Reifen halten viel aus.
1983 war ich allein mit meinem Unimog in Nordkamerun unterwegs und befuhr eine weit von allen Verkehrswegen gelegene katastrophale, 180 km lange Nord-Süd Piste durch fast unbesiedeltes Gebiet Richtung Garoua. Sie wurde nur von einem deutschen Missionar benutzt, der da zwei - dreimal im Jahr durchfuhr - ich kam gerade von ihm und war so 90 km gerattert.
Links war in einer Senke Wild, ein Trupp Cob de Buffon; ich schaute nach ihnen, als es auf der rechten Seite des Unimog harte Schläge gab.
Angehalten - oh je, beide großen Reifen waren platt. Am Rand der Piste war früher Hartholz-Jungwuchs abgehackt worden, es standen noch spitze Spieße.
Die hatten den Vorderreifen zerfetzt, beim Hinterreifen "nur" einen 12 cm langen Riß in die SEITE des Reifen geschlitzt.
Ursprünglich hatte ich zwei Ersatzreifen, einer mußte schon in der Sahara drauf, nun hatte ich nur noch einen Ersatzreifen - und zwei kaputte Reifen.
Hilfe holen war keine Option, 90 km zu Fuß wären zwar möglich gewesen - ABER dann hätte sich die Kunde auf ein "Ersatzteillager" auch verbreitet, es lagen zwei kleine Dörfer auf der Strecke. Da wäre nur ein ausgeschlachtetes Wrack bei meiner Rückkehr dort gewesen.
Also mußte ich versuchen, den weniger lädierten Reifen zu reparieren.
Uff, Unimog Reifen sind groß und schwer. Mit viel Mühe bekam ich schließlich den Reifen von der Felge und konnte den Reifenschlauch flicken.
Aber was machen mit dem Schlitz in der Seitenwand?
Chirurgische Vorkenntnisse hatte ich, also "Wundnaht" mit einem soliden, weichen Weidedraht, der durch drei mit der Ahle gebohrte Löcher links und rechts vom Schlitz und an der Außenseite verdrillt wurde. Innen wurde ein doppeltes Stück Reifenschlauch untergelegt, damit der aufzublasende Schlauch sich nicht kaputt scheuerte.
Am Abend war es geschafft - und ich auch.
Bei Tagesanbruch fuhr ich langsam, schließlich mutiger mit Tempo 25 nach Norden, durchquerte die beiden Minidörfer mit ihren zehn Hütten, dann kam ich an einen breiten Fluß mit einer Furt und steiler Böschung.
An sich für den Unimog kein Problem. Aber mit dem "genähten" Reifen???
Mit klopfendem Herzen Allrad rein und durch 30 cm tiefes Wasser auf Kies und die steile Böschung hoch gemahlen.
Uff, zumindest oben - Kontrolle des Reifen.
Alles unauffällig, Hurra. Mit deutlicher Erleichterung erreichte ich nach insgesamt 70 Kilometern die schlecht asphaltierte, holprige Straße und rollte schließlich nach Garoua ein.
Hier gab es Unimog Reifen - aber bei dem verlangten Preis kamen mir die Tränen.
Hm, bis Maiduguri in Nordnigeria ging eine einspurige, bucklige Asphaltstraße, dort hatte ich einen italienischen Freund, der die FIAT Vertretung für Nordnigeria leitete. Und der Schwarzmarktkurs der nigerianischen Naira war sehr günstig.
Der "genähte" Reifen sah noch sehr gut und unverändert aus - also wer nicht wagt, gewinnt nicht". Ca. 420 km!
Nun ratterte ich kräftig schwitzend mit Tempo 60 bis Maiduguri, erreichte überglücklich meinen Spezi Marcello.
Die Seitenwand des geflickten Reifens war trotz der Walkarbeit auf der Erdpiste und den buckligen Straßen nach rund 530 km unverändert intakt.
Aber nun bekam ich für ein Viertel des kameruner Preises zwei neue Reifen und konnte nach einer schönen Pause die Sahara wieder gen Norden überqueren.
Soweit zu der Strapazierfähigkeit von Reifen...