Kann mir jemand schlüssig erklären, warum Schwarzwild in nur wenigen Jahren mit Hilfe der Technik "kurze Beine bekommen hat", "in die Knie gezwungen wurde", aber Rehwild und Fuchs als nicht ausrottbar gelten? Ich frage für einen Freund....
Ich gehe zwar davon aus, dass man DIR das eigentlich nicht erklären braucht, aber ich versuch es mal trotzdem:
1. Ausrotten und lokales /regionales Absenken der Populationsdichte sind schon mal grundsätzlich zwei völlig verschiedene Dinge. Es hat niemand gesagt, bei ihm seinen die Sauen ausgerottet.
2. Die einzelnen Wildarten müssen unterschiedlich betrachtet werden, auch wenn die drei genannten Arten alle zu den Kulturfolgern und Gewinnern in der Kulturlandschaft zählen. Rehwild kann ganzjährig sowohl im Feld wie im Wald existieren. Viele Nutzen beide Lebensräume. Intensive Bejagung erfolgt nicht auf ganzer Fläche, die Bestände werden nach meiner Einschätzung überdurchschnittlich oft unterschätzt, diverse Studien belegen selbiges. Es gibt einen hohen (und weit unterschätzten) Anteil an reproduktiven Populationsmitgliedern (Geißen). Der Wunsch, den Zuwachs realistisch ein zu schätzen und ab zu schöpfen ist nicht sehr weit verbreitet.
Die Absenkung der Population (insbesondere im Wald) hat eine "negative Rückkopplung" zur Folge: Das Biotop verbessert sich maßgeblich, was eine verbesserte Äsung und Deckung zur Folge hat, was das Rehwild begünstigt und zu höheren Reprodutionsraten führt.
Die Fuchspopulation wird seit der Tollwutimmunisierung weitestgehend durch die Jagd (bei intensiver Bejagung) bzw. andere Seuchenzüge (die meist erst bei höheren Populationsdichten greifen) begrenzt. Wo die Jagd nicht greift, schnellt die Population in die Höhe und wurde eher von der Hauptbeute (Mäusejahre) begrenzt. Als Nahrungsopportunist kann der Fuchs aber ausweichen und so auch schlechte Mausjahre überbrücken mit allen Negativfolgen für das Niederwild. Das das Biotop bzw. die Reproduktionsrate sich für den Fuchs verbessert, wenn der Fuchs scharf bejagt wird, halte ich im Gegensatz zum Rehwild für unwahrscheinlich (Die Mäuse regulieren den Fuchs, nicht umgekehrt). Da auch der Fuchs bestenfalls lokal aber nicht mal regional scharf bejagt wird, werden Lücken immer wieder aufgefüllt, die hohen Nachwuchszahlen tun ihr übriges.
Das Schwarzwild profitierte in den vergangenen Jahrzehnten massiv von einer geänderten Landwirtschaft und Forstwirtschaft, sowie dem Klimawandel (sollte alles bekannt sein). Die letzten 2-3 Jahre waren vermutlich suboptimal, der Nachwuchs ist teilweise aufgrund der Witterung komplett ausgefallen. In Folge waren die Zuwachsträger nun deutlich häufiger auf der Strecke (weil nicht führend, weil Schonzeit aufgehoben, die einzelne Bache fällt auf der DJ, wenn keine Frösche nachkommen häufige ...). An der Population ist der Anteil Bachen geringer, als der Anteil der Geißen beim Rehwild. Verstärkte Eingriffe in diese Klasse verringern also auch die Reproduktion stärker, als das beim Rehwild der Fall ist (6-8 Firlis weniger, bzw. eben 1-2 Kitze weniger...)
Und was dazu kommt: Mit der Nachtsichttechnik verlieren die Sauen die Feldflur als Ort der ungestörten und unendlichen Energiequelle bei ungünstigen Sichtverhältnissen. Ich denke schon, dass die intelligenten Sauen es über kurz oder lang verstehen werden, dass die Nahrungsaufnahme im Feld auch bei stockdunkler Nacht sehr gefährlich ist. Je weiter die Vor oder Nachsatzgeräte verbreitet sind, um so gefährlicher wird das für sie. Intelligente Sauen werden das lernen, weniger intelligente Sauen werden sterben (selbes an der Kirrung). Unterm Strich verliert das Schwarzwild mit der Techink einen Großteil der energiereichen Nahrung. Die Fertilität hängt aber relativ eng damit zusammen und wenn nicht Waldmasten für Kompensation sorgen, werden die Schwarzwildbestände zwischen den Mastjahren eben schneller einbrechen. Das war aber wohl auch das Ziel, also brauchen wir darüber nicht jammern. Die Sauen werden sich vermutlich anpassen, die Lebensweise (überwiegend) im Wald wird für die Sauen die sichere werden, aber reine Waldsauen sind in 3 von 4 Jahren leichter, haben weniger Nachwuchs und der Nachwuchs wird auch leichter sein und später geschlechtsreif - die Reproduktion flacht ab. Das gab es früher schon und da war das normal. Ich fürchte auch, dass mit Zunahme der Trockenjahre auch die Waldmastjahre weniger werden.
Ach ja: Die Ausstattung der Habitatrequisiten wird durch die Höhe der Schwarzwildpopulation nach meiner Einschätzung weder positiv noch negativ beeinflusst. Die Feldfrüchte (Mais, Raps, Rüben, Weizen...) werden im kommenden Jahr nicht mehr oder weniger (angebaut) nur weil es im Vorjahr viel oder weniger Schaden gegeben hat. Mastjahre sind eher vom Witterungsverlauf abhängig. Auch die Einstände (Deckung) entstehen unabhängig ob es viel oder wenig Schwarzwild hat. Der Einfluss vom Schwarzwild auch die Biotopkapazität ist also im Vergleich zum Rehwild zu vernachlässigen.
Von den drei angesprochenen Wildarten hat das Rehwild aktuell den größten Einfluss auf den eigenen Lebensraum (im Wald). Fuchs und Sau sind da eher von äußeren Einflüssen/Witterung abhängig (direkt oder indirekt). Eine verschärfte Fuchs- oder Sau-Bejagung verändert das Biotop, die Landschaft erstmal nicht. Beim Rehwild führt eine verschärfte Bejagung dazu, dass Äsung und Deckung besser werden. Der Einfluss aufs Biotop (die Landschaft) ist zumindest im Wald merklich. Die die veränderte Landschaft wird die Bejagung schwieriger, Deckung und Äsung wird mehr, die Aktionsradien kleiner. D.h. das Rehwild "profitiert" mittelfristig von der der verschärften Bejagung. Das macht es m.E. unmöglich, das Rehwild auszurotten.