Ist er mein ich nicht mal so arg, das Problem ist nur, daß man mit Medienwissenschaft und ähnlichen Künsten kein Volk ernähren, kleiden, behausen kann. Das Ungleichgewicht kommt aus der Rationalisierung der Arbeitsabläufe und der Industrialisierung der Urproduktion und der produzierenden Gewerbe. Damit sind unweigerlich weniger Menschen dort beschäftigt, und der Rest in immer lebensferneren Gewerben.
Industrialisierung der Urproduktion geht aber nicht überall, und wo sie geht muss sie sich rechnen - denn wenn diese nur halbherzig durchgeführt wird hat man Flickwerk das nicht wirklich effizient ist.
Gutes Beispiel sind die vielgescholtenen Melkroboter. Ein Melkroboter kann bis zu 60 (+ Toleranz die je nach Model und Hersteller unterschiedlich ist) Kühe binden, sprich bei einem Doppel-Sechser Melkstand entsprechen 60 Kühe ungefähr einer bis 1 1/2 Stunden Arbeit pro Melkschicht. In einem Normalen Betrieb mit dieser Konfiguration bedeutet dieses, dass der Melker oder die Schicht, weil Melker meistens mindestens zu zweit im Melkstand sind. 1 Stunde effizient an andere Tätigkeiten gebunden werden können. In der Landwirtschaft gibt es meistens nie zu wenig an Arbeit, eher ein zuwenig an Arbeitskraft. Diese Stunde pro Melkschicht rechnen sich pro Tag bei zwei Schichten auf zwei Stunden, eine Stunde davon gehen an die Mitarbeiter (früher Feierabend) die andere in den Betrieb (Zeit die für Füttern, Einstreuen, oder andere wichtige Tätigkeiten frei werden).
Ein Betrieb hier bei uns hat drei Melkroboter bei gut 220 Tieren, sprich er arbeitet am Limit - was aber trotzdem gut funktioniert, da er sich eine Herde von 40 Tieren die Aufgrund Verhaltens, Euter oder Krankheit nicht für den Roboter eignen - diese werden am Melkstand, den er nicht abgebaut hat weiterhin gemolken. Wenn ein Roboter ausfällt hat er zwar mehr Arbeit, ist aber immer noch effizient, weil er trotzdem noch zwei Roboter hat auf die er von den 60 nicht bedienten Tieren 30 im Melkstand "bedient" und die 30 anderen innerhalb der Toleranz auf die beiden anderen Roboter verteilen lässt.
Wenn man aber den Betrieb komplett auf Melkroboter umstellt kann sich das schnell als Fehlkalkulation herausstellen, insbesondere dann wenn Zeitgleich der Melkstand zurückgebaut wird und in Erwartung der Produktionssteigerung a) Mehr Kühe angeschafft werden und damit b) ein größerer Milchtank oder ähnliches. Jetzt fällt eine Komponente an einem der Melkroboter aus, bei zwei Melkrobotern und 100 Tieren kein Problem kurzfristig. Aber wenn es Dumm kommt, kann das schnell zu einem Problem eskalieren. Kühe haben eine Hackordnung innerhalb der Herde, und sie können gottverdammte Primadonnen sein, wenn es ums Melken und wer wann dran ist sein. Rangniedere Kühe, die sich wahrscheinlich immer zuletzt an dem Melkstand stellen, werden dann beim Ausfall einer Einheit sich so verhalten, als wären sie einfach nicht da. Die Tiere mögen keinen Stress, wie gesagt, Primadonnen, wer sich vordrängelt bekommt schnell mal die Klauen der ranghöheren Kuh zu spüren... auch wenn die Tiere miteinander "befreundet" sind, also nahezu ständig in nebeneinander in den Liegebuchten chillen.
Und das ist nur ein Beispiel, warum die Industrialisierung der Landwirtschaft nur scheinbar eine Industrialisierung ist. Es wird vieles mechanisiert, aber die Natur; und gerade in diesem Zusammenhang die Tiere; stehen einer vollständigen Technisierung entgegen. Ähnliches gilt übrigens für Schweine, auch da lässt sich mittels Technologie zwar vieles "erleichtern" aber optimieren nur sehr, sehr eingeschränkt. Bei Geflügel sieht es indes wieder anders aus.
Aber wer sich wirklich für derartige Beobachtungen und Fakten interessiert dem Empfehle ich hier an dieser Stelle das Buch "Kuhsignale". Es gibt auch kritische Fachliteratur über das Thema "Mechanisierung der Landwirtschaft"... das meiste zu diesem Thema, was wirklich Aussagekräftig ist kommt aber aus dem angelsächsischen Raum, hier wurden vor allem in den vergangenen zwanzig Jahren einige Bücher veröffentlicht. Darunter auch einige der Schriften von Temple Grandin.