Ich finde es schwierig sich dem Thema "Wandel der Jagd" objektiv zu nähren, weil innerhalb des Themas viele Unterthemen existieren und vor allem müsste man zunächst definieren gegen welches "gestern" man eigentlich vergleicht.
Jagd ist heute anders als vor 20, 40, 60 oder 100 Jahren. Das ist aber ein Allgemeinplatz der quasi für alles gilt, denn: Was ist denn noch so wie vor 20, 40, 60 oder 100 Jahren?
Die Frage die sich anschließt ist genauso schwierig zu beantworten, nämlich ist das gut oder schlecht, dass sich die Jagd verändert hat? Gar nicht einfach zu beantworten. Was ist denn schon Jagd? Für jeden meist leicht etwas anderes.
Für mich beispielsweise ist der Aspekt der Ausrüstung sekundär. Ob nun jemand Opas ollen Drilling oder eine supermoderne Büchse führt empfinde ich ein Stück weit als sekundär. Weder in die verwendete Waffe, noch in die Kleidung darf man zuviel reinlegen. Natürlich muss ich sagen, dass ich wie ein gestriger auf die Jagd gehe. Ich hab meist Lederhosen an, ich trag gerne Loden und Wachsjacke, ich trage bis auf die Lockjagd auf Krähen, Elstern und Gänse kein Camouflage und auch nur dann Basecaps, ich habe fast nur Waffentechnik von gestern dabei und jage damit für meine Bedürfnisse erfolgreich. Spreche ich deshalb Andersdenken ab sauber jagen zu können? Auf keinen Fall. Ich habe viele Jagdfreunde welche in Funktionskleidung und - nicht falsch verstehen - Plastikgewehr, Wärmebildkamera vorne, hinten, oben und unten auf die Jagd gehen und das absolut handwerklich sauber und erfolgreich machen. Wunderbar. Für mich ist es nichts, ich fühle mich damit unwohl. Aber das war es auch schon.
Fakt ist, dass die Schalenwildjagd seit ungefähr den 90ern eine andere Rolle als davor spielt. In dem Revier im vorderen Hunsrück in dem ich meine erste Sau erlegt habe sind in den 80ern (wir sprechen also nur von knapp 40 Jahren) sechs bis 10 Sauen erlegt worden, auf 680 Hektar. "Sau im Revier" war damals eine Meldung die was besonderes war, die dazu geführt hat, dass man wirklich mal nachts raus ist, die dazu geführt hat, dass abgefährtet/gekreist und dann sogar mal (!) gedrückt wurde. In diesem Revier sind im letzten Jagdjahr 128 Sauen erlegt worden; in diesem Jahr liegt auch bereits das zehnfache der damaligen Jahresstrecke. Das ist nur ein Revier, nur ein Eck von Deutschland, es zeigt aber wie sich Gegebenheiten verändern können. Aus den geänderten Verhältnissen ergeben sich dann andere Bedürfnisse des Jägers an Ausrüstung und Jagdtaktiken. Die Jagd muss sich darauf einstellen; sie/wir wären geradezu verrückt es nicht zu tun.
Was mir eher Sorge bereitet ist eine zu beobachtende Naturentfremdung der Jägerschaft. Das fängt meines Erachtens im Umfeld bei Pflanzen- und Vogelkunde an und das geht aber weiter bis hin zum Verkümmern jagdhandwerklicher Fähigkeiten wie dem Aufbrechen oder auch dem Erkennen von Spuren und Fährten. Während ich mich an Fragen der Kleidung und Ausrüstung kaum abarbeiten kann, empfinde ich diesen Komplex wirklich als tragisch. Ich kann mich mit dieser Art von Jägern wirklich sehr schlecht identifizieren. Das geht mir allerdings schon immer so; nur tritt diese Spezies heute gehäufter auf als vor 20 oder 30 Jahren.
Was im Übrigen immer noch da ist, ist das Interesse und die Freude an der Niederwildjagd. Das hat sich meiner Beobachtung nahezu umgedreht. Hat man noch in den 80ern eigentlich immer vor der Haustür Gelegenheiten zur Niederwildjagd gehabt und leuchtende Augen bekommen, wenn man mal auf Sauen jagen konnte, ist es heute genau umgekehrt. Es hilft aber auch hier kein Lamentieren: Einen nutzbaren Niederwildbesatz zu haben ist heute auch noch vielerorts möglich, allerdings sehr viel schwieriger als noch vor 30 oder 40 Jahren. Diesen Stress, diese Arbeit können/wollen sich meiner Meinung schlicht viele nicht mehr machen, weil sie mit Rehwild- und Sauenbejagung bis Oberkante jagdlicher Unterlippe beschäftigt sind. Und diese Oberkante, die ist heute auch eine andere als früher. Job und Familie nehmen heute selbst beim passioniertesten Waidmann mehr Raum ein als früher. Moderne Zeiten halt.
Übrigens, wenn man schmachtend vom Niederwildbesatz früherer Tage spricht - und ich trauere diesen Zeiten sehr hinterher - muss einem natürlich auch bewusst sein, dass diese Besätze ähnlich fragwürdig intensiv herangehegt wurden wie das die Landwirtschaft heute in ihrem Beritt auch macht. Sowas wie schwarze Wochen, Phosporeier, Baubegasung waren früher behördlich gefördert und wenn wir ehrlich sind wollen wir sowas heute nicht wirklich. Nicht alles war früher halt besser.