---> 9,3x72 R
Die "Försterpatrone" 9,3 x 72 R
Um 1890 diente die englische .360 Express als Mutterhülse für eine ganze Anzahl von Patronen mit verschiedenen Hülsenlängen von 48 bis 82 mm Länge. Die bekannteste dieser Entwicklungen war die Patrone 9,3 x 72 R. Aufgrund der häufigen Verwendung bei Berufsjägern bekam sie den heute noch bekannten Beinamen "Försterpatrone". In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war sie eine der meist verwendeten Patronen in jagdlichen Kipplaufbüchsen, heute oftmals aufgrund ihrer ballistischen Leistungen belächelt.
Ihre überaus weite Verbreitung zeigt schon der Umstand, dass sie zu den ersten vier der sogenannten "normalisierten" Hülsen gehört: Aufgrund von minimalen Abweichungen in den Maßen der verschiedenen Hersteller konnte es vorkommen, dass Patronen unterschiedlicher Fabrikate nicht dem Patronenlager einer Waffe entsprachen und sich somit nicht verladen ließen.
1909 legte ein Konsortium von Firmen und Institutionen verbindliche Maße für die Hülse fest, diese wurde als 9,3 x 72 R NORM. bezeichnet. Die Maße der neuen Hülse wurden so gewählt, dass sich die Patronenlager der Waffen mit einer entsprechenden Reibahle auf die einheitliche Hülse ändern ließen. So geänderte Waffen unterlagen nicht einer erneuten Beschusspflicht, auch ein Reparaturbeschuss war nicht erforderlich.
Eine der typischen ursprünglichen Schwarzpulverlaborierungen war eine Ladung von 3,2 Gramm Schwarzpulver mit einem 16,7 g-Bleigschoss. Diese Kombination erbrachte eine v0 von rund 440 m/s. Recht schnell wurde die Patrone auf rauchloses Nitro-Pulver umgestellt. Es entstanden unzählige Pulver und Geschosskombinationen. Als gutes Beispiel kann ein Flachkopf-Kupfermantelgeschoss von 2,5 g Rottweiler Büchsen No. 5 genannt werden. Diese erreichte eine v0 von 614 m/s.
Typischerweise liegen die Energiewerte je nach Ladung bei 100 Metern um 1400 Joule. Eine Verwendung auf Hochwild scheidet daher aufgrund der sachlichen Verbote im deutschen Bundesjagdgesetz aus. Durch die moderne Entwicklung der Massivgeschosse ist es IMPALA EUROPE gelungen, eine Laborierung zu entwickeln, die bei einem Geschossgewicht von 11,7 g eine E100-Leistung von rund 2140 Joule erreicht. Allerdings sollte man auch diese Patrone nur bei einem einwandfreien technischen Zustand der Waffe verwenden.
Aufgrund der zylindrischen, großvolumigen Hülse ist das Wiederladen nicht unproblematisch. Um extreme Gasdrucksteigerungen mit modernen Nitropulvern zu vermeiden, sind Laborierungsdaten zwingend zu beachten. Der Gebrauchsgasdruck liegt bei niedrigen 1800 bar.
Problematisch ist die Geschossauswahl im klassischen Bereich. RWS, Premium-Hersteller von Jagdmunition, fertigte ein speziell für die Patrone 9,3 x 72 R angepasstes Teilmantel-Geschoss mit einem Geschossgewicht von 12,5 Gramm. Dieses Kaliber ist inzwischen leider auch von RWS als Fabrikpatrone nicht mehr verfügbar. Es gibt jedoch die passende Hülsen und Geschosse von RWS für Wiederlader im Angebot.