Hallo,
Top Thema hier! Sehr informativ! Vielen Dank!
Gerne würde ich früher oder später einen Drilling kaufen. Evtl. 9,3x74R mit einem EL 22. Hornet (falls der. Stoßboden es zulässt), Schrotlauf habe ich keine festen Wünsche.
An welchen Kriterien macht ihr einen richtig guten Drilling aufgrund lediglich zur Verfügung stehender Fotos in einer Anzeige fest?
Welche Modelle welcher Hersteller sind sehr interessant? Gebrauchtpreise bis 1500 EUR?
Welches Glas findet ihr auf einem Drilling am praktischten?
Als JJ habe ich da einfach zu wenig Erfahrung, als dass ich mich da direkt bewege und "draufloskaufe" .
schau bei Fotos v.a. auf die Übergänge Pistolengriff/Basküle. Hier dürfen keine Risse ins Holz gehen (auch keine kl. Haarrisse). Dunkle Flecken im Holz in dem Bereich sind auch problematisch. Das sind durch den Rückstoß entstandene Quetschungen im Holz, die früher oder später zu Rißbildungen führen werden.
Wenn Bilder der Laufhaken verfügbar sind, schau das da keine Stauchungen (Hammerschläge) an den Haken zu erkennen sind. Da wurde nämlich dann beim Abdichten gepfuscht.
Beim Übergang Läufe/Laufschienen darf nichts rostrot glänzen und schon gar nicht´s wie weiß gepudert aussehen (sog. Zinnpest, d.h. da lößen sich die Lötnähte).
Die Mündung der Schrotläufe muß exakt kreisrund sein.
Die Brünnierung des Laufes kann ruhig abgeriffen sein, es sollten aber keine überbrünnierten Rostnarben (sieht aus wie Käferfraß) vorhanden sein.
zusätzl. wenn du den Drilling/BBF/DF in der Hand hast:
Vorderschaft abmachen, Kolben fest unter den rechten Arm klemmen und mit der linken Hand bei geschlossener Waffe fest seitwärts am Laufbündel rütteln. Das Laufbündel darf nicht in der Basküle wackeln.
Dann Laufbündel aushaken und durch die Läufe sehen. Es dürfen (v.a. in den Lagern/Übergang und den kompletten Schrotläufen) keine Rostnarben zu sehen sein. Wenn der Kugellauf etwas rauh ist, ist es bei manchen Kalibern (z.B. 8x57JR(S), 9,3x72R) nicht so schlimm, da leidet die Präzision nicht so. Die Schrotläufe dürfen keine Dellen (die könnte ein guter Büma aber mit einem Lauftreiber wieder ausbügeln) und schon gar keine Aufbauchungen (dann ist der Lauf nur noch Schrott) aufweißen.
Dann den Lauf mit dem vorderen Laufhaken (der, der sich gegen das Scharnier im Baskül abstützt) am Zeigefinger aufgehängt und freischwingend ballanciert und mit einem kleinen Metallstück (z.B. 5ct.-Münze) entlang der beiden seitl. Verbindungsschienen der Schrotläufe zum Kugellauf geklopft (bis runter an die Mündung). Es muß immer ein heller, klingender Ton kommen. Ist der Ton stumpf, ist die Lötstelle dahinter defekt.
Das Laufbündel mittig gefaßt und am Ohr ein paar mal um 180° gedreht. Hört es sich an, als würde da eine kleines Schrotkorn drinn kullern ist das nicht schlimm, das ist ein mit der Zeit abgefallener überstehender Lötzinnrest. Hört es sich aber an, als würde in der Laufschiene feiner Sand rieseln, dann Finger weg von der Waffe, dann ist nämlich Rost oder Zinnpest in der Laufschiene.
Als ZF würde ich was nehmen, was zur Waffe (Kaliber) paßt. Mit der 9,3x74R und den 16-19g Geschosse wirst du den Drilling nicht auf die Steinbock- oder Gamsjagd mitnehmen wollen, sondern eher zur Waldjagd oder zur TJ mit Schalenwildvorkommen führen. Da braucht es keine Vergrößerung > 6-fach.
