Sozialverhalten Rehwild im Frühjahr

Registriert
17 Aug 2019
Beiträge
68
Servus zusammen,

seit diesem Jahr jage ich in einem anderen Revier und wurde zu Beginn der Jagdzeit gleich einmal überrascht. In meinen bisherigen Revieren war es i.d.R. so, dass die Ricke im Mai fast immer mit den Vorjahreskitzen unterwegs war. Mit dem Fortschreiten des Kalenders hat diese Bindung natürlich abgenommen. In dem jetztigen Revier ist es so, dass die Ricken bisher meist mit adulten Böcken und ohne den Jährlingsstücken unterwegs waren. Die Jährlinge und Schmalrehe ziehen jetzt schon fast ausschließlich alleine. Dazu muss man eventuell sagen, dass hier ein sehr starker Rehwildbestand vorhanden ist. Ist die Sozialbindung beim Rehwild wirklich so stark abhängig vom Revier? Vielleicht könntet ihr ja mal eure Erfahrungen zeigen, um in Erfahrung zu bringen, was näher am Normalfall dran ist. :)

Heute morgen hatte ich beispielsweise einen 2-3 jährigen Bock mit einem weiblichen Stück einige Zeit vor mir auf der Wiese. Das weibliche Stück hat äußerlich eher den Eindruck eines SR abgegeben. Allerdings war ich mir nicht zweifelsfrei sicher, dass es sich nicht doch um eine junge Geiß gehandelt hat, welche frisch gesetzt hat. Zudem war ich der Meinung, dass es doch schon ungewöhnlich wäre, wenn ein älterer Bock sich Anfang Mai im vertrauten Verbund mit einem Schmalreh aufhält, oder nicht?
 
Registriert
24 Mai 2019
Beiträge
14.924
Du hasts erfasst, Deine Interpretation auf Schmalreh ist zutreffend.
Eine frisch gesetzte Geiß ist durch ihre rehttypisch auffälliges Gesäuge deutlich erkennbar.

Anders wäre es nicht nur ungewöhnlich, sondern ich sehe es als ausgeschlossen an.
Das grundlegende Sozialverhalten des Rehs ändert sich auch nicht bei hoher Wilddichte.

Ich jage über 40 Jahre auf Rehwild und habe viele tausend Wildbeobachtungen.
Adulte Ricken sondern sich aus den Wintersippen ab und ziehen im Frühjahr alleine, so sie beschlagen sind. Je nach Setzzeitpunkt halten sich die Vorjahreskitze noch in der Nähe auf, werden aber zunehmend (v.a. das weibl Kitz/Schmalreh) verjagt. Je näher dieser rückt, desto mehr die Ricke sie nicht mehr in der Nähe; im Moment registriere ich das bei einigen bekannten Stücken. Mai ist nunmal der Haupt-Setzmonat...
Damit beginnt die jährlingstypische Unstetigkeit des Vorjahres-Nachwuchses; am weitesten wandern die stärksten Jährlinge ab.
Mehrjährige Böcke sind um diese Zeit ganz überwiegend allein anzutreffen, sie haben ihr Territorium fixiert oder sind noch dabei. Nach der Brunft finden sich übrigen die Familiensippen oftmals wieder zusammen (Schmalrehe und die schwachen Jährlingsböcke).

Schmalrehe stehen im Frühjahr noch gern mit ihren Geschwistern männlich oder weiblich zusammen. Ich erlegte schon mehrmals Doubletten von Jährlingsstücken Anfang Mai.

In der (Vor-)Brunftphase im Juli sieht man einen terr. Bock evtl. dann mit einem Schmalreh schon eher zusammen, aber das ist im April bis Juni/Juli eben noch nicht der Fall und Deine Beobachtung entspricht dann dem Zufall gemeinsamer Sichtung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Registriert
24 Mai 2019
Beiträge
14.924
Erg. : zum Sozialverhalten des Rehs und seiner Lebensgewohnheiten bis zur Jagd kann man immer noch das Büchlein von B. Hespeler: "Rehwild heute" (erschienen 1988) empfehlen, der die wildbiologischen Klassiker Ellenberg und Kurt heranzog
 
Zuletzt bearbeitet:
Registriert
17 Aug 2019
Beiträge
68
Vorab, vielen Dank für diese wirklich ausführliche und hilfreiche Aussage. Zum Thema Spinne: Mir wurde des Öfteren vermittelt, dass man bei einer jungen Geis, welche evtl. nur ein Kitz frisch gesetzt hat und dieses just vor dem Moment des Anblicks gesäugt hat, die Spinne noch sehr spärlich ausgebildet ist. Ich habe in diesem Moment keine Spinne erkennen können.

Allerdings war der Bock, welcher definitiv kein Jährling war, und die Geiß sehr vertraut und es glich eher dem Zusammenspiel von Geiß und Kitz. Sie sind also nicht zufällig zueinander gestoßen, sondern sind extremste vertraut im Verbund ausgetreten.

