Und wieder wird das zum Jäger schlagen und das Weidblattschlagen beim "Jagdgericht "miteinander verwurschtelt. So war es jedenfalls früher:
Nach dem alten Krünitz (1783) wird so zum Jäger geschlagen (wehrhaft gemacht):
Das Ceremoniel bey dem Wehrhaftmachen, ist an den meisten Orten folgendes. Der Lehrprinz ladet zu solcher Handlung einige seiner Cameraden und Gränznachbarn, nebst noch andern guten Freunden und Zeugen, ein. Ein jeder erscheint zur bestimmten Zeit in seiner besten Kleidung, und die Jäger sind insonderheit mit ihrem Zeuge geziert. Wenn sie nun alle in dem Zimmer beysammen sind, treten der Lehr=Prinz, und der Jägerbursch, welcher wehrhaft gemacht wird, auch hinein. Der Bursch hat sein bestes Kleid an, das Hornfessel über die Achsel gehängt, und den Hirschfängergurt am Leibe. Der Lehrprinz legt den offenen Lehrabschied, und den Hirschfänger, welche beyde der Bursch nun bekommt, auf den Tisch, tritt sodann mitten in das Zimmer, und der Bursch stellt sich etwas hinter ihm zur linken Hand, die Jäger aber um sie beyde her. Darauf hält der Lehrprinz eine kurze Anrede an dieselben, ungefähr folgenden Innhalts:
„ Es befindet sich gegenwärtiger N. N. nun bey mir 3 Jahre lang in der Lehre, das edle Weidwerk zu erlernen und zu üben, worin er auch von mir hinlänglichen Unterricht bekom<28, 560>men und ziemlich gute Fundamente gelegt hat. Weil er denn, nach alter löblicher Weidmanns=Gewohnheit und Gebrauch, seiner Lehrjahre nunmehr zu erlassen, und wehrhaft zu machen ist, er auch bey mir die gebührende Ansuchung darum gethan hat: so habe ihm diesfalls nicht entstehen, sondern solches vielmehr hiermit, der Gebühr nach, bewerkstelligen wollen.
Hierauf fasset er mit der linken Hand den Hirsch=Fänger bey dem Hefte, nimmt ihn vom Tisch, hält ihn aufgerichtet vor sich, wendet sich gegen den Burschen, und gibt ihm mit der rechten Hand eine, doch nicht allzu derbe, Ohrfeige, und spricht: Diese leidest du jetzt von mir, und hinfort nicht mehr, weder von mir, noch sonst einem Andern! ” Sofort überreicht er dem Burschen den Hirschfänger mit den Worten: „ Hiermit überreiche ich dir dein Seitengewehr, nicht zu dem Ende, daß du es zu unnützen Händeln und Ungelegenheiten, sondern wozu es eigentlich gemacht, was vernünftig, redlich und rühmlich ist, nähmlich zur Ehre der löblichen edlen Jägerey, deines künftigen Herren, zur Beschützung seines und deines ehrlichen Nahmens, Leibes und Lebens, am meisten aber auf Jagen, führest und gebrauchest. Ich wünsche dir also viel Glück und Segen zu allem deinen rühmlichen Vorhaben, und erlasse dich zugleich deiner Lehrjahre. Es wird dir wohl gehen, wenn du dich, wie ich mich zu dir versehe, ferner rechtschaffen verhalten wirst! *
*Vor Alters, wenn dem Burschen der Lehrabschied und Hirsch=Fänger überreicht wurde, kam der Weidspruch zum Vorschein:
Jo! hoch o ho!
Hier hast du nun deine Wehr;
Die brauch zu Gottes Ehr,
Zu Lieb und Nutz dem Nächsten dein.
Halt dich ehrlich, treu und fein.
Wehr dich damit deiner Feinde;
Doch unnütze Händel meide.
Gürt deine Lenden wie ein Mann,
Der sein Horn recht blasen kann.
Nunmehr hast du deine Freyheit;
Es gehe dir wohl allezeit!
” Sodann zeigt ihm der Lehrprinz den Lehrabschied, *
*Der Lehrabschied ist das Attestat oder Zeugniß, welches ein Jägerbursch aufzuweisen hat, zu beweisen, daß er seine drey Behängen ordentlich gemacht, etwas rechtes in der Jägerey erlernt, sich anbey treu und redlich ausgeführt habe, darauf wehrhaft gemacht worden, und nun zu Herrendiensten zu recommandiren sey.
