletzung des Stolzes-
kurz und gut: es mangelt an Erfahrung.
Es ist ein Mangel, der aus dem Reichtum der jugendlichen Sicherheit entspringt.
Zur Betrachtung: Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich das Tier im Glas anders
wahrnehme als Sie- gewiß nicht so geübt, und gewiß nicht so sicher.
Lediglich die Bedeutung des Wildtieres für meine persönliche Existenz
mag sich unterscheiden: ich entnehme Lebewesen aus einem Gesamtwerk,
und dafür bleibe ich in einer Schuld- einer Lebensschuld.
Daß eine derartige Anschauung aus einem katholischen Landstrich entwächst,
steht außerhalb jeder Frage.
Dabei bin ich noch nicht einmal sehr religiös, ich darf das jedenfalls nicht behaupten.
Sie selbst haben schon mehrmals auf die Bedeutung der Empathie für den Jäger hingewiesen,
auch um dieses Einfühlungsvermögen zum jagdlichen Vorteil zu nutzen.
Ich habe diese Aussagen mit Erstaunen wahrgenommen, und ich habe verstanden,
daß dies den Horizont -und den Erfolg, wenn Sie so wollen- deutlich erweitert.
Der Schießer: Nein, das wäre geradaus verlogen- Sie wissen, was ich Ihnen und
Ihren Erläuterungen zum Büchsenschuß und zur Ballistik zu verdanken habe.
Das wird mich mein Lebtag lang begleiten.
Wenn ich mich selbst als Drückjagdschütze ausschließe, dann liegt das einfach
an der Erkenntnis der eigenen Grenzen. Die Übungsmöglichkeiten werden
in meiner Heimat immer weiter beschnitten, schon für die Flinte bin ich einfache Strecke
ca 45min. auf der Straße... Es geht halt ohne Können nicht.
Entseelung und Entzauberung: Ich erlaube mir, auf den werten Waidgenossen
Yumitori zu verweisen. Er hat in einem seiner letzten Posts deutlich und überaus
scharfsichtig darauf hingewiesen, daß gerade die Landwirtschaft als einer der
letzten Berufszweige die Professionalisierung aufgenommen und umgesetzt hat.
In völliger Verblendung hat die Politik die Errungenschaften der ins höchste
perfektionierten Landwirtschaft gelobt, ohne auch nur eine Sekunde weiter zu denken-
wie es eigentlich Politiker tun sollten, möchte man meinen.
Aber sie wurden von einem nichtsnutzigen Vertretungssystem, dessen Bauern
schlichtweg in Politik machen wollten, in einer "passt doch ois!"-Laune gehalten.
Die Ergebnisse sind uns Jägern zuvorderst bekannt, und die Volksabstimmung
zur Artenvielfalt hat eigentlich niemanden überrascht...
Die Gefahr für eine Professionalisierung der Jagd sehe ich dagegen nicht im
Erwerb von Können und Wissen- ganz gewiß nicht.
Ich selbst fördere ja die Kenntnisse an der Büchse bei dem einen oder anderen Schüler.
Und ich arbeite dabei nicht als Moderator.
Ihr Gedanke, daß erst die Meisterschaft Grundlage für weiterführende Erkenntnis ist,
verwundert mich etwas- eine parallele Entwicklung beobachte ich ja bei mir.
Und ich wage noch nicht, mich Meister zu nennen...
Was ich den beiden Adepten vorwerfe, hat mitnichten mit Alter oder Jahresjagdscheinen
zu tun, sehr wohl jedoch mit dem "Anfangen".
Weder verfügen sie über Humor, noch über menschliche Güte.
Keine ernsthaften Schrammen, Narben, nichts. Es sind zarte Knaben.
Und doch sind sie zutiefst überzeugte Männer der Tat- also tatsächlich das,
wie die beiden sich selbst zu gerne darstellen.
Eigentlich erlegen sie nur Tiere, wie alle anderen hier auch.
Also rein gar nichts besonderes- außer dem ekelhaften Streben nach eitlem Elitarismus.
Und vielleicht täusche ich mich ja.
Aber wenn ich die Worte dieser Täter lese, habe ich unweigerlich den Gestank
vom Geseich einer siebzigjährigen, letztmalig läufigen Eselin im Windfang.
Werter Stoeberjaeger, ich bin Ihnen und Ihren Vorschlägen zur Jagd stets aufgeschlossen
gegenübergestanden. Ihre Rhetorik und ihre neuen Denkwege haben mich oft inspiriert.
Und ich werde in meiner Heimat von der BJV-Jägerschaft geschnitten, weil ich für eine
engere Zusammenarbeit mit den Eigenbewirtschaftern plädiert habe.
Sie dürfen mir glauben, daß meine Abneigung gegen die Bübchen nur zu einem
sehr geringen Teil ideologischer Natur ist.
Für mich sind die beiden Säuger einfach unerträglich verzogene Arschlöcher.
derTschud