Ich schau mal, ob ich die beiden die Tage nochmals zu Gesicht bekomme.
 
Registriert
17 Jan 2013
Beiträge
1.583
Auf 1.500-1.900 m Höhe ziehen alle Ricken noch mit dem Vorjahreskitz und sind noch gritzegrau. Setzen geschieht hier später.
Vielleicht hängt es mit der Äsung zusammen?? Die kommt jetzt erst einigermaßen...
Auffällig war, daß bei 95 % der beobachteten Ricken das Vorjahreskitz weiblich war!!! ( Ca.18-22 Ricken).
Einen zweijährigen Bock sah ich gestern in reicherem Habitat, der schon begann, rötlich zu schimmern.
 
Registriert
17 Aug 2019
Beiträge
68
Das beschriebene Revier liegt im Flachland und hat hochwertige Tsung (insbes. Grünland/ vereinzelt Mais/Raps etc.).

Das mit den weiblichen Kitzen widerspricht ja gewissermaßen den Ausführungen von @Busch
 
Registriert
24 Mai 2019
Beiträge
14.924
Mir gings es darum zu betonen, wie auffällig das Gesäuge einer führenden Ricke/Geiß im Vergleich zu einem führenden Rottier ist (ja, wenns auch nicht direkt das Thema war).
Selbstverständlich ist das nach direktem Saugakt des Kitzes weniger voluminös, aber dennoch noch gut zu sehen, weil auch viele auffällig helle, längere Haare drauf sitzen und beim Blick "in die Keulen", also spitz von hinten, bzw schräg und am besten beim Ziehen, wenn die Hinterläufe sich versetzen, immer deutlich bleibt. Ab Sommer wirds dann zurückgebildet, im September ist schon kaum noch zu sehen.
Beim Alttier nachdem das Kalb gerade gesaugt hat, da mußt schon ganz genau hinschauen mit stark vergrößerndem Glas, dass überhaupt noch was siehst; dann sieht man fast eher die Zitzen als das eigt. zwar helle, kurz behaarte "Euter", was einfach flacher ausgebildet ist.
 
Registriert
9 Nov 2018
Beiträge
190
Dazu muss man eventuell sagen, dass hier ein sehr starker Rehwildbestand vorhanden ist.
Na da brauchst du doch garnicht weiter zu forschen. Wenn dir im neuen Revier so schnell ein hoher Rehwildbestand auffällt wird es vermutlich an der Grenze des Habitatpotentials liegen. Oftmals ist in dieser Situation zu beobachten das die Ricken vermehrt männliche Kitze setzen.
Warum das? Böcke... Dispersionaneigung.. Weniger Nahrungskonkurrenz....
 
Registriert
17 Aug 2019
Beiträge
68
Na da brauchst du doch garnicht weiter zu forschen. Wenn dir im neuen Revier so schnell ein hoher Rehwildbestand auffällt wird es vermutlich an der Grenze des Habitatpotentials liegen. Oftmals ist in dieser Situation zu beobachten das die Ricken vermehrt männliche Kitze setzen.
Warum das? Böcke... Dispersionaneigung.. Weniger Nahrungskonkurrenz....
Gut, das beantwortet aber nicht den Kern meiner Frage. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, die Ricke müsste vermehrt mit einem Jährlingsbock zu sehen sein.

Ich versuch die beiden einfach mal vor die Linse zu bekommen.

Aber diese Schmalrehjagd ist wirklich nervtötend! In dem anderen Revier habe ich mir noch ziemlich leicht getan, weil man ein Schmalreh neben einer Ricke doch deutlich ansprechen kann im Mai.
Aber wenn eine Ricke schon gesetzt hat im Mai fällt mir eine zweifelsfreie Unterscheidung zu einem kräftigen Schmalreh nicht leicht!
 
Registriert
9 Nov 2018
Beiträge
190
Gut, das beantwortet aber nicht den Kern meiner Frage. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, die Ricke müsste vermehrt mit einem Jährlingsbock zu sehen sein.
Eben nicht. Denn die Jährlinge sind auf der Suche nach freien Revieren.
Aber diese Schmalrehjagd ist wirklich nervtötend! In dem anderen Revier habe ich mir noch ziemlich leicht getan, weil man ein Schmalreh neben einer Ricke doch deutlich ansprechen kann im Mai.
Wenn denn welche da sind. Kenne zooartige Reviere, wo ich auch obige Beobachtungen gemacht habe, da werden kaum noch weibliche Kitze gesetzt. Das wäre nun die Vermutung warum du keine Schmalrehe siehst.
 

Online-Statistiken

Zurzeit aktive Mitglieder
113
Zurzeit aktive Gäste
710
Besucher gesamt
823
Oben