Man darf nicht immer alles so dogmatisch betrachten, bei unseren Wildtieren.
Jährlinge sind überall und nirgends und sie treiben sich zwischen und in den Territorien der standortsfesten Böcke herum, so ists bekannt. Um diese Zeit versuchen sie aber auch an der Brunft teilzunehmen, d.h. wenn man ein brunftiges Stück kennt, bei dem jetzt noch ein dominanter Freier fest steht, heißt es nicht, die Jungen sind vom Erdboden verschluckt bzw. man sähe sie dort nie. Der Vermehrungstrieb treibt auch sie um und in die Nähe der Paare.
Es lohnt sich immer, bei der Jagd auf die weiblichen Stücke zu focussieren , denn dort sind um diese Zeit die Böcke, zumindest für die wichtigen Tage.
Deshalb schildere ich ein Erlebnis aus der diesjährigen Saison, wie es eben auch gehen kann.
Ich bejage seit über einer Woche einen hohen Mehrjährigen, der nacheinander im gleichen Altholz mittlerweile mit zwei verschiedenen weiblichen Stücken brunftete. Abends treibt er ab 20 h sein Stück, zwischendurch geht man ins Bett, zum Verschnaufen. Morgens (die letzten Morgen waren sehr kühl) kommen die Liebenden spät oder gar nicht in Anblick. Vielleicht über Mittag ähnliches Spiel, aber da kann ich zeitlich nicht hin.
Wegen der schwierigen Grenzsituation bekam ich den Bock leider bisher nicht, aber noch wird nicht aufgegeben - immer wars spannend und interessant.
Am vorletzten Freitag bestätigte ich den Bock (mit seinem Stück) zum ersten Mal, Sam morgens versuchte ich trotz schlechter Aussichten, ihn mit dem Blatter herzuholen.
Zuerst der Kitzfiep für die Gaiß - klappte nicht, sie führt scheinbar dies Jahr nicht; der Ältere kam nat. auch nicht, er hatte alles, was er brauchte. Zustehen tat dafür ein lauscherhoher Jüngling, den schonte ich (bis jetzt).
Sonntags abends wollte ich wieder auf den Hohen ansitzen, was sah ich: der Jährling trieb das Stück, immer wieder ins Bett gehend, als wenn er der capo wäre.
Ah, der Nachbar hatte wohl Jagd-Erfolg, dachte ich und schrieb den Bock gedanklich ab - wenn der Jährling jetzt so präsent ist, kann der Mehrjährige wohl nicht mehr leben, so widmete mich ein paar Ansitze und Blattszenen einem anderen Pärchen.
Mitte der letzten Woche eher routinemäßig den Bestand im anderen Revierteil gecheckt, sehe ich wieder Brunfttreiben und erkenne den hohen Bock - ah, er lebt doch noch !
Gestern abend nun, die gleiche Situation und auf einmal ein 3. Stück im Bestand - der Jährling; auch unterwegs und in der Hoffnung, wenigstens ein paar Züge guter Witterung abzubekommen...
Also, der territoriale Bock macht dort gerade anhaltend die Brunft, der Junge schleicht drum herum - aber er ist alles andere als unsichtbar...selbst wenn er dem Paar zu nahe kommt und der Alte ihn mal kurz flott macht, kommt er gleich wieder in die Nähe.
Und während ich dies niederschreibe, fällt mir ein, daß ich an demselben Platz mal eine Bock-Doublette schoß in der Blattzei vor ein paar Jahren. Erst den Sechser, der hinterm weibl. Stück kam und kurz danach den nachfolgenden Jährling.
Der intensive Duft eines hochbrunftigen Stücks macht Böcke eben dickfellig und auch unvorsichtiger.
Es sind die Gesetze des Lebens beim Wild - Äsung und Fortpflanzung - danach verhalten sie sich und das muß der Jäger sich zunutze machen.
Naturgesetze lassen aber immer auch Abweichungen zu, die wir in unserem begrenzten Denken oft nicht verstehen. Es muß nicht immer und überall nur genau so passieren...