Lieber Stoeberjaeger,
erstmal danke für Deine immer sehr sachlichen Beiträge, was hier ja keine Selbstverständlichkeit ist. Übrigens sind wir in vielem ja auch einer Meinung....
Das denke ich auch, wir kennen uns ja auch schon lange (seit dem Nord-America-Cup 1994).
.....Vor Jahrzehnten habe ich in puncto Rehwildbestände das eine Extrem erlebt, heute das andere......
Ja, das kommt einem so vor. Es hat sich aber auch viel geändert. Im Wald, im Feld, beim Klima und in der Gesellschaft.
.....Meine Lebenserfahrung sagt mir aber, dass kein Extrem eine Ideallösung ist.....
Da stimme ich voll zu.
....Meine Meinung hat sich in jüngerer Zeit auch deshalb dahin gefestigt, als dass ich im Bereich der „ökologischen“ Jagd viel zu viel negatives erlebt habe um nicht hin und wieder auch an dieser Stelle glaube intervenieren zu müssen.....
Das scheint mir vor allem ein süddeutsches und tlw. nordostdeutsches Problem zu sein. Schade, denn grundsätzlich sehe ich im ÖJV-Lager die deutlich höhere Kompetenz (obwohl ich auch kein Mitglied bin) und auch Authentizität. Es wird
nach meiner Wahrnehmung seitens des ÖJV offener argumentiert und weniger (mit Seilschaften im Hintergrund) taktiert. Darin sehe ich auch den Grund, warum der ÖJV bei den (nicht lobbyistischen) Medien beliebter/anerkannter ist.
....Vor allem aber ist mir die absolut kreaturverachtende Einstellung so mancher jagdlichen Erfüllungsgehilfen in Erinnerung geblieben....
Das sind die Formulierungen, die mich hellhörig werden lassen, weil sie eher ein Gefühl als Objektivität vermitteln.
Weil das immer wieder kritisiert wird, habe ich meinen Blick dafür geschärft und kenne persönlich nahezu keinen Fall, wo das zutreffen würde. Scharfes Jagen allein ist für mich keine "Kreaturverachtung", das kann man auch sauber hinbekommen.
..... Ich muss deshalb auch Berufsjäger Finze in Schutz nehmen, denn er hat im Wild und Hund Interview sicherlich längst nicht alles gesagt was er hätte sagen können. Denn wer weiß was die Folgen dann für ihn gewesen wären....
Schon möglich, aber WAS dort an "Argumenten" aufgefahren wurde, war in seiner journalistischen Qualität und unübersehbar tendenziösen Aufbereitung..........peinlich.
.....Auch ich habe mir übrigens so meine Gedanken gemacht bezüglich der immer noch steigenden Abschusszahlen beim Rehwild. Ohne einen wissenschaftlichen Hintergrund für mich in Anspruch nehmen zu wollen kann ich aus meiner Erfahrung heraus jedoch feststellen, dass sich die Reproduktion des Rehwildes in meinen Revieren während der anhaltend intensiven Bejagung eindeutig erhöht hat....
Und warum ist das so?
Für meine Jägerprüfung habe ich mich ab 1974 mangels Alternativen mit dem "Blase" vorbereitet. Dort wurde gelehrt, dass die Rehwilddichte im Wald zwischen 4 (schlechter Biotop) und 12 (guter Biotop) schwankt. In den 90er Jahren wurde durch die Uni Göttingen in verschiedenen Bundesländern und unterschiedlichen Reviertypen Zähltreiben auf Rehe durchgeführt. Schon damals wurde ein mittlerer Wert von 24 Rehen pro 100 ha Wald ermittelt. Zusätzlich steigt unter den für Rehe ausgezeichneten Lebensbedingungen unserer Land- und Forstwirtschaft die Reproduktionsrate. Schaut man nun z. B. für Bayern das Verhältnis von Jagdfläche, Waldfläche und jährlicher Rehwildstrecke an, ergibt sich ein Abschuss von 4,4 Rehen je 100 ha Jagdfläche. Selbst wenn man den Wert für Waldreviere verdoppeln würde (was natürlich nicht realistisch ist, weil auch im reinen Feld Rehe erlegt werden), käme man noch nicht in den Bereich einer tatsächlich stattfindenden Reduktion. Die logische Folge ist, das es bis heute noch keinen Einbruch der Rehwildstreckenzahlen gab, weder in BY, noch in einem anderen Bundesland.
Deshalb glaube ich, dass "traditionell-jagdliches Jammern" über zu hohe (forstliche) Abschüsse ein Mix aus kleinörtlichen Sonderbedingungen (wo wirklich mal ein paar seltene Hardcore-ÖJVler wirken) und subjektiver Wahrnehmung ist. So ähnlich wie beim Anblick von Blut, das scheint auch bei kleinem Aderlass viel schrecklicher und bedrohlicher, als es gemessen wirklich ist.
Aber ich stimme Dir zu: wir wissen eine Menge über die Biologie der Wildarten, aber wir wissen erschreckend wenig über die Auswirkungen unserer Bejagung. Deshalb streiten wir auch so oft darüber (von opportunistischen Gründen abgesehen). Solche Studien sind enorm schwierig, teuer und langfristig. Kaum ein Revierinhaber möchte sich dabei "durchleuchten" lassen, z. B. mit seinen Fehlern, die ihm passieren.
....In diesem Zusammenhang war für mich eine Reise in den Norden Schottlands vor zwei Jahren interessant. Der Berufsjäger erzählte mir dass das Rehwild dort bis vor kurzem überhaupt nicht bejagt wurde, weil es dort nicht der Tradition der Jagd entspricht. Erst aktuell werden Gäste auf reife und teils kapitale Böcke geführt. Dennoch ist lt. Aussage des Berufsjägers die Bestandshöhe beim Rehwild sehr konstant....
Die Jagd im Norden Schottlands liebe ich auch und weiß daher, dass dort Rotwild in enormen Mengen vorkommt. Das verdrängt bekanntermaßen Rehe. Da wundert einen diese fehlende "Tradition" nicht.
Und auch in Schottland gibt es, wie bei uns, die Schere zwischen traditionellen (private/jagdwirtschaftliche Estates) und ökologischen (Aufforstungsflächen) Berufsjägern. Da wird man natürlich auch ganz unterschiedliche Auffassungen zu hören bekommen.