Mit einem variablen 1,5-6x42 der Premiumhersteller bist du da bestens bedient.
Als Montage am besten eine unkomplizierte Schwenkmontage von Recknagel oder EAW.
Zu den qualitativ guten Drillingsherstellern:
Maibach, Bentley und Bugatti unter den Drillingen sind:
- Thieme & Schlegelmilch Seitenschloßdrilling "Nimrod" (gebaut von 1895-1935)
- Sauer & Sohn Seitenschloßdrilling Mod.25, siehe Anfang des Trööts, (gebaut v. 1893-1941)
- Collathdrilling mit Teschner/Collath-Exzenterverschluß (gebaut von 1888-1941)
Gebraucht bekommt man die (ohne ZF) mit etwas Geduld und Suche, in gutem Zustand, schon für ab 1500€. Alle drei Modelle wurden auch (wenn auch selten) in 9,3x74R aufgelegt. Schrotlager sind, der Bauzeit entsprechend, meist 65mm lang (also nur Schrotpatronen mit 65 und 67,5mm Hülsenlänge verwenden).
eine Klasse drunter, also Mercedes, Volvo, Audi und BMW sind dann z.B. :
- Thieme & Schlegelmilch Kastenschloßdrilling
- Greiffelt Kastenschloßdrilling
- Kerner Kastenschloßdrilling mit obenliegenden Stangen
- Chr. Funk Kastenschloßdrilling
auch alle gebaut zw. 1910 und 1940, auch (wenn auch selten) in 9,3x74R und 65er Schrotlager.
Dazwischen liegen die guten Hahndrilling aus Suhl.
In der Nachkriegszeit gab es hauptsächl. Drillinge mit Blitzschlosse, die einfacher zu fertigen waren, aber viel zu hart stehende Abzüge (was konstruktionsbedingt ist beim Blitzschloß) hatten.
Um 1930 und später in den 70er/80er Jahren kamen dann auch Drillinge mit Aluminiumbaskülen in Mode. Die sind leichter (bei 9,3x74R nicht unbedingt ein Vorteil) aber auch weniger stabil und dann schwerer nachzudichten. In den 50ern fertigte Heym sogar Drillinge mit vernickelten/verchromten Broncebaskülen, die noch "weicher" waren. Deshalb beim Drillingskauf immer einen kl. Taschenmagneten mitnehmen und prüfen ob die Basküle den Magneten anzieht. Wenn nicht ist sie aus Alu; ich würde den Drilling dann nicht nehmen. Leider ist Nickel aber auch magnetisch.
Bis auf die Blitzschlosse geben sich aber die vier großen dt. Drillingshersteller der Nachkriegszeit (Krieghoff, Heym, Sauer&Sohn, Simson/Suhl) nicht viel. Nur bei den Simsondrillingen aus der DDR war die Stahlqualität in den 80ern bis zur Wende und kurz danach nicht mehr so dolle. Von Drillingen der Baujahre 1980-1993 aus Suhl würde ich daher auch abraten.
Krieghoff und Heym bauten/bauen auch Seitenschloßmodelle. Leider aber an das ungünstiger konstruierte H&H-Seitenschloß angelehnt, als an das 99% ausgereifte Sauer&Sohn-Seitenschloß oder das 100% ausgereifte Nimrod-Seitenschloß von Thieme & Schlegelmilch. Solche Schloßkonstruktionen werden heute nur noch von einer handvoll kleiner Büma gegen Festauftrag zu horrenden Preisen gefertigt.
Preislich geben sich die gebrauchten Vorkriegs- und Nachkriegsmodelle nicht viel. 1200€ sollte ein gut erhaltener Drilling aber schon wert sein.
zum Schluß noch eine Bitte:
Vergiß den Drilling so zu entspannen wie man´s für die Jägerprüfung mal gelernt hat. Selbstspanner-Kipplaufwaffen entspannt man durch Abschlagen der Schlosse auf Pufferpatronen!!!
Grüße
Sirius