und verwahrt ihn bis an den folgenden Morgen, sprechend; „ Morgen werde ich dir denselben auch zustellen. ” Darauf nimmt der Jägerbursch den Hirschfänger, steckt ihn in den Gurt, und bedankt sich für die gute Lehre, und alles, was er während solcher Zeit an Liebe und Güte genossen hat. So bald er zu reden aufhört, stoßen alle anwesende Jäger frisch einen Satz auf den Hiefhörnern, gehen zu dem jungen Jäger, wünschen ihm Weidmanns=Heil, und erkennen ihn für einen Camerad. Die andern Anwesenden machen ihm gleichfalls ihre Glückwünsche. Ist nun indessen alles zur Mahlzeit fertig, so nehmen ihn die ältesten zwey Jäger zwischen sich, und sühren ihn wie einen Bräutigam zur Tafel, an welcher er oben an gesetzt, ihm sonst alle Ehre angethan, und auf seine Gesundheit zuerst mit dem Willkommen getrunken wird. Hat derselbe es im Vermögen, so wird er recht herrlich tractieret. Man ist bey dieser Gelegenheit wohl auf, lässet es sich gut schmecken, trinkt allerley Gesundheiten, wozu die Lehrbursche die Hiefe wacker stoßen müssen. Man spricht von der Jagd, u. d. gl. Die Musikanten lassen sich hören. Wenn abgespeiset worden, fängt der neue Jäger den Tanz mit der Frau Lehrprincipalinn, ihrer Fräulein oder Demoiselle Tochter etc. an. Darauf tanzt wer nur will. Die Lustbarkeit kann bis an den Mörgen dauern, da ein Jeder sich zur Ruhe begibt. Am folgenden Tage, vor dem Frühstücke, bringt der Lehrprinz den Lehrabschied, lässet solchen vor allen Anwesenden deutlich ablesen,
*An andern Orten ist gebräuchlich, daß der auf Pergament geschriebene Lehrabschied, von dem Principal, vor Ueberreichung des Hirschfängers, schen unterschrieben und besiegelt, von jemand öffentlich vorgezeiget, abgelesen, und von dem Principal zugleich mit dem Hirschfänger, dem Burschen übergeben wird.
und ersucht einige der Herren Gränznachbarn, denselben als Zeugen zu unterschreiben. Sofort unterzeichnet ihn der Lehrprincipal, und druckt sein Petschaft in das grüne Wachs in der an einem grünen Bande am Lehrabschied hangenden Capsel; ein gleiches geschieht hernach von den erbetenen Zeugen; worauf derselbe dem neuen Jäger eingehändiget, und ihm nochmahls dazu von Allen Glück gewünschet wird. *
*An einigen Orten wird der Lehrabschied nur allein von dem Forstmeister, unter welchem der Lehrprinz steht, ausgefertiget.
Darnach wird ein Frühstück eingenommen, und entweder, wie am vorigen Tage tractieret, oder das Valet getrunken, und Abschied genommen.
Dagegen hat das Weidblattschlagen eine andere Tradition, nämlich eine scherzhafte Bestrafung von Jagdsünden:
Weidmesserschlagen (Sittengeschichte). Bei den großen Jagden herrschte vor Zeiten der Gebrauch, daß bei allen Vorrichtungen zu der Jagd, während derselben und bei den nachfolgenden Festlichkeiten Jägersitte im strengsten Sinne herrschen mußte, und nur in der Weidmannssprache gesprochen werden durfte, jeder Fehler dagegen aber unnachsichtlich und ohne Ansehen der Person mit Weidmesserschlägen bestraft wurde, ohne daß eine solche Bestrafung irgend etwas Beschimpfendes an sich gehabt hätte. Das Ganze diente zu einem noblen Scherze, und gerade diese Strenge in Gebräuchen und Worten verlieh diesen Jagden manchen eigenthümlichen Reiz. Hohen Standespersonen ertheilte der Oberjägermeister selbst diese Schläge, allen Uebrigen der erste Hofjäger. Die Ceremonie selbst geschah auf folgende Weise: Man hebt von den besten jagdbaren Hirschen die darauf gedeckten Brüche ab und legt sie auf einen Haufen zusammen; wer das Weidmesser bekommen soll, legt seinen Hirschfänger ab und streckt sich über diese Brüche. Während alle Jagdcavaliere und Jäger sich Kreis umherstellen und ihre Hirschfänger ein wenig <236, 100> lüften, hebt der Sträfling seinen Rock so hoch empor, daß ihm der zur Bestrafung Erkorene die Schläge oder Pfunde auf die blanken Hosen ertheilen kann, wozu die umstehenden Jäger auf den Hüfthörnern blasen. Bei dem ersten Streiche spricht der Schlagende laut und vernehmlich: Ja, ho! d. i. für meinen gnädigsten Fürsten und Herrn; bei dem zweiten: Ja, ho! d. i. für Ritter, Reiter und Knecht; bei dem dritten: Ja, ho! d. i. das edle Jägerrecht. Hierauf beendigte die ganze Jägerei die Ceremonie mit allgemeinem Waldgeschrei, und der Bestrafte mußte sich mit einer Reverenz bedanken. Hatte etwa einer der umstehenden Cavaliere vergessen, seinen Hirschsänger zu lüften, so durfte er sicher sein, von einem der Jagdgenossen angezeigt und dann zu denselben drei Pfunden verurtheilt zu werden. Wie kindisch Manchem dieser Gebrauch unter Männern vorkommen mag, so ist doch nicht zu leugnen, daß etwas Ernstes und Anziehendes darin liegt, wenn ein ganzer Stand darnach strebt, auch bei unbedeutend scheinenden Nebendingen stets vollkommen innerhalb seiner Kunst und Wissenschaft sich zu bewegen, überall ganz zu sein, was er sein soll. Das moderne liebe Dilettantenthum befand sich dabei freilich nicht so wohl, wie bei dem heutigen Jagdwesen, wo Sitten und Sprache mitunter der Geschichte vom babylonischen Thurmbaue ähneln, und alles Andere eher vermuthen lassen, als einen Verein von Jagdgenossen zum Genuß des Jagdvergnügens.
Soweit der alte Krünitz.