Morgenansitz im glitzernden Reif, ein Gedicht

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18 Sep 2018
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Hier ein Gedicht, das ich heute morgen schrieb.
So heute geschehen, so gesehen...
.
Der Bock im Reif
.
Kalt eingehüllt und weiß das Gras,
der Herbst geht nun zu Ende.
Heut' Eises Panzer, fast wie Glas,
vollzogen ist die Wende.
.
Der Hochsitz schenkt mir weite Sicht,
es glitzert weißer, kalter Reif
in des Morgengrauens Licht,
der Frost macht meine Hände steif.
.
Still, des Waldes Kathedrale,
im Rund erschallt kein Laut.
Der Himmel gleicht nun kaltem Stahle,
fremd und fern, doch auch vertraut.
.
Einjeder Grashalm eisbehaucht,
so sieht ein Jäger diesen Morgen.
Kann in die Stille eingetaucht,
ein Stückchen Ewigkeit sich borgen.
.
Ein Rehbock wechselt nun heran,
des hohen Zeichens schon beraubt.
Beobachtet zieht er sodann,
in den Wald, kaum mehr belaubt.
.
Sein Windfang bot ein Wolkenspiel.
Der warme Atem der sanft schwebt.
Ich wollte nicht, dass er heut fiel,
wollt' dass er neu' Gehörn erlebt.
.
Ich seh' im Reif wie eine Schnur,
wo er so still entlang gegangen.
Des Jägers Leben, stolz und pur,
die Demut hält mich leis‘ gefangen.
.
Kein Schuss wird mehr die Stille brechen,
auch meine Spur ist bald zu sehen.
Erneuert heut', Weidmanns Versprechen,
das stumm wird in der Kälte wehen.
.
Meine Spur kreuzt nun die Seine.
Ich sehe ihn bald wieder.
Im Mai, wir zwei... hier ganz alleine,
strecke ich vielleicht ihn nieder.
.
Bis dahin jagt des Weidmanns Zeit.
Bis dahin wird der Jäger jagen.
Tief im Wald, die Seele weit,
und weidmännisch den Schuss oft wagen.
.
.
(© copyright by Amando, Ritter zur Altebur Draconi 2018)
 
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18 Sep 2018
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28
Hallo Venedigermanderl.
Ich finde es sehr schön, dass mein Gedicht bei deinem Morgenansitz "dabei" war.
Ich habe 5 Bücher geschrieben, verschiedene Themen... aber mit allen Gedichten darin versuche ich was mitzugeben. Also hat es bei diesem Gedicht offensichtlich geklappt.

Ja, in meinen Gedichten sind meist nur die Hauptgedanken mit drinnen... Die Romantik des Lichtes, mit dem glitzernden Gras, der Bock und der Gedanke an den Mai... auch Erinnerungen an alte Zeiten.
Das Frieren, die Jogger im Dunkeln... und sowas - lasse ich dann weg.
Aber im Großen und Ganzen habe ich das doch genauso empfunden und erlebt.
 
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30 Sep 2010
Beiträge
1.736
Werter Ritter zur Altebur Draconi,
ich gehöre normalerweise nicht zu jenen, die der Gedichte schöner Sprache frönen.
Hier jedoch, gänzlich ungewohnt, geht mein Herz auf und ich spüre förmlich die ersten Sonnenstrahlen auf dem Reif. Es erinnert mich so herrlich an vergangene Tage jagdlichen Schaffens in winterlichen Wäldern und Wiesen.
Danke für die Worte, die mich erinnern lassen.
 

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