Mein Großvater hatte über 50 Jahre die gleiche Jagd gepachtet und dort sehr selektiv gejagt. Ziel waren starke Ernteböcke. Und die gab es dort und zwar regelmäßig. Viele Medallienböcke! Wie ist man vorgegangen?
Jährlinge wurden so gut wie gar nicht erlegt (höchstens Kümmerer; aber auf's Wildpret bezogen), eben aufgrund der Erfahrung, dass Du nie weißt, wie der Jährling im Folgejahr schiebt.
Bei den älteren Böcken wurde jedoch konsequent ALLES erlegt, was nicht ein vernünftiges 6'er Gehörn (dickstangig, starke Vereckungen, lange Enden und gut geperlt) geschoben hat. Um dies festzustellen war man viel mit dem Spektiv unterwegs.
6'er wurden NUR erlegt wenn sie reif waren. Das hieß: Fünfjährig aufwärts. Die Böcke waren mitunter namentlich bekannt und kartographiert. Kein Witz!
Dazu wurde im Winter gefüttert. Darüber hinaus war es ein gut strukturiertes Feldrevier mit einigen Walremisen und insgesamt gutem Äsungsangebot und vor allen Dingen Ruhe! Aufgrund des starken Eingriffes bei den mäßig veranlagten mittelalten Böcken war der Bestand nicht zu hoch. Auch Ricken hat man gut bejagt, zumindest die alten und jungen Schwachen.
Das kann man nun gut oder schlecht finden. Es war aber so! Und das Ergebnis waren regelmäßig starke Ernteböcke.
So hat mein Vater das auch gemacht, die Zahl der Medallien war nicht gering.
Und so hab ich das später selber anderweitig wieder erlebt - und mitgemacht, weil der Beständer nun mal der ist, der bestimmt welche Musik gespielt wird.
Ich hab auch Versuche gesehen die beim Abgehen der Wiesen vor dem Mähen gefundenen Kitze zu markieren. Man hatte also auch immer wieder Rehe, deren Alter man nicht nur schätzen musste. Man konnte einfach nachschlagen wie alt es ist. War kein Fehler.
Was ich mir davon mitgenommen habe:
1. Manche Böcke kann man über die Jahre wiedererkennen. Aber nicht alle.
2. Bezogen auf das Gehörn "schwache" Jährlinge oder Knopfer können später noch ganz anders werden. Ein starker Jährling wird aber in aller Regel auch später ein guter Bock.
3. Die Zeit der Geweih-Bildung ist beim Rotwild eine andere als beim Rehwild. Beim Rehwild fällt sie einfach in die Zeit, in der man auch füttert. Lässt man das Füttern kann man wenig dazu sagen ob/dass der Kopfschmuck wirklich aussagekräftig ist. Es ist ein Stück weit den Umständen, sprich: dem Zufall, geschuldet ob der Bock gewissermaßen "was übrig hat" um es in einen Kopfputz zu investieren.
Um ein wenig mehr eine Veranlagung zu sehen und im Gesamtbestand über die Jahre hinweg zu fördern macht es also viel Sinn zu füttern.
4. Ohne Spektiv bist ein glatter Depp. Die wahren Füchse mit gutem/starkem Rehwild im Bestand haben alle eins. (Ob jeder drüber redet ist wieder eine andere Sache.)
5. Ruhe ist wichtig! Das betrifft nicht nur die bösen Nicht-Jäger. Das ist auch Sache des Jägers selber. Ich durfte mal bei einem Beständer waidwerken, der war selber praktisch jeden Tag auf dem Ansitz. Er hätte Freude gehabt an starken Böcken, war sich aber selber im Weg. Der starke Bock nimmt sich den attraktivsten Standort - und das ist im Zweifel auch der, auf dem weniger Druck herrscht. Es konnte gar nicht anders enden als dass er nur die 2. Garnitur im Revier hatte.
6. Höhere Bestände - nach vielfach vorherrschender moderner Ideologie der Tod des Waldes und der Untergang des Abendlands - sind kein Problem.
A) Kann man eine Fütterung
lenkend dahin legen wo sie auch optimal die nötige Ruhe bietet und natürlich nicht dort liegt wo man Schäden vermeiden möchte.
B) Weiß ich auch eine größere Eigenjagd, in der es praktisch nur ums Rotwild geht. Da wurden (und werden wohl immer noch) vielleicht 3 oder 4 Rehe je 1000 Hektar erlegt, reiner Beifang, mehr nicht. Fast die ganze Fläche ist Wald. Und dem gehts gut! Ich bin da öfter zum Sport oder für eine Schwammerlpirsch unterwegs, das ist nicht nur Hörensagen, ich seh es schon mein Leben lang selber.
7. Dem Abschussplan ist es egal welches Reh man erlegt.
Es tut schlicht niemand weh die (im Körperbau) schwachen Schmalrehe und Jährlinge bevorzugt zu erlegen, also gibt es auch keinen Grund das zu verteufeln.
Abnormitäten bei den Böcken können laut Lehrbuch ein Hinweis auf eine Verletzung oder Krankheit sein. Meist waren sie es bei dem was ich gesehen und erlebt habe nicht, (zumindest) nicht nachweisbar. Da sofort die Kugel fliegen zu lassen ist auch im Sinne des Abschussplans egal. Der Erkenntnisgewinn kann aber höher sein wenn man solchen Böcken das ein oder andere Jahr zuschaut.